Ich will dich nicht verlieren

By Vic_Gibson

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»Ich wusste nicht, dass man so schnell seine Versprechen brechen konnte, denn am nächsten Tag und auch darauf... More

Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19 - Dain
Kapitel 20 - Dain
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23 - Dain
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26 - Dain
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33 - Dain
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Epilog

Kapitel 6

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By Vic_Gibson

Das T-Shirt, welches ich trug, war mir etwas zu groß. Es war olivgrün und hatte vorne einen Print drauf, zudem war es vorne in meine Jeans gesteckt und hing hinten heraus. Der Look war recht casual, aber meiner Meinung nach reicht das auch. Meine Haare hatte ich halb offen gelassen. Ich hatte nur zwei seitliche Strähnen genommen, sie geflochten und an meinem Hinterkopf zusammengebunden. Ich sollte sie mal wieder schneiden lassen, sie gingen mir bis zur Mitte meines Bauches. Das war mir nicht so wirklich aufgefallen in der letzten Zeit, da ich sie immer in einem Zopf oder einem Dutt trage. Die Wimpern hatte ich mir auch getuscht. Mehr nicht, aber mehr war an Make-up auch nicht nötig, da es höchstwahrscheinlich am Ende des Tages verschmiert sein wird.

Nachdem ich mein Aussehen noch ein letztes Mal überprüft hatte, schlüpfte ich in meine Schuhe, verabschiedete mich noch von meinen Eltern und verließ das Haus. Mit dem Auto ging es dann zum Bahnhof und mit dem Zug zum Hauptbahnhof. Ich fuhr dann mit der Straßenbahn weiter. Dies war eigentlich mein Weg zur Uni, allerdings musste ich ein paar Stationen vorher aussteigen. Auf dem Weg habe ich auch mit Finn geschrieben, er meinte, wir treffen uns vor dem Wohnheim, jetzt, da ich an der Haltestelle stehe, musste ich nur noch herausfinden, welches Wohnheim denn gemeint war. Die Suche nach dem richtigen Gebäude war eigentlich leichter, als ich mir das vorgestellt hatte, denn es drang nur aus einem Wohnheim laute Musik. Vor der überdachten Haustür stand Finn und war eine am Rauchen. Er hob die Hand, als ich näher kam. "Na? Ist schon viel los?"

"Nein, nicht wirklich, aber es ist ja noch früh. Mit der Zeit werden das noch viel mehr." Während er das sagte, schaute er durch die offene Haustür und zuckte mit den Schultern. "Wo ist denn Stacy?"

