Der Fluch der Topsy-Turvy | W...

By jinnis

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Kalina ap Theron braucht dringend einen Job, um sich und die gemischte Crew ihres Raumfrachters durchzubringe... More

1 - Der kurze Strohhalm
2 - Die Brutkammer
3 - Das Geheimnis von Tanencha sy Tyrin
4 - Der Fluch
5 - Unangenehme Begegnung
6 - Vom Regen...
7 - ... in die Traufe
8 - Kalis Geschichte
9 - Wo ist der Eindringling
10 - Verloren im All
11 - Ruhe vor dem Sturm
13 - Neuland
14 - Lebenszeichen
15 - Im Anflug
16 - Topsys Fluch
17 - Erkundungstour
18 - Explosive Entdeckung
19 - Missgeschick
20 - Schatten der Vergangenheit
21 - Verzweifelte Pläne
22 - Von Schleudern und Vertrauen
23 - Topsilina
24 - Das Herz von Ajs an'Hlj
25 - Höllenritt
26 - Ausstieg aus dem fahrenden Zug
27 - Wie Zuckerwatte
28 - Das Lied von Sqia'lon Sieben
29 - Teamwork
30 - Ein Epilog

12 - Auf Eis gelegt

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By jinnis

Das blaue Licht gewann an Intensität und der massive Deckel der Kiste hob sich ein Stück weiter. Aalyxh summte leise eine melancholische Melodie, die mich entfernt an ein oolianisches Schlaflied für Nestlinge erinnerte. Es vermochte aber meine innere Anspannung nicht zu lösen. Im Gegenteil, ein Schwall der unterschiedlichsten, vermischten Duftstoffe aus Hijacs Drüsen brachte meinen Mageninhalt gefährlich nahe daran, meine Speiseröhre hinaufzuschwappen. Ich erkannte neben gespannter Erwartung auch eine Prise Neugier und den bitteren Geschmack von Angst, oder doch zumindest ausgeprägter Vorsicht.

Aalyxh rollte ihre Augenlider zurück und schnaubte. „Hör auf damit, Jac. Du weißt ganz genau, dass ich mich nicht konzentrieren kann, wenn du mich mit deinen gesammelten Pheromonen attackierst."

Der Karjkaner stieß eine süßliche Wolke von Ärger aus, kam aber nicht dazu, auch verbal zu antworten, denn eine Bewegung zog unsere Aufmerksamkeit auf den Frachtbehälter.

Von hinten angestrahlt durch das gleißend blaue Licht schoben sich zwei kleine, türkisfarbene Kugeln über den Rand der Kiste und verharrten. Mein Atem stockte und meine Finger krampften sich um den Auslöser für das Elektronetz.

Nach dem ersten Schreck musste ich mir allerdings eingestehen, dass der erste Eindruck des Eindringlings nicht besonders furchteinflössend war. Ich konnte dennoch einen Angriff oder eine sonstige Gefahr nicht auszuschließen und beschloss, wachsam zu bleiben. Auch ein kurzer Blick zu Aalyxh, die mit geschlossenen Augen neben mir saß, ein engelsgleiches Lächeln auf dem Gesicht, vermochte mich nicht zu beruhigen.

„Lyxh, mit was haben wir es zu tun?" Ich traute mich nicht, meine Stimme über ein heiseres Flüstern zu erheben. Das Ausbleiben einer karjkanischen Duftwolke war so asymptomatisch, dass es mich zusätzlich unter Stress setzte. Mit zusammengebissenen Zähnen beobachtete ich, wie sich die beiden Kugeln weiter emporschoben, und plötzlich fiel bei mir der — wie hieß doch gleich die archaische Bezahlungseinheit, die Ben immer zitierte?

Egal, ich wusste, mit was wir es zu tun hatten, und die Art, wie der Ingenieur die Luft einsog, sagte mir, dass mein Verdacht stimmte. „Cap, das ist eine von diesen bunten Babyschnecken."

Aalyxh öffnete ein Auge um Ben einen strafenden Blick zuzusenden. „Das ist eine Tyrinianrin, keine Schnecke. Pass gefälligst besser auf dein Vokabular auf. Außerdem ist ihr Name Ajs."

„Hum." Etwas besseres fiel mir nicht ein. Als Captain fühlte ich mich verpflichtet, es mit einer diplomatischen Annäherung zu versuchen. Ganz offensichtlich hatte die Tanencha uns einen ihrer Sprösslinge anvertraut, gut versteckt in einer Kryoeinheit. Was natürlich nicht den Regeln entsprach, welche die Raumpatrouille durchsetzen sollte. Vermutlich war das auch der Grund, warum die tyrianische Herrscherin auf pünktliche Auslieferung der Fracht bestand.

