Der Fluch der Topsy-Turvy | W...

By jinnis

5K 683 279

Kalina ap Theron braucht dringend einen Job, um sich und die gemischte Crew ihres Raumfrachters durchzubringe... More

1 - Der kurze Strohhalm
2 - Die Brutkammer
3 - Das Geheimnis von Tanencha sy Tyrin
4 - Der Fluch
5 - Unangenehme Begegnung
6 - Vom Regen...
7 - ... in die Traufe
8 - Kalis Geschichte
10 - Verloren im All
11 - Ruhe vor dem Sturm
12 - Auf Eis gelegt
13 - Neuland
14 - Lebenszeichen
15 - Im Anflug
16 - Topsys Fluch
17 - Erkundungstour
18 - Explosive Entdeckung
19 - Missgeschick
20 - Schatten der Vergangenheit
21 - Verzweifelte Pläne
22 - Von Schleudern und Vertrauen
23 - Topsilina
24 - Das Herz von Ajs an'Hlj
25 - Höllenritt
26 - Ausstieg aus dem fahrenden Zug
27 - Wie Zuckerwatte
28 - Das Lied von Sqia'lon Sieben
29 - Teamwork
30 - Ein Epilog

9 - Wo ist der Eindringling

167 22 16
By jinnis

Das verlockende Bild meines kuschligen Schlaftanks verblasste im grellen Licht von Aalyxhs Entdeckung. „Was meinst du mit Eindringling? Kannst du seinen Aufenthaltsort lokalisieren?"

„Ich empfange Hirnströme, allerdings nur sehr vage, so als ob jemand schlafen würde, aber von einem heftigen Traum geplagt wird. Es ist aber ganz bestimmt nicht ein Muster wie es jemand von der Crew ausstrahlt. Die Signatur eurer Gedankenströme kenne ich längst auswendig, egal ob ihr gerade schlaft oder wach seid." Sie schaukelte in ihrem Stuhl vor und zurück, alle Augen geschlossen und ganz auf ihren speziellen Sinn konzentriert.

Ich hatte mir noch nie richtig vorstellen können, wie Aalyxhs telepathische Begabung funktionierte. Wie Ben, Hrrovr und Hijac war ich auf dieser Wellenlänge taub und blind. Die Fähigkeiten meiner Freundin hatten mich als Kind sogar verängstigt, bis ich mich nach einer halben Ewigkeit daran gewöhnte und lernte, mich bis zu einem gewissen Grad darauf zu verlassen. Allerdings scheute ich immer noch davor zurück, Aalyxh freiwillig Zugang zu meinen Gedanken zu gewähren. „Hast du eine Ahnung, wo dieses mysteriöse Wesen gerade schläft und träumt?"

„Nein, was ich empfange ist zu schwach, um eine Richtung festzulegen. Stell dir ein Echo in einem leeren Frachtdeck vor. Zudem ist es jetzt auch schon wieder verschwunden. Könnte sich auf Tyrin jemand an Bord geschlichen haben?"

Jemand, nicht etwas. Aalyxh war sehr auf die Korrektheit ihrer Semantik bedacht. Wenn ein Wesen denken und träumen konnte, dann hatte es in ihren Augen auch das Recht, als vollwertige Person behandelt zu werden. Natürlich hatte sie damit recht und ich schätzte ihre Einstellung. Aber wer hatte ein Interesse daran, sich ausgerechnet auf die Topsy zu schleichen? Mir fiel die Gruppe der Werftarbeiter ein, Zigeuner, hatte Ben sie genannt. Aber nein, das war unwahrscheinlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand sich neben mir und Ben durchquetschen konnte. Und du hast ja Jac gehört, oder? Er hat hinter uns beiden aufgeräumt. Du weißt ja, wie gründlich er ist. Soll ich ihn trotzdem rufen?"

Ich hegte eine tiefvverwurzelte Abneigung dagegen, die schwerverdienten Ruhephasen meiner Crew zu unterbrechen. Aber Hrrovr enthob mich der Entscheidung und schaltete das Komm ein. „Ben, Jac, alle ss'sofort z'ssurück auf die Brücke."

Es dauerte nicht lang, bis die beiden wieder auftauchten. Der Ingenieur hatte die Ärmel seines Overalls um die Hüften geknotet und zeigte eine Brust, die mit einem Flaum von feinen, gekräuselten Haaren bewachsen war. Eindeutig zu wenige, um als Pelz zu gelten, was mich einen Moment lang mit der Frage nach dem Zweck dieser anatomischen menschlichen Besonderheit beschäftigte.

Ben räusperte sich, vermutlich irritiert von meinem Blick. „Was gibt's, Cap? Haben wir einen Notfall?" Er krazte ein Büschel seiner Brusthaare.

„Notfall kommt wohl hin. Lyxh empfängt fremde Gehirnströme. Wir werden das Schiff nach einem Eindringling durchsuchen müssen."