"Drinnen. Wollen wir auch rein?" Daraufhin nickte ich. Finn drückte seinen Zigarettenstummel um Aschenbecher, der auf der Fensterbank von einem Fenster stand, aus und ging voran. Ich folgte ihm und schaute mich dabei um. Das Wohnheim war wie ein großes Einfamilienhaus, nur bei weitem größer. Ich glaube, hier hat jeder sogar sein eigenes Zimmer. Wir kamen in ein großes geräumiges Wohnzimmer, mit einem Sofa, welches übers Eck ging und einem Flachbildfernsehen auf der gegenüberliegenden Wand. Auf dem Sofa saßen zwei junge Männer, ungefähr in meinem Alter, vielleicht auch älter, und unterhielten sich. Der eine Mann hatte ein Mädchen an seiner Seite, seine Hand lag auf ihrer Hüfte. Als sie Finn und mich bemerkten, grüßten sie Finn und warfen mir einen kurzen, aber nichtssagenden Blick zu. An das Wohnzimmer grenzte eine Küche an, aus der ich die Stimme von Stacy wahrnahm. In der Küche stand sie dann auch mit einem Mann. Sie bemerkten mich sofort, als ich eintrat. "Oh Kylie, schön, dass du gekommen bist", quietschte sie. Stacy rannte auf mich zu und schloss mich in die Arme. Ich erwiderte die Geste und klopfte ihr leicht auf den Rücken, aber sie wollte mich nicht so leicht loslassen. Der Mann, mit dem Stacy gerade noch geredet hat, wollte sich langsam aus dem Staub machen, aber das schien Stacy nicht zu passen. Sie bemerkte es sofort. "Du bleibst hier, Andrew. Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir noch Finn und Kylie vorstellen muss." Sie schaute einmal zu Finn und mir und dann wieder zu Andrew. "Kylie, Finn, das ist Andrew. Andrew, das sind einmal Kylie", sie zeigte dabei auf mich. "Und Finn. Ich habe dir ja schon von den beiden erzählt." Andrew nickte nur und brachte kein Wort über die Lippen. Er war recht groß und hatte seine dunkelbraunen kurzen Haare nach hinten gekämmt, an den Seiten waren sie kurz geschoren. Er trug ein schwarzes Hemd, bei dem er die Ärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte, und eine ebenfalls schwarze enge Jeans. In der einen Hand hielt er eine Flasche, aber was es genau war, konnte ich nicht erkennen. "Er ist genauso introvertiert wie du, Kylie." Stacy lachte und Andrew sah ein wenig unbeholfen auf den Boden. Wie nett du doch manchmal bist, Stacy. "Lass den armen Jungen doch jetzt gehen, Stacy, er fühlt sich, glaube ich, hier nicht wohl", Finn mischte sich nun auch ein. Stacy blickte ihn daraufhin irritiert an und fragte Andrew, ob dies stimmt. Dieser nickte nur ganz leicht und verschwand in einem der Gänge, die wahrscheinlich zu den Zimmern führten. "Was macht der eigentlich auf einer Party?", Finn blickte ihm hinterher. "Er wohnt hier, hat aber nichts, wo er heute Abend hingehen könnte, also muss er wohl oder übel hier bleiben." Stacy bedeutete uns zu folgen. Sie führte uns durch das Wohnzimmer und durch die große Glastür, die zu einem Hinterhof führte. Der Hinterhof verband einige Wohnheime und diente gleichzeitig als Garten, das wurde uns zumindest von Stacy erklärt. Im Hinterhof lagen ein paar Decken auf dem Gras und ein paar Studenten tummelten sich um einen Grill, der am Laufen war. "Die Jungs, die das hier organisieren, haben sich dazu entschieden, dass sie jedem etwas zu essen anbieten, damit keiner den Fehler macht, auf leerem Magen zu trinken. Es gibt Burger, Hotdogs und generell einfach irgendwas vom Grill. Müssen wir gleich mal schauen."

"Und wie haben die das finanziert?" fragte ich. Stacy zuckte daraufhin nur mit den Schultern, sie meint, es interessiert sie aber auch nicht, findet die Idee aber gut. Während Finn und ich, aber zumeist ich, da Finn das alles schon kannte, herumgeführt wurden, kamen immer mehr Studenten dazu. Manche von ihnen kannte ich vom Sehen her, bei anderen war ich mir sicher, dass sie in meinem Studiengang waren und wiederum bei anderen, da wusste ich nicht einmal, ob sie überhaupt Studenten waren. Als Stacy fertig mit Erzählen und Erklären war, holten wir drei uns was zu essen und setzten uns auf eine noch freie Decke. Finn stand mittendrin noch einmal auf und kam mit drei Bier wieder. Beim Essen sah ich mich ein wenig um. Die Musik war inzwischen noch lauter geworden und sowohl drinnen als auch draußen sah ich immer mehr Menschen tanzen, manchmal alleine und manchmal zu zweit, auch wenn ich dieses Aneinanderpressen nicht mehr Tanzen nennen würde. Von drinnen kam lautes Gegröle, die Studenten schienen irgendetwas zu spielen, da sie im Kreis saßen, war es wahrscheinlich irgendwas wie Wahrheit oder Pflicht oder vielleicht sogar sieben Minuten im Himmel, da gerade ein Pärchen aufstand und ging. War das nicht eigentlich ein Spiel für Teenager? Allerdings konnte man von uns hier auch nicht behaupten, dass wir uns älter verhielten. Gerade als ich mich wieder umdrehte, um Stacy etwas zu fragen, sah ich, dass nicht nur Stacy, sondern auch Finn verschwunden waren. Die haben mich hier ernsthaft alleine gelassen? Ich schaute mich noch einmal um und stand sogar auf, um mehr sehen zu können, aber nirgends war eine Spur der beiden. Bevor ich mich auf den Weg ins Haus machte, warf ich noch meinen Pappteller weg und schnappte mir mein Bier. Drinnen war es verdammt eng und ich merkte, wie verschwitzt alle vom Tanzen waren, als ich mich durch die Masse quetschte. Ekelhaft. Ich werde am Ende des Tages also mehr nach Schweiß von anderen stinken als nach meinen eigenen. Bei dem Gedanken lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. In der Küche angekommen, fühlte ich mich direkt wohler. Hier war kaum jemand, aber ich sah Andrew. "Hi, ähm, Andrew." Vorsichtig näherte ich mich ihm. Er drehte sich zu mir um und sah mich neugierig an. In seiner Hand hatte er diesmal einen roten Becher. "Willst du auch was zu trinken?" fragte er mich. Meinen Blick hatte er wohl als einen Wunsch nach etwas zu trinken aufgenommen. "Nein, also ich würde nichts dagegen haben, aber ich hatte eigentlich eine Frage."

