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2.4k+ Wörter (ziemlich viel für diese Version, vorher waren die Kapitel länger) also keine Lust zu editieren, viel spass💓
Eine halbe Stunde später knallte ich auch schon wie ein pubertärer Teenager meine Tür hinter mir zu und schmiss meine Jacke auf meinen Schreibtischstuhl.
Seufzend setzte ich mich auf mein Bett und zählte die Sekunden herunter, bis Mum hastig in mein Zimmer stürzen würde.
...5, 4, 3, 2–
„Carter?!"
Und da stand sie auch schon, mit einem besorgten Gesichtsausdruck und ängstlicher Haltung. „Wo bist du gewesen? Letzte Nacht und gerade eben?"
Natürlich hatte Julie sie direkt informiert. Vielleicht hatte sie auch weitergeleitet, dass ich mit Elaine gewesen bin und Mum wollte mich nur mal testen. Ich hätte sowieso nicht gelogen — warum auch? In dieser verdammten Nachbarschaft wusste jeder, was Mr Jones gerade kochte oder Pam auf dem Klo trieb.
Mum schloss die Tür hinter sich und runzelte verwirrt die Stirn, als ich ihr seufzend antwortete. „Mit Elaine und Lucien. Gerade war ich wieder bei ihr, weil sie im Krankenhaus liegt. Irgendeine allergische Reaktion, oder so."
„Oh...", machte sie, während ich mich für einen Moment fragte, ob sie von dem Höschen wusste. So gesehen war es mir egal, aber Julie ist bestimmt, nachdem ich gegangen bin, flennend zu ihr ins Arbeitszimmer gerannt.
„Warte mal eben, Mum...", murmelte ich und stand auf, als sie sich gerade hinsetzte. Sie blickte mir verwundert hinterher, doch auf eine Erklärung hatte ich keine Lust. Mit gerunzelter Stirn klopfte ich kurz an, bevor ich Julies Zimmer betrat.
Sie saß gerade an ihrem Schreibtisch und blickte verwundert auf, als ich die Tür hinter mir schloss. „Was– Carter?"
Ich zog eine Augenbraue hoch, als ich bemerkte, dass sie etwas anderes als Pyjamas und dazu Make Up trug. „Geht's irgendwo hin?"
Sie spitzte kurz die Lippen, bevor sie aufstand und ihren Mac zuklappte. Oder auch meinen. Sonst nervte es mich, wenn sie sich den einfach so nahm, aber in diesem Moment war es mir mehr als egal.
„Ja."
Mehr wollte sie anscheinend nicht hinzufügen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich starrte sie einfach nur an, bis sie eingeschüchtert wegblickte und dann zugab, dass sie sich mit Linda treffen würde.
„Warum, wenn ich fragen darf?"
Mir war klar, dass ich eigentlich kein Recht hatte, zu fragen. Aber ich behandle meine Schwester ja anscheinend immer wie Dreck, also sollte das hier wohl kein Problem darstellen.
Julie ließ die Schultern sacken und presste die Lippen aufeinander. Ich seufzte nur und beschloss, drauf zu scheißen.
„Wo ist Elaines Unterwäsche?"
Jetzt schoss ihr Blick schockiert hoch. Ungläubig trat sie einen Schritt zurück und blickte mich empört an. „Im Müll, natürlich! Denkst du, ich wasche sie und gebe sie ihr zurück?"
„Gut", meinte ich nur und legte den Kopf schief. „Woher wusstest du eigentlich, dass es ihre war?"
Julie sah mich an, als wäre ich verrückt und zog eine Augenbraue hoch. „Weil sie meine beste Freundin ist...?"
„Ach, deswegen hast du in Sekundenschnelle erkannt, dass es sich bei dem weißen Stück Stoff um Elaines Eigentum handelt?"
„Hä, klar? Ich weiß doch wohl, was für Unterwäsche meine beste Freundin trägt. Natürlich versteht ihr Typen das nicht, ihr tauscht ja auch keine BHs und Klamotten aus."
Das ein oder andere T-Shirt hatte ich Lucien schon weggenommen, während er meinen halben Kleiderschrank ausgenommen hatte, aber Unterwäsche hatte jeder in der Regel genug. Und dass Mädchen sich gegenseitig ihre BHs ausliehen, war mir auch neu. Ich beschloss, das nicht zu hinterfragen und schüttelte nur innerlich den Kopf.
