Ginger

By Ochrasy

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Eine beste Freundin hat man für immer. Doch wenn man einen besten Freund hat, wird irgendwann Liebe daraus. ... More

1 - Neue Mitbewohner werden getötet
3 - Das Ginger-Eichhörnchen
4 - Wie schnarchen Grizzlybären?
5 - #sunrise
6 - Latzhosen verdienen eine zweite Chance
7 - Ich-habe-eine-Freundin-Karte
8 - Katerstimmung, Frauenärzte und Geschlechtskrankheiten
9 - Leg dich nicht mit der Defence an
10 - Mein Baby gehört zu mir
11 - Vom Gorilla zum Aal
12 - 20 Euro für einen Toten
13 - Atemlos mit 99 Luftballons
14 - Ich bin ein nasses Blatt
15 - Das Schicksal, mein Feind
16 - Halt dich an mir fest
17 - Schneckenkotze
18 - Wie Motten und Suizidgefährdete
19 - Wie ein Quokka
20 - Die relativierte Lüge
21 - Es werden keine Prioritäten gesetzt!
22 - Regentropfen mit Hang zur Romantik
23 - Alle Vögel sind schon da
24 - Wie er mich mit einer Lüge ins Bett bekam
25 - Es tut mir leid
26 - Überraschungsbesuch
27 - Nackte Haut
28 - Männer mit Schnäuzern sehen alle gleich aus
29 - Irgendwann haben wir alle mal ein Stein auf dem Kopf
30 - Wie ich drohte zur Zimmerpflanze zu werden
31 - Die Ups and Downs meines Herzens
32 - Zu viel Mann für eine Frau
33 - Ein angekratzes Ego und seine Folgen
34 - Flucht in die Vergangenheit
35 - Ginger
Ende
+++BUCH+++Veröffentlichung+++
***Buchveröffentlichung***

2 - Best Buddys und Sixpacks

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By Ochrasy

„Nett", lautete Tills Urteil über mein neues Zimmer.

Wie jeder wusste war „Nett" der kleine Bruder von „Scheiße", weshalb ich ihn nicht ernst nehmen konnte.

„Spinner!"

Er lachte und ließ sich neben mich aufs Bett fallen. Sofort quietschten die Bettfedern laut auf. Erinnerungen von dieser Nacht kamen wieder hoch. Ich konnte nur hoffen, dass das Rumgestöhne nicht zu meiner abendlichen Einschlafkulisse gehören würde.

„Ach naja, sieh es positiv. Jetzt kannst du dir jede Menge Poster von oberkörperfreien Typen kaufen, um diese grässliche Wand zu bedecken."

Ich stieß ihm kumpelhaft den Ellenbogen in die Rippen.

„Lieber tapeziere ich meine Wand mit Filmplakaten von Horrorfilmen, als mir das Ergebnis von Fotoshop und falscher Eitelkeit ansehen zu müssen."

„Du stehst also nicht auf eingeölte Sixpacks?", hakte er nach und grinste breit.

Mein Blick fiel automatisch auf seinen flachen Bauch und ich konnte nicht verhindern, mir vorzustellen, wie er so ein eingeöltes Sixpack hatte. Ihm entging das nicht und er zog demonstrativ sein Shirt nach unten.

„Ich hab lieber ein Sixpack Bier und in ölgetunkte Pommes."

Sein Grinsen wurde immer breiter.

„Ich wusste doch, warum du mein Best Buddy bist, Ginger. Ich glaube, du bist das einzige Mädchen, mit dem ich genüsslich ein Bier trinken kann."

Till nannte mich nie bei meinem richtigen Name. Schon in der Grundschule war er so fasziniert von meinen roten Haaren gewesen, sodass ich für ihn immer nur Ginger war. Das Mädchen, das so aussah, als wäre sie eine Verwandte der Weasleys. Bis zur dritten Klasse hatte ich mich geweigert auf diesen Namen zu hören, doch dann hatte ich resigniert und mittlerweile mochte ich es sogar. Es war immerhin besser als Wikingermädchen oder irischer Kobold. Doch Till war der einzige, der mich Ginger nennen dürfte. Er war eben etwas Besonderes.

„Was hältst du davon, wenn wir heute zu Ikea fahren? Wir kaufen Wandfarbe, Vorhänge und definitiv eine Lampe." Er sah nach oben zur einsam baumelnden Glühbirne, die dem Zimmer eine Atmosphäre wie in einem Verhörraum während der Stasi-Zeit verlieh. „Und im Anschluss stopfen wir uns mit Köttbullar voll. Ich lad dich auch ein."

Till war so unkompliziert und er war dafür verantwortlich, dass ich meine Lebensfreude nicht verloren hatte. Dazu gab er mir gar keine Gelegenheit.

„Aber nur, wenn ich dich dann auf ein Softeis einladen darf!"

„Okay, abgemacht!"

