Der Fluch der Topsy-Turvy | W...

By jinnis

4.9K 682 279

Kalina ap Theron braucht dringend einen Job, um sich und die gemischte Crew ihres Raumfrachters durchzubringe... More

1 - Der kurze Strohhalm
2 - Die Brutkammer
3 - Das Geheimnis von Tanencha sy Tyrin
4 - Der Fluch
5 - Unangenehme Begegnung
6 - Vom Regen...
8 - Kalis Geschichte
9 - Wo ist der Eindringling
10 - Verloren im All
11 - Ruhe vor dem Sturm
12 - Auf Eis gelegt
13 - Neuland
14 - Lebenszeichen
15 - Im Anflug
16 - Topsys Fluch
17 - Erkundungstour
18 - Explosive Entdeckung
19 - Missgeschick
20 - Schatten der Vergangenheit
21 - Verzweifelte Pläne
22 - Von Schleudern und Vertrauen
23 - Topsilina
24 - Das Herz von Ajs an'Hlj
25 - Höllenritt
26 - Ausstieg aus dem fahrenden Zug
27 - Wie Zuckerwatte
28 - Das Lied von Sqia'lon Sieben
29 - Teamwork
30 - Ein Epilog

7 - ... in die Traufe

206 26 15
By jinnis

Niemand fand die Zeit, sich über mein Vorhaben zu beschweren, während wir geradewegs auf das fette schwarze Loch von Ticotan zuschossen. Angestrengt kämpfte ich gegen die Schwindelgefühle, die sich an meinen Hirnstämmen festkrallten wie hungrige Marksauger. Ich durfte jetzt nicht das Bewusstsein verlieren. Mir war klar, dass wir uns aus dem Hyperraum katapultieren mussten, bevor wir als als kleine, kompakte, gut gepresste Kugel aus einer Mischung von Schiffsteilen mit einem kleinen Anteil an organischer Masse endeten. „Jac, hast du eine Ahnung, wo unsere Begleiter sich gerade rumtreiben?"

„Ich empfange eine einzelne Severill-Signatur an Steuerbord. Die Patrouille scheinen wir abgeschüttelt zu haben." Konnte ich da einen Hauch von süßem Triumph riechen? Nun, das gleiche fühlten bei diesen Worten wohl auch die anderen der Crew. Trotzdem, jeder Severill im Umkreis eines Lichtjahrs war einer zu viel. Ich musste das Risiko eingehen, den Austritt so spät als möglich anzusetzen.

„Lyxh, Dropout auf mein Kommando. Moment noch... fünf... vier... drei... zwei... jetzt."

Der plötzliche Geschwindigkeitsverlust sandte eine neue Welle der Übelkeit durch meine Organe, und ich grub die Spitzen meiner Krallen in die Polsterung der Armlehnen des Kommandosessels. Mit einem fühlbaren Zittern stemmte sich das Schiff gegen die Gravitation des schwarzen Lochs. Ich zitterte mit und hatte Mühe, mir beim Sprechen nicht auf die Zunge zu beißen. „Alle Stationen, Statusbericht."

„Die Kapazität der Sprungtriebwerke ist auf elf Prozent." Bens nasale Stimme ließ mich vermuten, dass er wieder einmal kurz vor dem Erbrechen stand. Sein Magen musste sich inzwischen anfühlen wie ein ausgewrungenes Handtuch. Ich fühlte mit ihm. Das Schiff schüttelte immer noch wie ein tortaloosischer Schnapper auf Spice-Entzug. Vermutlich kochten unsere Maschinen fast beim Versuch, die Anziehungskraft des schwarzen Lochs zu überwinden.

„Captain, die Hälfte uns'sserer Ss'sens'ssoren is'sst blockiert durch auß'ßergewöhnlich hohe Ionenaktivität."

„Ah." Das erklärte das lästigen Schütteln deutlich besser als die Nähe der Singularität. „Ein Ionensturm? Wie schlimm sieht es aus?"

Die verdächtige Stille, als alle sich über ihre Konsolen beugten, sagte mir genug. Der Sturm musste heftig sein. Ich rief die Aufzeichnungen der Sensoren auf meinen Schirm. Hrrovr hatte nicht übertrieben. Die Ionenaktivität war höher, als ich sie jemals erlebt hatte, eindeutig zu hoch für die Topsy-Turvy. „Nun ja, die Severills werden ihre Mühe haben, uns in dieser Suppe zu lokalisieren."

„Uns oder die verstreuten Einzelteile der Topsy?" Hijacs emotionslos vorgetragene Frage ließ mich losprusten. Ich kämpfte eine ganze Weile erfolglos gegen den hysterischen Lachanfall. Aber mir war klar, dass unser Schiff dieser Belastung nicht lange standhalten konnte. Die Kräfte, die gerade auf unseren Rumpf einhämmerten, konnten sogar von den zusätzlichen Verstärkungen, die wir im Lauf der Jahre eingebaut hatten, nicht auf längere Zeit aufgefangen werden.

