Heute Nacht...

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Ein gewaltiges Grollen und ein ohrenbetäubender Knall reißen mich aus meinem leichten Schlaf und ich springe augenblicklich auf die Füße, mein Schwert gezogen in meiner rechten Hand.
Angespannt und mit klopfendem Herzen lausche ich in die Dunkelheit hinein, höre wie das Rumpeln leiser wird und schließlich wieder ganz verstummt. Und dann ist es still.
Gespenstisch still.
Aus den Augenwinkeln nehme ich einen Schatten wahr, doch da mir Kaíyras Bewegungen inzwischen schon so vertraut sind, kann ich sie selbst in dunkler Nacht ohne Probleme identifizieren.
„Was zur Hölle war das?", flüstere ich in ihre Richtung und nehme beruhigt war, dass Kaíyra ihr Schwert nicht gezogen hat. Offenbar handelt es sich hierbei um keine ernste Bedrohung für uns.
„Schwer zu sagen", antwortet die Elfe leise und kommt geräuschlos neben mir zum stehen, „ es könnte ein Steinschlag gewesen sein. Oder aber mehrere Trolle haben ihre Konflikte in der Schlucht ausgetragen."
Entgeistert blicke ich zu ihr hinüber und stecke dabei mein Schwert zurück in meinen Gürtel.
„Und das ist so laut?!"
In der Dunkelheit meine ich zu erkennen, wie Kaíyra mit den Schultern zuckt.
„Es kann bei Trollen durchaus ruppig zugehen. Das ist aber für uns kein Grund zur Sorge."
Pfff. Ich verkneife mir einen Kommentar dazu abzugeben, aber mein Magen verdreht sich unangenehm bei den Worten der Elfe. Allerdings nicht, weil ich mir Sorgen um mich mache, sondern weil es mir um ihre Sicherheit geht. Und ich weiß, dass Kaíyra das nicht hören will. Besonders nicht, nachdem sie vor einigen Stunden so abweisend reagiert hat.
„Wenn morgen alles nach Plan läuft, haben wir nicht das geringste zu befürchten. Und danach bist du frei dorthin zu gehen, wo auch immer du möchtest. Ich werde dich nicht aufhalten", versucht mich die Elfe zu beruhigen, doch eher das Gegenteil ist der Fall. Denn mir wird immer mehr schmerzlich bewusst, dass meine Tage mit Kaíyra gezählt sind.
Wenn es sich überhaupt noch um Tage handelt. Denn morgen Abend werden wir bei den Trollen angelangt sein und wenn alles gut läuft, werden wir um Mitternacht das Gebirge wieder verlassen.
Und dann?
Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals, den ich nicht herunter schlucken kann, egal wie sehr ich mich auch bemühe.
Dann wird Kaíyra verschwinden. Und ich werde ihr nicht folgen können...
„Ich wünschte du würdest mich aufhalten", gebe ich bitter zurück und presse meine Lippen aufeinander, da sie sonst zittern würden. Doch natürlich hat die Elfe mich sofort verstanden.
„Bitte, bitte, hör auf, dich damit zu quälen.", die Stimme der Elfe ist beinahe flehend, „ich verspreche dir, dass diese Gefühle aufhören werden, sobald du und ich uns nicht mehr sehen. Ein wenig Abstand nur und du wirst bald wieder ganz normal fühlen."
Ich bin dankbar um die dunkle Nacht um mich herum, sonst könnte Kaíyra jetzt wohl die einsame Träne sehen, die über meine Wange rollt.
„Und was ist, wenn nicht?"
Meine Stimme zittert und ich balle die Hände zu Fäusten. Denn ich für meinen Teil bin mir sicher, dass meine Gefühle für Kaíyra echt sind. So echt, wie sie zu jedem anderen Menschen auch wären.
Die Elfe bleibt still. Ich spüre lediglich ihre Anwesenheit neben mir, kann die Wärme ihres Körpers fühlen und ihren gleichmäßigen und ruhigen Atem hören. Also rede ich einfach weiter.
„Weißt du, ich habe einfach nichts gespürt, als wir bei den Nymphen waren. Absolut nichts, außer dass ich sorgloser und befreiter wurde.
Aber aus der Art wie sie mit mir umgegangen sind, war leicht zu schließen, dass Menschen ihnen normalerweise nicht wiedersehen können. Ich konnte es. Obwohl sie alles versucht haben. Und weißt du auch warum?"
Ich mache eine kurze Pause und sehe in die Richtung, in der ich Kaíyras Augen vermute.
„Weil ich nur an dich denken konnte. Und seit dem bin ich mir sicher.
Was ich für dich empfinde ist echt.
Es tut nur weh, dass du es mir nicht glaubst."
Ich wende meinen Blick wieder zurück auf die Schlucht, die vom hellen Mondlicht ein wenig erleuchtet ist. Doch diesmal lässt die Antwort der Elfe nicht lange auf sich warten.
„Es würde nicht funktionieren, Raine", ihre Stimme klingt seltsam gepresst, fast schon gequält, „Selbst wenn deine Gefühle echt sind, es würde nichts ändern. Elfen können nur einen anderen Elfen als Partner haben. Da gibt es keine Ausnahmen."
Auch wenn ihre Worte weh tun, diesmal kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich muss einfach fragen.
„Hast du denn einen Partner!?"
Meine Stimme ist fast ein wenig ärgerlich, aber irgendwie auch verletzlich und bittend, ich will einfach nur die Wahrheit wissen, auch wenn sie mir sehr weh tun könnte. Aber ich muss es wissen!