Er erhob sich schwungvoll vom Bett. Till trug wie fast immer ein einfarbiges Shirt und das für gewöhnlich in Pastellfarben. Sein dunkler Teint kam dadurch besonders gut zur Geltung. Auch wenn er es nicht zugab, liebte er seine Sunnyboyoptik. Er hatte zwar noch ein ziemlich jungenhaftes Gesicht, aber sein schelmisches Lächeln hatte auf die meisten Mädchen dieser Welt eine Anziehungskraft, wie der Mond zur Erde. Doch ich war in diesem Universum eher ein Planet, der zwar im gleichen Universum seine Runden drehte, aber die niemals in die Umlaufbahn der Erde kommen würde.

„Wir können ja auch noch Diam kaufen", schlug ich vor. Ich liebte diese schwedische Süßigkeiten, auch wenn sie mit Vorliebe meine Zähne verklebten und jeden Zahnarzt wohl die Hände über den Kopf zusammenschlagen ließ.

Tills Lächeln wollte einfach nicht von seinem Gesicht verschwinden.

„Man merkt, dass du auf keine Sixpacks stehst und sie mit sämtlichen Lebensmitteln hartnäckig bekämpfst."

„Deshalb sind wir eben auch nur Freunde. Du bist halt nicht mein Beuteschema", zog ich ihn auf. Ich wusste ganz genau, was er unter seinem Shirt versteckte. Es war vielleicht kein sonderlich definiertes Sixpack, aber er hatte definitiv gute Ansätze für sein Alter und das obwohl er mehr fraß als Bridget Jones bei Liebeskummer. „Ich muss aber um sechs wieder da sein. Es findet so eine Art WG-Treff statt. Wir werden wohl ein Bier trinken, Fertiglasagne aus der Mikrowelle essen und uns beschnuppern. Ich schätze man wird mich ins WG-Leben einführen."

„Beschnuppern?", wiederholte Till meine Wortwahl. „Ich hoffe, dass ihr es zivilisierter als Hunde macht."

Ich verdrehte die Augen.

„Manchmal bist du echt so ein Idiot."

Till streckte die Hand nach mir aus, sodass er mich vom Bett hochziehen konnte.

„Na dann sind wir schon zwei."

Auf dem Weg zu Ikea spürte ich immer wieder Tills Blick auf mir. Ihm schien nicht bewusst zu sein, dass ich aus dem Augenwinkel bemerkte, wie er mich beobachtete. Till war ein Strahlemann, der selbst aus einem Paragraphen zum Baurecht von Kleingartenanlagen eine witzige Angelegenheit machen konnte, aber in letzter Zeit war er manchmal ungewöhnlich ernst und ich kannte auch den Grund dafür. Er machte sich Sorgen um mich. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und lächelte ihn an, um ihm zu signalisieren, dass es mir gut ging. Er erwiderte es und versuchte sich seine Sorge nicht anmerken zu lassen. Mal abgesehen von Flo, sahen mich alle aus meinem Umfeld in letzter Zeit an, als wäre ich eine Porzellanpuppe, die jeden Moment drohte in tausend Stücke zu zerfallen.

Als wir vor dem riesige Gebäude in den Farben der schwedischen Flagge standen, breitete sich bei mir Vorfreude aus.

„Wenn du willst, darfst du auch im Kinderland bleiben", bot ich Till an, der fast schon neidisch die Kinder im Bällebecken begutachtete.

Er lachte nur und klaute gleichzeitig ein paar Bleistifte. Eine junge Mitarbeiterin im Schwedenlook hatte ihn dabei beobachtet. Doch anstatt ihm einen mahnenden Blick zu zuwerfen, sah sie so aus, als hätte sie ihm am liebsten auf der Stellte die Klamotten vom Leib gerissen. Till war ein Hingucker und viele konnten es nicht verstehen, dass ich die Finger von ihm lassen konnte. Doch für mich war er einfach Till. Außerdem hatte er eine Freundin und war somit eh Sperrzone.

Wir schlenderten durch die Gänge und zerbrachen uns die Zungen an den Namen der Möbelstücke. Wir schmissen uns auf Betten, die sich anfühlten, als wären wir im Himmel und würde in den Wolken schlafen. Wir veranstalteten Wettrennen mit Drehstühlen, bei dem jedes Mal Till gewann. Schräge Blicke waren uns wie immer egal. Der eigentliche Spaß begann, als wir in die Abteilung mit den Dekoartikeln kamen. Das war für mich wie die Streusel auf Omas berühmten Apfelkuchen.

„Wie viel Budget hast du eigentlich?", erkundigte sich Till, als unser Wagen schon am überquellen war.

Für einen kurzen Augenblick konnte ich einen traurigen Gesichtsausdruck nicht verstecken.

„Mehr als genug. Das Erbe hat meinen Kontostand deutlich aufgebessert."

Till wirkte mit der Antwort für einen Moment überfordert. Er biss sich auf die Unterlippe.

„Oh", stammelte er.

Kurz war er sprachlos und senkte seinen Blick. Wir vermieden es über das, was passiert war, zu sprechen, denn es zog grundsätzlich die Stimmung nach unten und das konnte ich im Augenblick nicht gebrauchen.