„Hrrovr, bitte leite unsere Energie in die Stabilisatoren um. Lyxh, berechne einen Kurs, der uns möglichst rasch aus diesem Schlamassel rausbringt."

„Aye, Captain." Aalyxh nannte mich niemals Captain — außer wenn sie hundertprozentig überzeugt war, dass ich soeben verantwortungslos unser Schiff in eine selbstmörderische Situation manövriert hatte. Der Blick, den sie mir aus einem Auge zuwarf, bestätige diese Einschätzung. „Ich hab dir schon immer gesagt, du sollst dich von den Severills fernhalten. Aber auf mich hörst du ja nicht, wie wir wissen."

Ich biss mir auf die Lippen. Mir war ganz genau klar, auf welches Ereignis meine alte Freundin hier anspielte. Und natürlich hatte sie recht, aber ich war damals jung, unerfahren und gelangweilt gewesen. Abgesehen davon hielt ich mich für unverwundbar, oder zumindest schlauer als alle anderen. Nicht, dass das eine Entschuldigung war. „Ich gebe zu, dass das ausgesprochen dumm war. Aber ich kann es nun mal nicht ungeschehen machen. Du hättest nicht zu mir halten müssen, Lyxh."

Ein kehliges Yuuol-Schnauben war die einzige Antwort. Zumindest griffen nun die Stabilisatoren und verdrängten das Gefühl, die Topsy werde jeden Moment auseinanderbrechen und uns ungeschützt dem Vakuum überlassen. „Gibt es Neuigkeiten von unseren Kollegen da draußen?"

Hrrovr zischte verneinend, und ein blumiger Geruchsausbruch der Erleichterung sagte mir, dass auch Hijac sie nicht mehr lokalisieren konnte. Zumindest dieser Teil meines Plans hatte also funktioniert. Ich lehnte mich zurück, um mir Gedanken über die nächsten Schritte zu machen, als Bens melodiöser Anruf mich aus meiner eben erst aufblühenden Wolke von Enthusiasmus riss. „Cap, die Stabilisatoren fressen viel zu viel Energie. Entweder müssen wir in spätestens zwanzig Klicks unsere Reserven regenerieren, oder wir stellen die Stabilisierung ein, bevor ein irreparabler Schaden am Mellow-Speicher entsteht."

„Gibt es die Möglichkeit, dass wir den Sturm ausreiten statt dagegen anzukämpfen?" Ich hatte irgendwo in einer obskuren Bar am äußeren Rand gehört, dass sowas möglich sein sollte. Allerdings war das in meinen Schmugglertagen gewesen, und der grüngerippte Typ, der die Geschichte erzählte, wirkte nicht gerade wahrheitsliebend. „Wir müssten den Energieverbrauch auf ein Minimum reduzieren und die Energie der Ionen, die auf den Rumpf prallen, zum Aufladen der Speicher verwenden. Geht das?"

Hrrovrs Schuppen rasselten synchron mit dem Klicken seiner Klauen auf der Tastfläche seiner Konsole. „Es'ss wird mehrere Zyklen dauern, bis'ss uns'sser Energies'sspeicher wieder aufgeladen is'sst. Aber grunds'ssätz'sslich is'sst es'ss möglich, wenn wir dem schwarz'ssen Loch aus'ss dem Weg gehen."

„Der Ritt wird allerdings holprig." Hijac erwähnte diese offensichtliche Tatsache beinahe gleichgültig, ohne darauf hinzuweisen, dass er am wenigsten darunter leiden würde. „Zumindest sollte der Sturm uns weiter von der Singularität wegtragen."

„Sollte?" Mir gefiel sein Gebrauch des Konjunktivs nicht.

Der Hauch eines beruhigenden Zitronendufts streifte meine Nase. „Alle bekannten Parameter sprechen dafür. Aber wir haben es hier mit einem schwarzen Loch zu tun. Deshalb bleibt ein gewisser Prozentsatz an Unsicherheit in der Gleichung."

„Ich hoffe bloß, der Prozentsatz ist tief genug, um das Risiko einzugehen. Was denkst du, Lyxh, bist du bereit?"

„Einverstanden. Lasst uns sehen, was passiert. Ich schalte die Maschinen aus — jetzt."
Ungewohnte Stille füllte die Brücke. Aalyxh streckte ihren Rücken und rollte ihre vier Augen in einer dramatischen Demonstration von Fatalismus. „Wenn ich dran denke, dass wir nur hier sind, weil du in diesem aalglatten Gelenianer in unserer Klasse vernarrt warst. Wohin hat uns das gebracht? Wir surfen gerade auf einem Ionensturm unter der Nase des unberechenbarsten schwarzen Lochs der Galaxis, wo sich ein intelligentes Wesen nicht mal in einem Fiebertraum hinverirren würde..." Sie verstummte, den Blick wieder auf ihren Bildschirm gerichtet. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass meine alte Freundin gerade ziemlich sauer auf mich war.