Es war anzunehmen, dass der Aufwachvorgang erst bei unserer Ankunft auf Sqia'lon Sieben hätte imitiert werden sollen. Niemand konnte ahnen, dass wir nach einer wilden Flucht in einem Ionensturm enden würden. Trotzdem, was auch immer der Plan der Ältesten Mutter war, er wies substantielle Mängel auf. Ich schluckte die Galle hinunter, die schon wieder in meinem Hals aufgestiegen war. „Willkommen and Bord der Topsy-Turvy, denk ich mal."

Die Augenstiele neigten sich in meine Richtung und zögernd schob sich nun auch der Kopf der winzigen Tyrinianerin über den Behälterrand. Zu meiner Überraschung sah sie ganz niedlich aus und wirkte vor allem verängstigt. Hijac streckte ihr ein Glied entgegen, das einen blinkenden Scanner hielt, während seine Augen im kalten Licht des Transportbehälters funkelten wie Diamanten. Ajs zuckte zurück.

„Captain, diese Kiste enthält einige hundert organische Kokons. Nur einer davon ist bisher aufgerissen, alle andern befinden sich noch in voller Stasis. Zumindest für den Moment, soweit ich das beurteilen kann."

„Mehrere hundert Baby-Tyrinianer?" Für einen Augenblick blitzte vor meinem inneren Auge ein Bild der Topsy auf, in welchem die wohlvertrauten Räume des Schiffs der Brutkammer der Tanencha ähnelten. Hunderte von leuchtenden Schneckchen krochen über die normalerweise sauberen Oberflächen und hinterließen ihre schleimigen Spuren auf sämtlichen Schotten, dem Boden und sogar der Decke. Von dort tropften ihre widerlichen Exkremente auf die Konsolen und unsere Sessel, überzogen alles mit dem farbenprächtigen Schleim.

Ein würgendes Geräusch aus Bens Richtung ließ mich vermuten, dass die Vorstellungskraft des Menschen ihm eine genau so realistische Szene vorgaukelte. Ich durfte es auf keinen Fall so weit kommen lassen.

Ben schien das Gleiche zu denken. „Lyxh, bitte überzeuge deinen Schützling, wieder zu seinen Geschwistern zurückzukriechen und seinen Winterschlaf noch einige hundert Klicks zu verlängern."

Das protestierende Schnauben der Pilotin überraschte mich nicht. Auch nicht, dass unser ungebetener Gast den Einwurf des Ingenieurs als Einladung anzusehen schien, die Gefriereinheit zu verlassen. Ajs zögerte nur einen winzigen Moment, bevor sie ihren Körper über den Rand gleiten ließ und am Kopf einer saphirblauen Schleimspur elegant und diagonal die Seite der Kiste hinunter glitt um uns mit ihrer Anwesenheit zu beglücken.

Ich konnte mir eine Portion Sarkasmus nicht verkneifen. „Soviel also zum Thema der Berücksichtigung unserer Wünsche. Ich bezweifle, dass ein Machtwort des Captains auf diesem Schiff noch irgend eine Bedeutung hat. Jac, funktioniert die Kühleinheit noch? Können wir die Kiste mit dem Rest der Brut wieder versiegeln?"

Ein kurzer, moschusduftender Schwall der Bestätigung war die Antwort. Der Karjkaner hatte offenbar keine Zeit für Worte, voll damit beschäftigt, die Frachtkiste zu analysieren, nun, da er endlich hinter die Abschirmung vordringen konnte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Zudem würden wir die Informationen, die er jetzt aufzeichnete, in Zukunft vielleicht noch brauchen.

Das Komm gab ein glucksendes Geräusch von sich. Natürlich, Hrrovr saß immer noch allein auf der Brücke und fragte sich bestimmt schon, was hier unten abging. Seine Worte bestätigten die Besorgnis des Rrss'h'ss. „Captain, gibt es'ss neue Informationen? Geht es'ss allen gut?"

"Danke der Nachfrage, Hrrovr. Ja, alles Bestens hier unten. Außer du betrachtest einen Behälter mit mehreren hundert tiefgefrorenen Tyrinianern als ein nennenswertes Problem."