„Guck mal, die Gardinen sind doch perfekt!", lenkte ich ab und zeigte auf ein Traum in Rosa.

Till zwang sich ein Lächeln auf.

„Ja, falls du im Barbiehaus wohnen würdest, wären sie perfekt."

„Irgendwie muss ich ja meine Weiblichkeit unterstreichen. Nicht, dass ich in dieser WG noch zu einem Mannsweib mutiere und meine Unterwäsche nur noch einmal in der Woche wechsle."

Till verzog das Gesicht.

„Das ist deine Definition von Männlichkeit? Dass wir unsere Unterwäsche nicht wechseln? Ich weiß ja, dass du bis jetzt mit ziemlichen Scheißtypen zusammen warst, aber das sie auch noch so widerlich waren, war mir nicht bewusst."

Ich verzog getroffen das Gesicht.

„Na danke, dass du meine Ex-Freunde als Scheißtypen bezeichnest."

Ich tat zwar auf beleidigt, wusste aber, dass er eigentlich Recht hatte. Nur hatte er es zuvor nie so direkt ausgesprochen.

„Sorry", murmelte Till, als auch er merkte, dass er seine Meinung über meine Ex-Freunde ziemlich unverblümt geschildert hatte. Was unsere jeweiligen Partner anging, hielten wir uns für gewöhnlich zurück. Wir wussten, dass wir diesbezüglich zu unterschiedlich waren. Ich war auch nicht immer begeistert von seinen blondierten Püppchen, die er meistens nie länger als ein paar Wochen hatte, doch diese Meinung hielt ich bewusst für mich.

„Und was ist mit dieser Gardine?", lenkte ich erneut ab und war für die große Auswahl an Gardinen sehr dankbar. Sie wappneten mich noch für diverse andere Themenwechsel.

Till schien auch von der Variante Blumenwiese nicht sonderlich begeistert zu sein.

„Seit wann bist du denn so ein Girly-Typ, der sich Blumengardinen aufhängt?"

Ich musste schmunzeln. Um ehrlich zu sein, war die Blumenwiesengardine einfach die erste gewesen, die ich in die Hand bekommen hatte, um das Thema wechseln zu können. Ich fand sie furchtbar und war froh, dass Till das auch zu wissen schien. Er kannte mich eben besser als jeder andere.

„Wie gesagt, ich muss meine Weiblichkeit betonen, um in einer Männer-WG nicht unterzugehen", wiederholte ich mich, hielt aber schon nach anderen Modellen Ausschau.

Letztendlich wurden es welche in Bordeauxrot. Dazu entschieden wir uns für cremefarbene Wandfarbe. Nach der Pflicht folgte die Kür. Bilderrahmen gesellten sich zu Vasen und einer Schreibtischlampe.

Den Weg zu den Kassen musste Till den Wagen schieben. Er war zu schwer geworden, sodass ich ihn nicht mehr vorangeschoben bekam.

Als ich die Summe für unseren Einkauf sah, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Hatte meine Eltern es sich so vorgestellt, dass ihr Erbe bei schwedischen Kapitalisten ließ? Ich konnte sie das nicht mehr fragen, aber die paar Hundert Euro machten wohl keinen Unterschied. Ich brauchte einen Tapetenwechsel und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Wie versprochen, stopften wir uns nach der Senkung meines Kontostandes mit Fleischbällchen voll.

„Till?"

„Hmm?"

Seine Backen waren wie bei einem Hamster aufgeplustert, doch er stopfte sich genüsslich noch einen Happen in den Mund.

„Wie kriegen wir das ganze Zeug eigentlich in mein Zimmer?"

Selbst wenn wir acht Arme und Muskeln wie Mr. Universe hätten, würden wir nicht alles wegbekommen.

„Ich habe mich schon gefragt, wann dir dieser Gedanke kommt", schmatzte er. „Aber keine Angst, ich hab Karo angerufen. Sie holt uns mit dem Familienauto ab."

Karo war Tills ältere Schwester, die nicht selten für uns den Chauffeur spielte. Das tat sie allerdings für gewöhnlich in der Manier eines Banditen, der auf der Flucht vor der Polizei war. Nicht selten krallte ich mich bei ihr im Sitz fest und hoffte, dass mein Schutzengel heute aufmerksamer war, als ich im Chemieunterricht.

„Danke."

Er winkte ab.

„Kein Ding."

„Ich meine nicht nur für das heute. Für die letzten Wochen. Dass du da warst."

Seine Gabel hielt inne und für einen kurzen Augenblick schwebte sie über seinen Fleischbällchen. Es war selten, dass wir im ernsten Tonfall miteinander sprachen. Ironie und Sarkasmus bestimmte für gewöhnlich unsere Sprache.

„Ich bin immer für dich da. Das weißt du doch."

Ja, das wusste ich.

„Ich bin froh dich zu haben."

Nachdem er heruntergeschluckte hatte, lächelte er. Dann kniff er mir wie eine alte schamlose Oma in die Wange.

„Ich bin auch froh dich zu haben, Ginger."




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