"Und das wäre?" Er griff nach einem weiteren Becher und schüttete mehrere Alkoholarten in den Becher zusammen und gab ihn mir dann. Erst jetzt merkte ich auch, dass ich meine Bierflasche nicht mehr in der Hand hatte. Ich habe sie doch nicht irgendwo fallen lassen, oder? Hatte sie mir jemand abgenommen? Ich weiß es einfach nicht mehr. "Hast du zufällig Stacy oder Finn gesehen?"

"Nein." Das war eine prompte Antwort. "Oh, trotzdem Danke und Danke für den Drink." Andrew nickte daraufhin nur. Ich habe immer noch keine Anhaltspunkte, na toll. Wo könnten die beiden nur sein? Und warum ließen sie mich einfach so alleine? Ich weiß, ich bin kein kleines Kind mehr, auf das dauerhaft aufgepasst werden muss, aber an einem Ort mit so vielen Menschen können die beiden mich doch nicht einfach alleine lassen. In Gedanken verloren, nippte ich an meinem Drink. Oh Gott, das hätte ich nicht tun sollen! Da ist ja mehr Wodka drinnen als etwas anderes. Angewidert verzog ich mein Gesicht und drehte mich zu den ganzen Flaschen um. Andrew war wieder verschwunden und die anderen Personen nahmen mich anscheinend nicht wahr. Auf der Arbeitsplatte standen zwischen einigen Tequila-, Schnaps- und Wodka Flaschen, mehrere Orangensaft Flaschen. Ich griff nach einer angefangenen Flasche und kippte den Inhalt auf meinen Drink, dann nippte ich noch einmal dran. Jetzt ist es besser, zwar noch immer nicht lecker, aber besser. Jetzt muss ich mich aber wieder auf die Suche meiner beiden Freunde machen. Finn könnte vielleicht wieder draußen sein und eine rauchen, aber wo Stacy sein mag, das weiß ich nicht. Ich entschied mich erst nach Finn zu suchen, das erschien mir einerseits leichter und er wusste vielleicht auch, wo Stacy ist.

In Richtung Haustür war das Menschengedränge nicht so stark, da kam ich diesmal also gut durch. Die kalte Luft schlug mir ins Gesicht. Es war angenehm, drinnen roch es nach Alkohol, verschwitzten Menschen. Hier roch es eher nach... Tabak und Gras. Ich drehte meinen Kopf nach rechts und sah eine Gruppe Männer, die alle eine Zigarette oder sogar einen Joint in der Hand hielten. Keiner dieser Männer war Finn. Wo soll ich ihn denn jetzt noch suchen? Um nicht allzu verloren auszusehen, schlenderte ich nach links. An der Hausecke angekommen, hörte ich neue Stimmen. Als ich um die Ecke lugte, erkannte ich tatsächlich Finn und noch irgendeine Frau. Beide waren am Rauchen. Ich ging auf sie zu und auf halbem Weg schaute die Frau mich an. Finn folgte ihrem Blick. "Hey Kylie, was machst du hier?"

"Ich war auf der Suche nach dir. Du und Stacy, ihr wart vorhin so plötzlich verschwunden."

"Aber ich hatte dir doch Bescheid gegeben, dass ich eine rauchen gehe. Stacy ist eigentlich bei dir geblieben, ist sie einfach abgehauen?"