„Außerdem wusste ich, dass ihr gemeinsam mit Lucien draußen wart. Du und Elaine habt zwar die ganze Nacht meine Anrufe ignoriert, aber Lu ist nett genug gewesen, ranzugehen."
Ich blickte sie verdutzt an und runzelte die Stirn. „Und dass er dabei war, wusstest du weil...?"
„Elaines Snapchat Story."
O Gott. Innerlich die Augen verdrehend lehnte ich mich an ihre Kommode. „Was hat sie für Bilder oder Videos hochgeladen?"
„Partyzeug halt. Mittlerweile hat sie wieder alles gelöscht, aber ich habe meine Screenshots gemacht. Nachdem ich mit Linda draußen war, werde ich zu Elaine nach Hause fahren."
Für einen Moment zögerte ich, ohne zu wissen weshalb, bevor ich ihr verriet, dass sie im Krankenhaus lag. Julies Kinnlade klappte schockiert herunter, als sie panisch nach ihrem Handy griff. „Warum?!"
„Allergische Reaktion. Keine Sorge, ihr geht's ganz gut", brummte ich und drehte mich wieder um. Julie murmelte irgendwas, während ich wortlos in den Flur trat und kurz in mein Zimmer schielte. Mum saß noch auf meinem Bett, weswegen ich innerlich seufzte und langsam wieder an ihre Seite trottete.
„Warum kreischt die Dame wieder?", fragte sie, als sie mich bemerkte und legte den Kopf schief. Ich zuckte nur die Achseln und setzte mich lustlos neben sie. Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Lust auf eine Fortsetzung des gestrigen Gespräches. Kam mir so vor, als wäre das schon Wochen her.
„Hast du etwas über... über die ganze Situation nachgedacht?", fragte Mum dann zögerlich und griff nach meiner Hand. Ich wollte das hier nur endlich über mich bringen und nickte stumm.
„Und? Hast du irgendwelche Fragen?"
Oh, mehr als genug. Aber meine Gedanken schweiften immer wieder zurück ins Krankenhaus und ich konnte nicht glauben, dass die dummen Worte des blöden Äffchens mich davor abhielten, etwas mehr über meinen Vater zu erfahren. Zähneknirschend zog ich meine Hand wieder zurück und schloss die Augen, um ihren angewiderten Blick aus dem Kopf zu kriegen.
„Du hast jedes Recht wütend zu sein", meinte Mum plötzlich und strich mir über den Oberarm. „Aber vielleicht willst du erstmal die ganze Wahrheit erfahren, bevor du zulässt, dass deine Gedanken dich innerlich auffressen?"
Langsam blickte ich sie wieder an und versuchte Elaine aus meinen Gedanken zu verbannen. Das Problem war, dass ich jetzt auch noch an unser Gespräch von gestern denken musste.
„Wie lange wusstest du schon, dass Iván mein leiblicher Vater ist?"
Mum zog die Augenbrauen zusammen und blickte nachdenklich weg. „Um ehrlich zu sein, bin ich mir nie sicher gewesen. Die Gedanken kamen erst mit der Zeit, als du älter wurdest und die Familie deines Vaters ständig Witze darüber gerissen hat, dass meine Gene definitiv dominanter seien als James'. Iván und ich... Wir sind nie wirklich ein Paar gewesen. Ich weiß, das entschuldigt nichts, aber dein Vater und ich haben in unserer Unizeit keine richtige Beziehung geführt, also ist keiner von uns beiden wirklich treu gewesen. Es ist komisch darüber zu reden, aber... dein Dad hatte nicht ansatzweise Interesse daran, mit überhaupt jemandem was Ernstes anzufangen, aber als er mir dann mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat, habe ich Iván schnell vergessen und circa einen Monat später, in dem ich mich nur mit deinem Dad getroffen habe, kamen so die Symptome für eine Schwangerschaft. Mal ganz abgesehen davon, dass ich unbedingt wollte, dass es von James ist, hatte ich wirklich gar nicht mehr an Iván gedacht. Mir ist aber klar, dass Iván mich ohne einen Zweifel unterstützt hätte, während dein Vater erstmal eine Woche lang meine Anrufe ignoriert hat, nachdem ich ihm von dir erzählt habe", sie lachte leise auf, aber man konnte hören, dass sie das immer noch nicht so lustig fand.
Er hatte sie zwar ignoriert, aber wenigstens hatte er sich dann später gemeldet und es bis heute so weit gebracht.