Ein saurer Hauch von Zweifel wabberte durch den Raum. „Ich habe die Fracht sterilisiert, sobald sie an Bord kam. Zusammen mit dem Frachtraum und der Eingangsschleuse. Als ihr beide an Bord kamt, war die Schleuse nur einen Bruchteil eines Klicks offen. Eure Anzüge und die Masken habe ich vernichtet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Mikrobe geschweige denn ein komplexeres Wesen den Recycliervorgang überlebt hat."

Ich zweifelte nicht an Hijacs Gründlichkeit, aber ich hatte ebensowenig Grund, Aalyxhs Gabe zu misstrauen. „Ich weiß, Jac. Trotzdem sollten wir sicher gehen. Ist es denkbar, dass sich jemand während des Verladens oder danach an Bord geschlichen hat?"

„Kann ich mir kaum vorstellen. Aber du hast recht, wir sollten das sofort überprüfen, bevor wir ernsthaft in Schwierigkeiten stecken." Mit diesen Worten schnappte sich der Karjkaner auch schon einen Handscanner und stürmte Richtung Frachtraum davon.

Ben zwängte unterdessen seine Arme in die Ärmel seines Overalls, während er hin und her taumelte, bemüht auf der gefährlich schwankenden Brücke das Gleichgewicht zu bewahren. Die Schlingerbewegungen der Topsy hatten noch nicht merklich nachgelassen. Sobald der Ingenieur erfolgreich seinen Reißverschluss zugezogen hatte, stützte er sich an der Navigationskonsole ab und fuhr sich mit einer Hand durch seinen dichten Kopfpelz. Damit brachte er diesen in eine faszinierende Unordnung, was ihn aber nicht zu stören schien. „Hast du eine Ahnung, um welche Spezies es sich bei dem Eindringling handelt, Lyxh? Oder kannst du uns zumindest sagen, wie groß er etwa ist?"

Das Klimpern von Hrrovrs Schuppen unterstützte Bens Frage. Aber Aalyxh öffnete nur ein einzelnes Auge einen Spalt breit, um damit ihre männlichen Kollegen anzustarren. „Denkt ihr vielleicht, ich würde euch das verschweigen, wenn ich es wüsste? Glaubt ihr, ich halte absichtlich lebenswichtige Informationen zurück? Gehirnwellen korrelieren nun mal nicht mit Körpergröße. Andernfalls würde das ja bedeuten, dass ihr beiden auch als intelligente Lebewesen einzustufen seid."

„Hm." Ben ignorierte die Beleidigung. „Ich kann mir nichts Appetitanregenderes vorstellen als eine wilde Kometenjagd vor dem Frühstück. Lass mich die Fakten zusammenfassen. Wir suchen nach aktiven, intelligenten Gehirnzellen, vermutlich in einem passenden, lebenden Körper, während unser Schiff in einem Ionensturm der Stärke neun Achterbahn fährt. Ein reiner Klacks."

„Genau. Obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob der Teil mit dem lebenden Körper und der Intelligenz zutrifft. Ich würde das, was ich empfange, eher als denkendes Bewusstsein bezeichnen." Aalyxh massiert ihre Schläfen. „Ich informiere euch, sobald ich einen stabilen Kontakt herstellen kann oder etwas Zusätzliches herausfinde."

Hrrovr und Ben tauschten einen verzweifelten Blick aus, bevor sie die Brücke verließen, beide bemüht, die Schaukelbewegungen des Schiffs auszugleichen. Ben benutzte dazu seine Arme, Hrrovr seinen schuppigen Schwanz. Beide hatten nur mäßigen Erfolg. Trotz allem Mitgefühl mit dem ungleichen Paar war ich froh, in meinem sicher aufs Deck gebolzten Sessel die Stellung halten zu können.

Das blieb nicht lange so. Nach den ersten Misserfolgsmeldungen des Suchteams fühlte ich mich genötigt, mich ebenfalls durch die Topsy schleudern zu lassen. Zwanzig Klicks und eine unendliche Zahl heftiger Zusammenstöße mit gut festgenieteten Einrichtungsgegenständen später gaben wir die erfolglose Sucherei auf. Aalyxh hatte längst den Kontakt mit dem Eindringling verloren — und Ben seinen Mageninhalt. Hijac roch wie eine Zuckerbäckerei, ein sicheres Zeichen, dass er genug hatte. Wobei es sich dabei wohl vor allem um die Tatsache drehte, dass er einmal mehr hatte hinter Ben aufwischen müssen. Hrrovr und ich waren als Zweibeiner nicht dazu in der Lage gewesen. Ich konnte den Ärger des Karjkaners nachvollziehen. Unter den momentanen Umständen war es nicht nur angenehm, acht Beine zu besitzen und gegen das Schlingern der Topsy besser gewappnet zu sein als die anderen Crewmitglieder.

Wir versammelten uns auf der Brücke zu einer Lagebesprechung. Ich war froh, in meinem sicheren Stuhl zu sitzen, von der Polsterung gut gegen weitere Prellungen geschützt. Hrrovr zog die Gurte fest, kratzte seine himmelblauen Bauchschuppen und zischte eine rrss'h'ss-Obszönität die irgendetwas mit Halluz'ssinationen zu tun hatte.