Während das Schiff Geschwindigkeit verlor, wurde das Schütteln beinahe erträglich. Ich versuchte, die Verspannung aus meinen verknoteten Nackenmuskeln zu massieren. Bevor  meine Übungen einen spürbaren Erfolg zeigten, fiel die Topsy, immer noch gefangen in der Gewalt des Sturms, in eine torkelnde, spiralförmige Bewegung. Ich klammerte mich an die Sessellehnen und versuchte, diese neue Herausforderung an meinen Gleichgewichtssinn zu verarbeiten.

„Ugh." Ben kletterte die enge Stiege vom Maschinenraum hoch. Halbwegs auf der Brücke hielt er inne, die Finger um den Handlauf geklammert, seine Knöchel noch bleicher als sein Gesicht. Er wirkte wie ein blaugekleideter Affe mit Haarausfall. „Ich finde nicht, dass das eine wesentliche Verbesserung ist im Vergleich zum Bau der Tanencha." Mit einer Anstrengung hievte er sich die letzten beiden Stufen hinauf und ließ sich in einen freien Sessel fallen. Einen Moment lang fummelte er mit den Gurten herum, bevor er sich anschnallte. 

„Versuch das Positive zu sehen, Ben. Im Gegensatz zur Brutkammer der Tanencha ist unser Schiff absolut schleimfrei." Mein Versuch, die Stimmung aufzulockern, erntete mir einen verzweifelten Blick aus seinen braunen Augen.

„Das kann sich jeden Moment ändern — wenn diese Korkenzieher-Behandlung nicht aufhört." Der verräterisch grünliche Hauch auf seinen Wangen weckte mein Mitleid. Deshalb verzichtete ich darauf, mich nach der Bedeutung seiner Metapher zu erkundigen.  Er rieb sich mit dem Handrücken über den Mund. „Respektive, es hätte sich schon geändert, wenn mein Magen nicht leerer wäre als der Raum da draußen."

„Dagegen gibt es eine ausgezeichnete Kur." Der scharfe Tannennadelduft freudiger Erwartung ließ mich auflachen. Essen hat einen hohen Stellenwert in der karjkanischen Kultur. Hijac bildete da keine Ausnahme. Auf seinen acht spindeldürren Beinen huschte er bereits Richtung Kombüse, völlig unberührt von den verrückten Bewegungen des Schiffes.

Hrrovr drehte seinen Stuhl in meine Richtung, seine smaragdfarbenen Kopfschuppen neugierig aufgerichtet. „Was'ss ich schon immer gerne wiss'ssen wollte, Captain. Was'ss is'sst das'ss für eine Geschichte mit den Ss'severills'ss?"

Ich sandte ihm einen hoffentlich vernichtenden Blick. „Nichts Besonderes."

Aber ein Rss'h'ss liess sich nicht von einem Blick abschrecken. Zumindest nicht, wenn er von mir kam. „Wir haben gerade nichts'ss Anderes'ss zu tun, Captain. Vielleicht vertreibt uns'ss die Geschichte die Z'sseit, bis'ss uns'ssere Energie wieder regeneriert is'sst."

Verzweifelt suchte ich nach einer Ausrede. Inzwischen waren sechs weitere Augen auf mich gerichtet. In denjenigen von Aalyxh glaubte ich, Schadenfreude zu erkennen, in Bens bloß Neugier. Ich schluckte leer. Solange die Topsy ein hilfloser Spielball des Ionensturms war, konnte ich schlecht behaupten, ich hätte gerade etwas Dringenderes zu tun. Mir blieb nur ein Kurs, und er führte geradewegs in dieses vermaledeite Wurmloch der Wahrheit hinein.

Continue Reading

You'll Also Like

569K 34.2K 44
-Wird überarbeitet- Wie viel würdest du aufgeben um deine Familie zu beschützen? Vor dieser Frage steht der siebzehn jährige Luke. Seit seine Mutte...
259K 14K 57
Jeder kennt doch die Geschichte von Romeo und Julia. Die beiden Kinder verfeindeter Familien verlieben sich, kommen zusammen, dürfen es aber nicht s...
242K 22.9K 75
,,Wirst du geliebt, wirst du gesehen" Es hatte keine Dämonenbeschwörung gegeben, Nevidian Cyrell hatte auch nicht den Teufel mit irgendwelchen obskur...
99.3K 4.2K 60
Max Leben war nicht immer toll. Er hat viele Schicksalsschläge und Schwierigkeiten hinter sich, aber seit er Sven kennt, hat er zumindest jemanden de...