„Gefrorene Schnecken? Ss'sind die ess'ssbar?" Rrss'h'ss' liebten ihre tägliche Portion Proteine.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Aalyxh die Augen aufriss und begann, die Knoten in ihren Gliedmaßen zu lösen. Offenbar fand sie Hrrovrs Vorstellung nicht lustig. Als Captain oblag es mir wohl, eine weitere Eskalation der Situation zu verhindern. Ich hob die Hand und wandte mich an Hrrovr. „Vermutlich schon, aber ich fürchte, Ajs hätte was dagegen, auf dem Menu zu landen. Sie scheint übrigens Standard-Lingo recht gut zu verstehen." Zumindest war sie bei Hrrovrs Bemerkung zusammengezuckt und hatte sich mit zitternden Augenstielen flach gegen den Behälter gedrückt.

„Oh. Dann frag doch mal, ob ss'sie ss'sich z'ssufällig in dies'ssem Ss'sektor aus'sskennt oder was'ss von Navigation vers'ssteht." Hrrovr schien den Verlust einer potentiellen Mahlzeit problemlos wegzustecken. „Wir ss'sind nämlich immer noch verlorenen wie ein eins'ssames'ss Ss'spermium im Auß'ssenraum."

Womit mich unsere Nummer Eins auch gleich an unser zweites zentrales Problem erinnert hatte. Wenn wir nicht herausfanden, wo wir waren, konnten wir unsere Fracht nicht abliefern. Und wenn wir die Fracht nicht termingerecht ablieferten, drohten die Konsequenzen uns zu verschlingen wie ein interstellarer Gobbeldiguu das einsame Spermium aus Hrrovrs Metapher. Die Vision einer tyrinianischen Invasion auf der Topsy meldete sich zurück. Aber das half mir nichts, ich musste eine Entscheidung treffen, und zwar jetzt.

„Also, wir senden die Tyrianer zurück in den Tiefschlaf und setzten die Aktion fort, als ob wir nicht wissen würden, was in der Kiste ist." Eine zustimmende Duftwolke von Hijac, und schon war er dabei, seinen Analysator mit einer Schnittstelle am Rand des Behälters zu koppeln, die mir vorher noch nicht aufgefallen war.

Aber Aalyxh war mit dem Vorgehen nicht einverstanden. „Halt, was habt ihr mit Ajs vor?"

„Nichts, hast du Cap nicht gehört? Wir schicken sie zurück in die Hibernation." Seine Bemerkung erntete Ben einen vernichtenden Blick der Pilotin.

Aalyxh richtete sich zu voller Größe auf. Das wirkte zwar nicht besonders bedrohlich, aber zeigte ihre Entschlossenheit. „Wir können sie nicht zurück in Stasis versetzen. Sie befindet sich in einer kritischen Phase ihrer mentalen Entwicklung, es könnte sie umbringen."

Die Yuuol pflanzen sich zwischen Ben und ihrem jugendlichen Schützling auf. Ihre Haltung erinnerte dabei so sehr an eine schnatternde Wimot-Mutter, die ihre Kücken gegen einen brüllenden Groaghargler verteidigen will, dass ich Mühe hatte, mein Kichern zu unterdrücken.

Aber die Situation war definitiv nicht zum Lachen. „Also, was schlägst du vor, Lyxh?"

Der Blick meiner Freundin suggerierte, dass ich es besser wissen sollte, als zu fragen. Ich rieb mir die brennenden Augen. Irgendwann brauchte ich eine ungestörte Ruheperiode in meinem Schlaftank. „Nun gut. Jac, bitte stell sicher, dass die restlichen Kokons gefroren bleiben. Eine wache und sich gerade mental entfaltende Tyrinianerin ist genug für dieses Schiff."

Einen kurzen Moment lang hüllte mich eine erstickende Wolke der Zustimmung ein, während der Karjkaner sich mit den Einstellungen der Kryoeinheit beschäftigte. Zumindest ein Mitglied meiner Besatzung hörte also noch auf mich.

„Lyxh, zurück auf die Brücke mit dir, wir müssen endlich unsere Position bestimmen und zusehen, dass wir in den zivilisierten Raum zurückfinden." Ich unterbrach ihren Protest mit gehobener Hand und wandte mich an Ben. Er würde meinen Vorschlag bestimmt hassen, aber im Moment brauchte ich dringender eine Navigatorin als einen Ingenieur. „Du bist verantwortlich für unseren Gast, Ben. Bereite eine der leeren Kabinen für sie vor und sieh zu, dass sie es gemütlich hat. Oh, und vergiss nicht abzuklären, was Tyrinianer im Wachstum zu sich nehmen. Pflanz irgendwas geeignetes in den Hydroponds an, wenn möglich."

Der Blick, den mir der Mensch zusandte, während ich mich mit einer kichernden Aalyxh auf den Weg zur Brücke machte, hätte sich glatt durch den Hitzeschild einer planetarischen Landefähre brennen können.

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