„Irgendwann kamen dann die Gedanken und Schuldgefühle, aber ich wusste, dass es für deinen Vater keinen Unterschied mehr machen würde. Du bist sein Sohn, Carter, und das wird sich auch nie ändern."
Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch und lehnte mich etwas zurück. „Also hast du es ihm einfach verschwiegen?"
Mum nickte langsam und blickte beschämt weg. „Bis dann eines Tages Iván wieder vor mir stand, im Schulflur der Middle School, an der ich früher unterrichtet habe. Wie es das Schicksal so wollte, hatte er sich dort beworben und natürlich den Job bekommen", sie presste kurz die Lippen aufeinander und schüttelte leicht den Kopf. „Am Anfang war das ja kein Problem. Wir haben uns gut verstanden und öfter mal die Pause miteinander verbracht. Du und Julie seid in einem anderen Bezirk zur Schule gegangen, weil das näher zu unserem Zuhause war, aber bis dahin hatte ja sowieso keiner etwas verdächtigt. Weißt du noch, als wir einkaufen waren und Iván getroffen hatten?"
Ich nickte langsam und versuchte nicht allzu gequält dreinzuschauen. Irgendwie war es mir unangenehm darüber zu reden, wie ich über Jahre hinweg ein einziges Geheimnis für meine Mum dargestellt habe.
„Er hat mir noch am selben Abend geschrieben, dass wir uns mal unterhalten müssen. Und erst dann habe ich wirklich realisiert, dass es da mehr als um rezessive und dominante Gene ging."
Seufzend rückte sie näher und fuhr mir sanft durchs Haar. „Guck mich nicht so emotionslos an, Carter."
„Soll ich weinen?"
„Wenn du willst", lächelte sie, doch ich schüttelte nur den Kopf. Das hatte aber nichts mit meinem Ego oder meiner Arroganz zutun, wie Elaine jetzt sagen würde, sondern mit dem Fakt, dass ich einfach selten bis nie weinte. Nichtmal als Jenny mich indirekt abserviert hatte, sodass ich sie offiziell zurück abservieren musste, hatte ich geweint. Bis ich zum Alkohol gegriffen und mit Lucien im Nebenzimmer eines Hauses von einer fremden Person gekuschelt habe.
„Wenn die Tränen kommen, rufe ich dich", meinte ich dann sarkastisch und war selbst verwirrt. Ein Teil von mir hatte es bereits eingesehen, aber ein anderer konnte es immer noch nicht realisieren.
Mum betrachtete mich nur besorgt und legte den Kopf schief. „Ist irgendwas mit Lucien oder Elaine passiert?"
Ich schüttelte nur den Kopf, weil ich keinen Nerv hatte, darüber zu reden und seufzte leise. „Also habt ihr nie einen DNA-Test gemacht? Aber du bist Dad auch nicht fremdgegangen?"
„Nein. Doppelnein! Ich würde deinem Vater niemals fremdgehen. Carter, das hast du doch nicht von mir gedacht, oder?", sie blickte mich enttäuscht an, doch ich zuckte nur die Achseln.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich denken soll."
Mum zog ihre Hand zurück und nickte dann resigniert. „Ich bin deinem Dad nicht untreu gewesen. Und er mir eigentlich auch nicht. Weißt du, nachdem ich ihm von Iván erzählt habe war er sehr sauer. Erst wollte er wissen, warum ich es ihm nicht vorher gesagt hatte und danach konnte er nicht zulassen, dass du davon erfährst. Ihr habt es nicht gemerkt, aber die meisten Nächte hat er im Gästezimmer verbracht. Das mit Rebecca... war gar nicht ernstzunehmend. Ich wusste davon schon. Er konnte mich nichtmal ansehen, weil er mir nicht geglaubt hat, dass ich ihm nicht fremdgegangen bin. Diese Phase unseres Lebens bestand nur aus impulsiven und dummen Entscheidungen, bis Rebecca dann schwanger vor unserer Haustür stand. Dann haben wir realisiert, dass es so nicht weitergehen konnte und ich habe die Scheidung eingereicht."
Mum blinzelte die Tränen weg und schniefte plötzlich. „Er hat alles dafür getan, das Sorgerecht für dich zu bekommen, Carter. Ich weiß nicht wieso, aber er hat große Angst, dass eure Beziehung jetzt vollkommen einstürzt. Aber es war klar, dass es mit euch beiden in Swindon nicht klappen würde..."