"Du hattest mir Bescheid gegeben? Das habe ich nicht mitbekommen, tut mir leid", ich sah ihn entschuldigend an, aber er winkte nur ab, mit einem Lächeln. "Für dich ist das alles hier noch neu, also kann ich verstehen, dass du abgelenkt warst." So neu war das alles für mich gar nicht, ich war schließlich schon auf einer Party, auch wenn diese nicht gut ausgegangen ist. "Weißt du, wo Stacy hingegangen sein könnte? Ich habe sie nicht gefunden." Finn sah aus, als würde er darüber nachdenken, aber seine Antwort gefiel mir nicht. "Nein, hast du bei Andrew schon einmal nachgefragt?"

"Ja, er wusste es auch nicht."

"Dann habe ich leider absolut keine Ahnung." Schade. Dann musste ich sie selbst finden. Ich bleibe allerdings noch ein wenig länger hier bei Finn und der Frau stehen, ich wollte nicht schon wieder rein. Die beiden nahmen schnell wieder ihre vorherige Unterhaltung auf und hatten mich, glaube ich, schon wieder ausgeblendet. Ich lehnte mich an die Hauswand und trank mein Getränk. Der Abgang war bitter und es hinterließ auch keinen guten Nachgeschmack.

Finn war bei seiner bereits zweiten Zigarette, als ich meinen Drink ausgetrunken hatte und wieder hineingehen wollte. Er hatte sich, nachdem die erste nur noch ein kleiner Stummel war, sich direkt eine zweite angezündet, damit seine Gesprächspartnerin nicht alleine rauchen musste. Kurz vor der Haustür standen einige leere Becher auf einem Fensterbrett. Ich stellte meinen einfach mit dazu, sollte keinen stören. Drinnen war es auch schon bei weitem leerer geworden. Es tanzten nicht mehr so viele und es waren bei weitem mehr Studenten in den Hinterhof gegangen. Die Musik kam jetzt auch von draußen, anscheinend haben sie die Musikboxen nach draußen gestellt. Es sah nicht so aus, als würde Stacy auf dem Hinterhof sein, aber wirklich nachgucken möchte ich auch nicht, ich würde in der Menschenmenge nur verloren gehen. Ich hoffe, dass es ihr gut geht, aber gleichzeitig fragte ich mich, warum ich überhaupt hier bin. Ich suche die ganze Zeit nur nach meiner Freundin, anstatt mich zu amüsieren. Vielleicht sollte ich doch einfach tanzen gehen und Stacy machen lassen, was auch immer sie gerade tut. Aber was ist, wenn mit ihr etwas ist und ich nicht früh genug bei ihr wäre? Nein, ihr wird es schon gut gehen, sie war schon oft auf solchen Partys, sie kennt das alles hier. Ich sollte mir noch einen Drink holen, um von diesen Gedanken runterzukommen. Bevor ich mir aber etwas neues zu trinken hole, gehe ich mir, aber noch was zu essen holen. Gesagt, getan, nach kurzer Zeit stand ich schon wieder in der Küche des Wohnheims und aß ein Brötchen mit Bratwurst. Vielleicht liegt es an dem Alkohol, den ich schon intus hatte, aber ich habe mich noch nie so sehr über ein Brötchen und eine Bratwurst gefreut.

Im Wohnzimmer ging es heiß her zwischen den Studenten. Ich schaute ihnen durch den Eingang der Küche zu. Einige Studenten verschwanden kichernd und flirtend in einem der Gänge, die vom Wohnzimmer abging. Einer dieser Gänge führte direkt an der Küche vorbei. Als ich einem Paar, das an mir vorbeiging, hinterherschaute, fiel mir eine angelehnte Tür auf. Aus der Tür kam ein oranges Licht, wahrscheinlich LEDs oder so. Im Zimmer war irgendjemand, das erkannte ich an dem Schatten, der auf den Boden geworfen wurde. Ein weiteres Paar ging an mir vorbei, wobei Gehen übertrieben war. Sie küssten sich die ganze Zeit und konnten kaum voneinander ablassen. Bei der Tür mit den LEDs machte der Typ halt und wollte das Mädchen gerade hineindrücken, als Andrew die beiden verscheuchte. Der Mann zog das Mädchen weiter und Andrew verschwand wieder im Raum. Ist das Andrews Zimmer? Stacy sagte, dass er hier wohnt, also war das gar nicht so unwahrscheinlich. Ich bewegte mich langsam auf die Tür zu und als ich vor ihr stand, stupste ich sie ein wenig an. Die Tür schwang auf und Andrew starrte mich wütend an. Er saß auf einem Sofa und hatte ein Glas in der Hand, welches er vermutlich gerade auf den Tisch stellen wollte. "Oh Entschuldigung. Ich wollte dich nicht stören. Wirklich nicht."

