Morgenstund...

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Als ich am nächsten Morgen aufwache, merke ich gleich, dass etwas anders ist. Denn zum ersten Mal in meinem Leben, liege ich nicht alleine in meinem Bett.
Kaíyras Position hat sich über Nacht kaum verändert, noch immer liegt sie eng an mich geschmiegt da und ich halte sie liebevoll im Arm. Auch ihr hübsches Gesicht hat sie an meinem Hals versteckt und ich spüre den stetigen, leichten Luftstrom ihres Atems auf meiner Haut.
Die Sonne scheint bereits hell und warm zum Fenster herein und malt strahlende Flecken auf den polierten Stein. Ich schätze, dass es später Morgen, vielleicht aber auch schon früher Mittag ist, in jedem Fall aber Zeit zum aufstehen und frühstücken.
Doch als ich leicht den Kopf drehe, um zu Kaíyras schlafender Form hinüber zu sehen, stiehlt sich mir ein Lächeln aufs Gesicht und ich bringe es nicht fertig, sie zu wecken.
Die Elfe sieht im Schlaf einfach so friedlich und entspannt aus, dass ich es nicht wage, sie aus ihrer Traumwelt herauszureißen.
Und so vergehen die Minuten ungenutzt, in denen ich auf das wunderschöne Wesen in meinen Armen hinabsehe und mit den Fingerspitzen sanft über die zarte Haut ihres Rückens streiche.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dagelegen und die Nähe zu Kaíyra genossen habe, aber als die Sonne schließlich ein gutes Stückchen weiter über den Himmel gewandert ist, klopft es plötzlich sanft an der Tür und sie wird einen Spalt breit geöffnet.
Ein Kopf lugt vorsichtig durch die schmale Öffnung und als Alrïs weiße Augen meine finden, legt sich ein warmes Lächeln auf ihre Lippen.
„Guten Morgen, Raine", begrüßt sie mich flüsternd, dann schlüpft sie leise in den Raum und schließt die Tür hinter sich. 
„Guten Morgen", gebe ich ebenso flüsternd zurück, um Kaíyra nicht zu wecken, doch die Elfe zuckt bereits im Schlaf. Natürlich hat ihr Unterbewusstsein unsere Stimmen und Alrïs Anwesenheit längst wahrgenommen.
„Ich möchte euch gar nicht lange stören. Wie geht es Kaíyra?", fragt die Heilerin und stellt einen Becher mit seltsam grüner Flüssigkeit auf dem Tisch an der Wand ab. Offenbar Medizin für die schlafende Elfe in meinen Armen.
„Ich denke besser", antworte ich leise und werfe einen kurzen Blick auf Kaíyra, „der Körperkontakt hilft ihr."
Ich weiß, dass ich Alrï gegenüber nicht rechtfertigen muss, warum Kaíyra und ich halb nackt und kuschelnd in einem Bett liegen. Aber trotzdem will ich nicht, dass die Heilerin denkt, ich hätte Kaíyras Schwäche in irgendeiner Art und Weise für meine Bedürfnisse ausgenutzt. Zum Glück tut diese das augenscheinlich aber auch gar nicht, denn Alrï lächelt herzlich und bedacht Kaíyra mit einem fürsorglichen Blick.
„Ich habe ihr von Anfang an gesagt, sie soll den direkten Körperkontakt zu dir suchen. Das würde den Heilungsprozess unwahrscheinlich beschleunigen. Doch sie wollte nicht auf mich hören."
Nun ist es an mir, die junge Elfe in meinen Armen liebevoll anzusehen, denn nach gestern Abend weiß ich ganz genau, weswegen Kaíyra es nicht getan hat.
„Sie wollte mich nicht drängen", flüstere ich und wieder bewegt sich Kaíyra bei meinen Worten unruhig im Schlaf.
„So wie du sie ansiehst, hätte sie dich wohl kaum dazu gedrängt", ist Alrïs schmunzelnde Antwort, doch diesmal scheint sie etwas zu laut gewesen zu sein, denn Kaíyra stößt ein tiefes Seufzen aus und schlägt dann langsam die Augen auf.
„Es vergeht wohl kein Morgen mehr, an dem ich dich nicht vor meinem Bett stehen sehe", murmelt sie müde in Richtung der anderen Elfe und wendet ihre Aufmerksamkeit dann mir zu, während Alrï im Hintergrund nur leise lacht.
„Guten Morgen, Raine. Danke, dass du bei mir geblieben bist", sagt Kaíyra sanft und ihre goldenen Augen sehen mich liebevoll an.
Sofort macht mein Herz in meiner Brust einen großen Sprung und klopft danach doppelt so schnell weiter. Die hübsche Elfe weiß einfach, wie sie mich mit nur wenigen Worten um den Finger wickeln kann.
Doch anstatt ihr zu antworten, beuge ich mich nur stumm zu Kaíyra hinüber und küsse einmal zart ihre Wange. Ein Lächeln stiehlt sich daraufhin auf die vollen Lippen der Elfe.