„Ich dachte, dass er dir fremdgegangen ist", murmelte ich und schloss die Augen. „Natürlich habe ich ihn gehasst. Es war nicht die Hölle, aber ich war einfach unglaublich wütend."
Mum seufzte zitternd und lehnte sich neben mich an die Wand. „Sein Spatzenhirn will auch nicht verstehen, dass du ihn dennoch als seinen Vater sehen wirst und trotzdem mit Iván den ein oder anderen Tag verbringen kannst. Denn das wäre vollkommen okay, weißt du, oder?"
Um ehrlich zu sein wusste ich nicht, ob ich überhaupt den Drang dazu hatte, Iván kennenzulernen. Mehr als ein Orgasmus verband uns ja nicht.
„Möchte Iván das denn?"
Mum nickte langsam. „Schon lange. Er möchte auch, dass du deine Halbschwester kennenlernst."
„Wow, noch ein Halbgeschwisterchen?"
Ethan war somit anscheinend doch nicht mein Bruder. Schade, dabei hatte ich mehr als genug Zeit mit dem Bengel verbracht.
„Sie heißt Ruth. Da sie erst 12 Jahre alt ist, werdet ihr vielleicht nicht die besten Freunde, aber abgesehen davon wohnen sie und ihre Eltern sowieso in einem anderen Bezirk. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee wäre, sie zum Essen einzuladen..."
Ich musste lachen und blickte Mum ungläubig an. „Meinst du das ernst? Dad kann ja nichtmal mir in die Augen gucken, seitdem ich weiß, dass ich nicht das Ergebnis einer eurer lieblichen Nächte gewesen bin, also wird er Iván und seine Clique ganz bestimmt nicht beim Essen ertragen können."
Sie lief rot an und nickte stockend. „Ähm... Hast ja recht, aber geht das auch, ohne mich derart in Verlegung zu bringen?"
„Geht es noch formeller, Mrs Queen?", fragte ich und stockte im selben Moment noch. „Mrs Cooper", korrigierte ich mich schnell und konnte nicht glauben, dass ich diesen Fehler jetzt ernsthaft gemacht hatte.
Mum blickte mich nur wortlos an, bevor sie ein Grinsen zuließ. „Man, habe ich einen idiotischen Sohn", lachte sie dann plötzlich und so fühlte sich die ganze scheiß Situation wieder ein bisschen besser an.
Fast schon erleichtert legte ich den Kopf schief und versuchte wirklich ehrlich zu sein. So richtig aufrichtig, ohne Ausnahme; „Eigentlich ist es mir egal, wer jetzt mein biologischer Vater ist. Es geht mich auch gar nichts an, ob du ihm jetzt fremdgegangen bist oder nicht — selbst wenn ich dabei entstanden wäre. Das Einzige, was mich traurig macht, ist die eklige Art, die ich draufhatte, als Dad mich mit nach Swindon genommen hatte. Es war vielleicht sein Fehler, weil er es mir nicht sagen wollte, doch ich glaube nicht, dass er nur sich selbst und unsere Beziehung beschützen wollte. Er hat auch dich und das Bild, das wir von dir hatten, bewahrt. Ich hasse mich für jedes blöde Wort, jede Beleidigung und jeden Vorwurf, den ich ihm damals gemacht habe und wünschte, dass er jetzt hier wäre, damit er zuhören kann, weil es irgendwie nicht so leicht ist diese Worte auszusprechen, ohne wie ein Baby zu flennen."
Mums Grinsen verschwand, während ich die Lippen zusammenpresste und zum ersten Mal derart starke Gewissensbisse verspürte. Tränen meldeten sich dennoch nicht. Vielleicht war ich unmenschlich? Wie Julie schon gesagt hatte; eine Maschine. Das Adjektiv, mit dem sie mich liebevoll beschrieben hatte, verdrängte ich lieber.
„Du musst ehrlich mit dir selbst sein", meinte Mum plötzlich und strich mir sanft durchs Haar. „Mit dem, was du fühlst und denkst. Genauso, wie du es gerade bist. Niemand sagt, dass du ständig meckern oder flennen oder schreien sollst, aber du musst es ab und an mal rauslassen."
Ich blinzelte nur verwundert und hatte das merkwürdige Gefühl, mehr aus ihren Worten rauszuhören. Schwerschluckend wandte ich den Blick ab und sah zu meinem Schreibtisch.
Die Kniesocke hing halb über dessen Rand und wurde nur vom Gewicht meines Gürtels auf ihr davor zurückgehalten, zu Boden zu fallen.