Gleichzeitig rechne ich innerlich jederzeit damit, dass die Elfe mir für diese Frage eine scheuern wird, doch zu meiner größten Überraschung, höre ich nur ein tiefes Seufzen.
„Nein. Und ich rechne auch fest damit, dass sich das die nächsten hundert Jahre auch nicht ändern wird. Du kannst also beruhigt sein."
Das Ende ihrer Antwort, die mich zwar überaus beruhigt hat und eine enorme Last von mir abfallen lässt, von der ich nicht einmal wusste, dass ich sie getragen hatte, klingt trotzdem eher zynisch als beruhigend und ich ziehe ärgerlich die Augenbrauen zusammen. Und aus meiner unterschwelligen Wut heraus, die sich schon unser gesamtes Gespräch über in mir angesammelt hatte, platzen dann auch meine nächsten unüberlegten Worte heraus.
„Vielleicht wäre es besser, wenn ich einfach nicht mehr aus dieser Höhle herauskomme. Damit wäre dir und mir eindeutig geholfen."
Kaum habe ich den Satz beendet, will ich mich abwenden und zurück zu meinem Schlafplatz gehen, doch eine kräftige Hand schließt sich blitzschnell um mein Handgelenk und hält mich eisern fest.
Mit einem Ruck dreht mich Kaíyra zu sich um und eine lodernde Stichflamme schießt aus dem Boden neben mir empor, sodass ich im schwachen Feuerschein das zornige, aber auch entgeisterte Gesicht der Elfe sehen kann. 
„Wage es ja nicht!", warnt mich Kaíyra mit unterdrückter Wut in der Stimme, ihre sonst so vollen Lippen sind zu einer dünnen Linie zusammengepresst, ihre Kiefermuskeln angespannt und ihre beinahe goldenen Augen bohren sich tief in meine.
„Dein Leben ist wichtiger, als alles andere, hörst du!! Wichtiger als das Ziel des Auftrags und wichtiger als alle Gefühle, die da zwischen uns stehen! Also wage es nicht zu glauben, dass du dich morgen dort drinnen in der Höhle aufgeben kannst und du mir damit einen Gefallen tust!"
Fassungslos starre ich die Elfe an, und versuche zu begreifen, warum sie meine Worte so unglaublich wütend gemacht haben, aber mir fällt nur ein einziger Grund ein...
„Du machst dir ganz schön viel Sorgen um mich, dafür, dass ich nur irgendein gottverdammter Mensch bin, der dir in deinem langen Leben bereites begegnet ist", gebe ich nicht minder zornig zurück und trete gleichzeitig einen Schritt näher an die Elfe heran, die mich zwar immer noch wütend aber nun auch fassungslos ansieht.
„Ich weiß, dass da irgendetwas ist Kaíyra", meine Stimme ist jetzt leiser, nachdrücklicher und meine Augen verlassen nicht für eine Sekunde, die goldenen der Elfe, „du machst dir mehr Gedanken um mich, als du es solltest."
Ich flüstere jetzt nur noch und strecke behutsam eine Hand aus, um Kaíyra eine lose Strähne ihres weichen Haares hinter ihr Ohr zu stecken.
Und da spüre ich es zum ersten Mal. Die Ohren der Elfe sind tatsächlich spitz. Genau wie ich es vermutet hatte.
Doch mir bleibt nicht viel Zeit, diese Neuigkeit zu verarbeiten, denn bevor ich richtig reagieren kann, erlischt plötzlich das Feuer neben mir mit einem Zischen und ich finde mich in einer innigen, warmen Umarmung wieder.
Kaíyra hat eine Hand in meinem Haar vergraben, die andere liegt auf meinem Rücken und zieht mich eng an ihren schlanken Körper.
Sofort schlinge ich meine Arme um die Taille der Elfe und schmiege mein Gesicht an ihren weichen Hals, atme tief den mir so vertrauten Duft ihrer Haut ein.
Stumm stehen wir sekundenlang so dar, einzig mein erhöhter Herzschlag und Kaíyras sanfte Hand auf meinem Rücken, die mich weiterhin eng festhält, beweisen mir, dass ich gerade nicht träume. Und dann geschieht etwas absolut unerwartetes.
Ich spüre, wie sich die Elfe behutsam von mir löst und lasse sie widerstandslos gewähren, doch da fühle ich auch schon weiche Lippen an meiner Wange und eine sanfte Stimme an meinem Ohr.
„Du musst mich vergessen, Raine. Es geht einfach nicht anders."
Und damit lässt Kaíyra mich los und kehrt zu ihrem Schlafplatz in die absolute Dunkelheit zurück.
Wie vom Donner gerührt stehe ich da und es dauert einige Momente, bis auch ich wieder auf meine Seite des Lagers zurückkehren kann.
Nur eine Frage spukt mir ununterbrochen im Kopf herum.
Fühlt Kaíyra wirklich etwas für mich? Oder findet das alles nur in meinem Kopf statt...
So verwirrt wie noch nie und mit klopfendem Herzen falle ich schließlich in einen unruhigen Schlaf...

Soo meine lieben Leser, hier ein kleines extra-Kapitel, da heute Weihnachten ist. 🎄
Ich hoffe, ihr feiert schön mit euren Liebsten und bleibt alle gesund, auch wenn es dieses Jahr ein etwas anderes Fest ist...
Besinnliche Weihnachten euch allen. 🎅🏻🎁

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