„Es tut mir ja leid, euch zwei unterbrechen zu müssen, aber ich brauche eine Einschätzung von dir, Kaíyra", höre ich die Heilerin wieder mit einem Lächeln in der Stimme sagen. Doch Kaíyra blickt nur weiterhin tief in meine Augen und antwortet Alrï, ohne sie dabei anzusehen.
„Gut. Mehr noch als gut. Ich bin fast wieder bei meinen alten Kräften angelangt."
„Das war alles, was ich wissen wollte", schmunzelt die ältere Elfe und dann höre ich nur noch, wie sich leise eine Tür schließt. Wir sind wieder allein.
„Hast du gut geschlafen?", frage ich Kaíyra und diese nickt nur wortlos, während ihre Fingerspitzen zart meinen Arm hinauf und hinunter streicheln. Dabei bewegen sich die Lippen der Elfe lautlos und mit einem Mal züngeln kleine Flammen an den Stellen hervor, an denen ihre Finger meine Haut berühren.
Aber es tut mir nicht weh. Im Gegenteil. Es fühlt sich angenehm warm an.
„Ich habe noch nie so gut geschlafen", erwidert Kaíyra nun sanft und sieht mir tief in die Augen.
Dann verlässt ihre Hand plötzlich meinen Arm und stattdessen streicheln ihre Fingerspitzen nun zärtlich meine Wange, berühren vorsichtig meine Lippen.
Ich kann nicht verhindern, dass sich ein  glückliches Lächeln auf mein Gesicht schleicht. Behutsam lege ich meine Hand über Kaíyras und führe sie zu meinen Lippen, um sanft ihre Handfläche zu küssen.
Und da bildet sich auch ein liebevolles Lächeln auf den vollen Lippen der Elfe.
„So sehr ich diese Zärtlichkeiten mit dir genieße", beginnt sie dann leise und ich höre ihr aufmerksam zu, „muss ich trotzdem langsam aufstehen und den Becher von Alrï trinken."
Sofort lasse ich von ihr ab und will aufspringen, um der Elfe diese seltsame grüne Flüssigkeit zu bringen, die sie offenbar dringend benötigt, doch Kaíyras schneller Griff an meinem Handgelenk, hält mich zurück.
„Immer mit der Ruhe. So eilig ist es nun auch wieder nicht", beruhigt mich die hübsche Elfe und setzt sich ebenfalls im Bett auf, „lass uns gemeinsam aufstehen."
Und das tun wir auch.
Ich verlasse zuerst das Bett und reiche Kaíyra dann meine Hand, um ihr zu helfen, doch zu meinem Erstaunen benötigt sie meine Hilfe schon gar nicht mehr. Ihre Kraft scheint durch unsere gemeinsam verbrachte Nacht wirklich fast wieder komplett zurück zu sein.
„Weißt du eigentlich, dass du wunderschön bist?", frage ich plötzlich unverblümt, als die Elfe mir vor ihrem Bett gegenübersteht und sich gerade ein frisches Oberteil über ihren makellosen Körper ziehen will.
Sie sieht einfach nur umwerfend aus... absolut perfekt.
Unvermittelt hält Kaíyra inne und lässt den Stoff zurück auf den Stuhl fallen.
Dann schlingt sie wortlos ihre Arme um meinen Hals und zieht mich in eine innige Umarmung, die ich sofort erwidere.
„Und weißt du eigentlich, wie viel ich für dich empfinde?", wispert sie in mein Ohr und wieder liebkosen ihre Lippen daraufhin zärtlich die Haut an meinen Hals. Ich lächle glücklich und halte die Elfe nur noch fester in meinen Armen.
„Langsam bekomme ich ein Gefühl dafür", schmunzle ich und Kaíyra lacht leise. Dann löst sie sich von mir und ihre Fingerspitzen streichen noch einmal zärtlich über meine Wange.
Ohne eine weitere Unterbrechung ziehen wir uns schließlich an und die Elfe geht hinüber zu dem hölzernen Becher auf dem Tisch, den sie kurz betrachtet und dann in einem Zug leer trinkt.
Danach verzieht sie angewidert das Gesicht, was mir ein ehrliches Lachen entlockt.
„Nicht gut?", frage ich scheinheilig und Kaíyra wirft mir einen augenrollenden Blick zu.
„Absolut nicht. Aber Medizin muss nicht gut schmecken. Hauptsache sie hilft", antwortet sie und stellt den Becher wieder zurück auf den Tisch.
„Was bewirkt das Zeug denn?", frage ich neugierig und betrachte interessiert den grünen Rest Flüssigkeit, der sich noch im Becher befindet.
„Der Saft hilft mir, wieder zu Kräften zu kommen. Aber pass lieber auf, es sind Teile einer Folise darin. Geh also nicht zu nah heran!", warnt mich Kaíyra belustigt und ich mache unwillkürlich einen Schritt zurück.
„Hast du nicht gesagt, die wären alle giftig?"
Alarmiert sehe ich die Elfe an, doch diese lächelt mir nur beruhigend zu.
„Ja, aber die Dosierung hier ist so minimal, dass es mir mehr hilft, als schadet", sagt die Elfe sanft, dann wendet sie sich entschlossen Richtung Tür und streckt die Hand nach mir aus.
„Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang?"

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