"Alles gut, ich dachte, du wärst wieder eins dieser besoffenen Paare, die ein Zimmer zum Ficken suchen." Seine Wortwahl ließ mich schmunzeln. "Möchtest du hereinkommen?"

"Gerne." Ich betrat den Raum und machte die Tür hinter mir zu. Andrews Zimmer war nicht sonderlich groß. In der rechten Ecke steht ein großes Bett und an der linken Wand das Sofa, auf dem er sitzt. Vor dem Sofa stand noch ein kleiner Tisch und an den Wänden hingen einige Regale mit verschiedenen Büchern. Mir fiel eins der Bücher besonders ins Auge. Es war größer und dicker als die anderen, dunkelgrün und auf dem Buchrücken stand "IT-Handbuch". Er studiert Informatik, zumindest glaube ich das. "Möchtest du auch was?"

"Wie bitte?"

"Wein. Möchtest du auch ein Glas?" Ich nickte schwach und schaute mich weiter um. Seine LEDs waren an der Decke befestigt und umrandeten den kompletten Raum. Als ich mich umsah, sah ich, dass hinter der Tür noch ein Schreibtisch stand. Auf ihm waren haufenweise Blätter ausgebreitet und an der Kante stand eine Pflanze, deren Blätter und die Zweige nach unten hin wuchsen. Am Topf war eine Kette befestigt, man kann sie also wahrscheinlich aufhängen. "Setz dich", Andrew deutete auf das Sofa vor ihm. Er hatte nun zwei Gläser in der Hand und stellte sie auf den Tisch. Langsam bewegte ich mich auf das Sofa zu und setzte mich. Andrew tat es mir gleich. "Was führt dich hierher?" fragte er mich, als er die beiden Gläser mit einer dunkelroten Flüssigkeit füllte. Von dem Aussehen der Flüssigkeit und dem Aussehen der Flasche her vermutete ich, dass es Wein war. "Ich bin eigentlich immer noch auf der Suche nach Stacy. Ich habe dann dabei zugesehen, wie du das Pärchen aus deinem Zimmer geschmissen hast und ich dachte mir dann, dass ich dir Gesellschaft leisten könnte. Zudem habe ich keine Ahnung, wo ich weitersuchen soll."

"Warum dachtest du, dass ich Gesellschaft haben wollen würde? Vielleicht war ich alleine ganz zufrieden."

"Oh sorry." Mir wurde unwohl bei dem Gedanken, dass ich ihm meine Anwesenheit aufgezwungen haben könnte. Andererseits hat er mich gefragt, ob ich hereinkommen wollen würde. Ich trank einen Schluck Wein. Er schmeckte herb und leicht bitter im Nachgang. "Darf ich fragen, woher du und Stacy euch eigentlich kennt?" Andrew schaute mich, nachdem mir diese Frage über die Lippen gerutscht ist, nachdenklich an. "Hm, ich glaube, das war auf einer Party. Sie hat mich die ganze Zeit nicht in Ruhe gelassen und na ja, jetzt sind wir irgendwie Freunde. Du musst wissen, ich mag Partys nicht ganz. Das ist nichts für mich." Ich nickte vorsichtig. Ich verstand das, mir ging es nicht anders.