Der unverblümte Ärger meines Nummer Eins nötigte mich, ein gutes Wort für unsere Telepathin einzulegen. „Hey, jeder von uns kann mal einen schlechten Klick haben, besonders nach den Ereignissen der letzten Umlaufperiode. Ich würde nicht soweit gehen, das als Halluzinationen zu bezeichnen. Diese Gehirnströme könnten auch ein Echo gewesen sein, eine Reflexion des Ionenhagels, der gerade unseren Rumpf malträtiert."

Aalyxh sandte mir einen vieräugigen Blick, der mich meine Worte bereuen ließ. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass sie nicht sauer war, sondern nachdenklich. Das wiederum machte mich nervös. Wenn sie an ihren eigenen Fähigkeiten zu zweifeln begann... ich sog geräuschvoll Luft durch die Kiemen. „Genug geredet. Wir brauchen alle etwas Ruhe. Jac und ich werden hier die Stellung halten. Alle anderen, geht dem wonnigen Geräusch des Vakuums lauschen oder was ihr sonst in euren Kabinen tut."

Niemand beschwerte sich, und sogar Aalyxh schluckte ihren Yuuol-Stolz und ihre ureigenste Dickköpfigkeit hinunter. Ich fragte mich, ob sie immer noch davon überzeugt war, Gehirnwellen erkannt zu haben. Der Funken des Zweifels, den ich in ihren Augen hatte aufglimmen sehen, füllte meine Eingeweide mit flüssigem Blei.

Ben, der sich mit weißen Fingerknöcheln an die Lehnen seines Sessels klammerte, hatte es auch bemerkt. „Leg dich hin, Lyxh. Ich bin sicher, dass das eine Interferenz war. Oder der Fluch dieser verrückten Frau auf Tyrin. Wenn du geschlafen hast, geht es dir bestimmt wieder besser."

Sorgte er sich immer noch wegen dieses dummen Fluchs? Ich wollte ihn gerade zurechtweisen, als Aalyxh mir zuvorkam. „Mach dir keine Sorgen um mich, Matschgehirn. Aber ja, ich werde mich jetzt für einige Klicks in meine Bettdecke kuscheln. Du solltest übrigens das gleiche tun, gemessen an diesem interessanten Grauton deiner Gesichtsfarbe. Passt gut zu den grünen Augenringen. Schlaft gut, wenn ihr dazu kommt."

Hrrovrs Nackenschuppen klirrten, als er zur Tür ging, und ich nickte. „Ja, mir geht es den Umständen entsprechend gut. Und versprochen, ich werde dich rufen, wenn ein Eindringling die Brücke stürmt. Danke der Nachfrage, mach die keine Sorgen, Kumpel."

Sobald ich mit Hijac allein war, seufzte ich laut. „Also. Ben glaubt an einen bösen Fluch, Lyxh sieht mit ihrem inneren Auge Gespenster und Hrrovr befürchtet, dass ich ausgelaugt genug bin um demnächst in eine erschöpfungsbedingte Hibernation zu fallen. Bitte übersetz mir deine Gedanken, Jac, ich bin zu müde, dein Geruchsrätsel zu entschlüsseln.

Der Karjkaner trommelte mit einem Hinterbein einen schnellen Rhythmus auf das Deck. „Lyxh liegt sonst nicht falsch mit ihren Beobachtungen. Ich bin besorgt." Die künstliche Stimme zeigte keine Gefühlsregung, aber der bittere Geschmack signalisierte, dass Hijac wesentlich mehr beunruhigt war, als seine Worte es ausdrücken konnten. „Zumindest hat der Sturm etwas nachgelassen. Wenn es so weitergeht, können wir schon bald die Außenhülle nach der Quelle dieser ominösen Gehirnwellen untersuchen."

Dabei war ich gerade bereit gewesen, zu glauben, dass Aalyxh sich geirrt hatte.

Continue Reading

You'll Also Like

9.7K 1.1K 68
„Hexen müssen sterben. So ist es Gesetz in Verlon. Seit dem Tag, als sich ihre Magie gegen uns wandte und Monster schickte. Seit dem Tag, als unser K...
111K 8.4K 48
Nebraska, 1866 - Um einer erzwungenen Eheschließung zu entkommen, lässt die siebzehnjährige Elizabeth Emerson ihr gewohntes Leben hinter sich und nim...
118K 4.3K 40
Sie kannte es gar nicht anders. Sie war seit ihrer Geburt anders. Ihre Eltern hatte sie nie kennengelernt und wegen ihres Faibles für Dämonen und Eng...
7.2K 1.4K 30
*Teil 1 - ABGESCHLOSSEN* "Mit 17 Jahren ist das Leben schön." Ich weiß nicht, wer das sagte, aber ich glaube, er könnte recht haben. Es könnte schön...