Kapitel 9

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Ich hörte, wie die anderen ebenfalls vor den Eingang des Labyrinths appariert waren. >Wer mich zuerst findet, darf sich den letzten Rest Scotch mit mir teilen.<, rief ich und rannte weiter ins Innere des Irrgartens. Immer mal wieder blieb ich stehen, um zu lauschen, ob sich eventuell Schritte näherten. Die Hecken waren dicht und hoch, es war dunkel und allmählich auch etwas kalt. Vorsichtig schielte ich um eine Ecke, als mich plötzlich jemand an der Hüfte packte und mich umdrehte, sodass ich ihm direkt ins Gesicht sah. Es war Draco, welcher mich siegessicher angrinste. Hinter mir war die Hecke und Draco stand nur weniger Zentimeter vor mir. Ich hatte ein Dejavue, denn genau so standen wir schon einmal da. >Warum kommt mir das grade so bekannt vor?<, fragte ich deshalb leise und sah ihm direkt in die Augen. Meinem Gegenüber huschte ein kurzes Lächeln über die Lippen, bevor er mich ernst an sah. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Der Alkohol machte sich nun eindeutig bemerkbar und ich hatte das Gefühl, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Seine Hände lagen immer noch an meiner Hüfte und sein Gesicht kam meinem gefährlich nahe. Ich versuchte nicht mich zu wehren. Ich wollte mich nicht wehren. Auch wenn ich mir geschworen hatte, dass sich der Vorfall von Hogwarts nicht wiederholen würde, so war ich ihm dennoch völlig ausgeliefert. Draco leckte sich über die Lippen und ich schloss meine Augen. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren, was mir eine Gänsehaut bereitete. Dann endlich spürte ich seine Lippen auf meinen und in mir brach ein Feuerwerk aus. Obwohl es nur ein leichter Kuss war, löste er in mir unheimlich viel aus. Viel zu schnell ließ er wieder von mir ab und ich hätte ihn am liebsten wieder zu mir herangezogen. Der Grund sollte auch nicht lange auf sich warten lassen. Mein Bruder kam um die Ecke gerannt und ärgerte sich, dass er verloren hatte. Irgendwann fanden wir auch Alyssa und apparierten gemeinsam wieder ins Haus. Draco und ich genehmigten uns den letzten Schluck Scotch und genossen ihn schweigend. Dann machten wir uns wieder auf den Weg nach unten, denn es war kurz vor zwölf und alle zählten schon runter. Wir standen auf unserer großen Terrasse, ich bei meinen Eltern, Draco bei seinen Eltern. Als es zwölf Uhr, zündeten unsere Eltern das Feuerwerk und der Himmel erstrahlte in bunten Farben. Für einen kurzen Augenblick sah ich zu Draco. Er hatte seine Augen nach oben gerichtet und strahlte wie ein kleiner Junge. Unbemerkt zog ich mich aus der Menge zurück und ging alleine in mein Zimmer. Ich musste meine Gedanken sortieren, die mir gerade über Kopf stiegen. Panisch öffnete ich ein Fenster und ließ die kalte Luft mein Gesicht kühlen. Für einen kurzen Augenblick hoffte ich, dass Draco mir gefolgt war und jeden Moment hinter mir stehen würde, was natürlich nicht geschah. Als die Gäste allmählich gingen, stellte ich mich auf meinen Balkon und lehnte mich über die Brüstung. Von dort aus hatte ich einen super Blick über unsere Einfahrt mit dem großen Springbrunnen in der Mitte und dem gewaltigen Eisentor am Ende. Als die Malfoys gingen, hoffte ich, dass Draco sich wenigstens noch einmal umdrehen würde und irgendwie ging mein Wunsch in Erfüllung, denn kurz bevor sie das große Eingangstor erreicht hatten, drehte er sich tatsächlich kurz zu mir um und sah mich an, bevor er mit seinen Eltern apparierte. Das konnte ja witzig werden, wenn wir uns nach den Ferien in Hogwarts wiedersehen würden.

 Ich pellte mich aus meinem Kleid und zog die hohen Schuhe aus. Meine Füße taten schon seit Stunden weh. Ich schminkte mich ab und zog mir eine kurze Stoffhose und ein Top zum schlafen an. Dann legte ich mich ins Bett und viel keine drei Sekunden später in einen tiefen Schlaf. Dafür wachte ich am nächsten Morgen mit den größten Kopfschmerzen auf. Als mir der Grund dafür wieder einfiel und ich die Geschehnisse des gestrigen Abend Revue passieren ließ, klatschte ich mir mit der flachen Hand auf die Stirn. Ich hatte meinen einzigen Grundsatz über den Haufen geschmissen und zugelassen, dass Draco Malfoy mich küsste. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wollte ich auch noch mehr. Ich quälte mich aus dem Bett und betrachtete mich im Spiegel. Meine Haare waren zerzaust und mein Gesicht war blass. Ich zog meinen Bademantel über und schlurfte die Treppen hinunter zur Küche. Meine Eltern frühstückten gerade. Gerade so brachte ich ein guten Morgen über die Lippen, machte mir eine Schüssel Müsli und schlich zurück in mein Zimmer. Dort aß ich ein paar Löffel und beschloss dann, heute einen ruhigen Tag zu machen. Ich sprang erstmal unter die Dusche und richtete meine Haare anschließend zu zwei Zöpfen. Dann schnappte ich mir ein Buch und setzte mich auf meine Fensterbank. Der erste Tag im neuen Jahr war verregnet, also perfekt um nicht das Haus zu verlassen. Beim Blick aus dem Fenster viel mir der Irrgarten ins Auge. Sofort kamen mir Flashbacks von gestern Abend in den Kopf. Wie seine Hände auf meinen Hüften lagen, wie ich seinen Atem auf meiner Haut gespürt hatte, wie seine weichen Lippen meine gestreift hatten. Bei all diesen Erinnerungen bekam ich erneut eine Gänsehaut, doch ich wollte keine weiteren Gedanken mehr an gestern verschwenden. Wahrscheinlich würden Draco und ich in Hogwarts so tun, als wäre nichts passiert. Aber wollte ich das? Ich wollte definitiv keine Beziehung mit ihm, so viel stand fest. Doch  ich wollte mehr über ihn erfahren und auch wenn ich mir nicht erklären konnte warum, fühlte ich mich zu ihm hingezogen. Ob ich es Daphne erzählen sollte? Wir verstanden uns gut und waren auch gute Freunde geworden, aber es war ein heikles Thema. Auf jeden Fall durfte Pansy nix davon erfahren, sonst würde es am nächsten Tag ganz Hogwarts wissen. Endlich konnte ich mich voll und ganz auf mein Buch konzentrieren und versank in dieser anderen Welt. Es war ein historischer Roman, voller Intrigen und Affären und gelegentlich ertappte ich mich dabei, wie ich mir wünschte ein Teil dieser Welt zu sein.

Love AffairWhere stories live. Discover now