Mein Blick wanderte zu der offenen Weinflasche auf dem Tisch. Das Etikett sah recht alt aus. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass die Flasche vielleicht auch alt ist, oder ob der Look so gewünscht war. Von wem war der Wein? Wir hatten hier in der Nähe ein paar gute Winzer hier in der Nähe. Ich griff nach der Flasche, drehte das Etikett zu mir und nahm noch einen Schluck aus meinem Glas, doch plötzlich fing ich das Husten an. Das konnte nicht sein. Das, was ich sah, wollte ich einfach nicht wahrhaben. Dain Lindström. Auf dem Etikett stand Dain Lindström. Dain war der Winzer. Das kann einfach nicht sein. Er müsste jetzt auch 22 sein, genauso wie ich. Er kann unmöglich jetzt schon die Firma seines Vaters übernommen haben. Nein...

"Alles gut, Kylie?"

"Ja, alles bestens, ich hab mich einfach nur verschluckt." Ich sah Andrew entschuldigend an, führte das Glas an meine Lippen und leerte es in einem Zug. "Stört es dich, wenn ich mir das Etikett einmal abfotografiere? Meine Mutter ist ein totaler Fan von Wein und sie hat demnächst Geburtstag. Ich glaube, das hier könnte ihr schmecken." Das war gelogen. Meine Mutter hasste Wein. "Klar, mach ruhig. Ich kann den Typ auch nur empfehlen, ist meine Lieblingssorte." Er lächelte mich dabei an. Ich lächelte knapp zurück und fischte dann mein Handy aus meiner Hosentasche, um das Etikett zu fotografieren. Ich kann es immer noch nicht glauben. Dain soll jetzt Winzer sein? Er wollte das nie, sein Vater hat ihn immer in diese Rolle gezwungen. Dain musste damals stundenlang im Weingut seines Vaters dabei sein, weil er die Firma übernehmen sollte. Er wollte es nie. Er hasste Alkohol, weil er wusste, was er damals mit seinem Onkel gemacht hat.

Ich blieb noch eine Weile neben Andrew sitzen und wir unterhielten uns über unsere Studiengänge, bis ich dann entschloss zu gehen. "Es ist echt nett mit dir, Andrew, aber ich sollte jetzt auch mal wieder gehen. Vielleicht sieht man sich mal an der Uni", sagte ich zu ihm und stand auf. Schlechte Idee, mir war total schwindelig und es drehte sich alles. Wir hatten, als wir geredet hatten, die Flasche Wein geleert. Vorsichtig tastete ich mich zur Tür vor. "Gehst du jetzt komplett?"

"Ja, ich glaube schon."

"Gut, dann begleite ich dich wenigstens noch zur Tür, die Männer da draußen nehmen sich gerne mal das ein oder andere Mädchen mit. Insbesondere wenn, sie nicht mehr geradeaus laufen kann." Er zwinkerte mir dabei zu und gemeinsam verließen wir sein Zimmer. Die Musik war lauter geworden und ich glaube, es sind noch mehr Menschen dazugekommen. Andrew schloss seine Zimmertür hinter sich ab, wahrscheinlich damit niemand sein Zimmer missbraucht, und legte dann seine Hand auf meinen unteren Rücken, um mich zu führen. Er blieb die ganze Zeit an meiner Seite und schubste immer wieder irgendwelche Studenten zur Seite, wenn sie uns beiden zu nahe kamen. Kurz vor der Haustür sah ich ein blondes Mädchen, welches mit einem Typen rumzumachen schien. Es war Stacy, sie saß auf dem Schoß des Typen und küsste ihn? Nein. Die beiden waren sich nicht am Küssen, nur am reden. Seine Hände hielten sie dabei an den Hüften. War das ihr Freund? Ich habe absolut keine Ahnung, aber es war mir auch egal, denn die kalte Luft, die mich kurze Zeit später umarmte, war mehr als nur angenehm. Sie weckte mich ein wenig auf, auch wenn sie den Alkohol nicht verschwinden ließ. Andrew wünschte mir noch einen sicheren Heimweg und ging wieder rein. Welcher Gentleman lässt ein betrunkenes Mädchen einfach alleine nach Hause gehen? Der Gedanke brachte mich zum Lachen und ich bewegte mich in Richtung Bahnhof. Auf dem Weg rief ich meinen Vater an, er hat mich dann vom Bahnhof abgeholt, weil er es für nicht sicher genug im Zug hielt. Zu Hause schmiss ich mich ins Bett und schlief sofort ein, ich weiß nur noch, dass ich meine Schuhe nicht ausgezogen hatte.


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