Kapitel 21: Das Festmahl

Start from the beginning
                                    

"Sie hat meinem Bruder das Leben gerettet", raunte ein kleiner Junge seinem Gefährten neben sich zu.

"Könnt Ihr Geschichten erzählen, Herrin?", fragte ein blondes Mädchen.

Ivriniel dachte nach. Konnte sie das? Wollte sie das?

"Es gibt eine Geschichte", fing sie an, "von einer Elbin, die einen Zwerg liebte."

"Aber Elben sind schön und Zwerge sind hässlich", unterbrach sie das Mädchen.

Ivriniel schüttelte den Kopf.

"Dieser Zwerg war nicht hässlich. Er sah sogar recht hübsch aus. Er war Kili, der Neffe von Thorin Eichenschild, dem König unter dem Berg, der seine Heimat an das Böse verloren hatte."

Die Kinder sahen sie gebannt an.

"Viele Jahre streiften die Zwerge durch die Lande und verdingten sich als Handwerker, aber sie vergaßen ihre Heimat nicht und sie wollten sie sich zurückholen. Nur gab es dabei ein Problem: Ein Drache hatte sich in dem Berg eingenistet. Sie warteten also, bis sie den Drachen für tot hielten. Mit der Hilfe eines Zauberers und in Gesellschaft eines Hobbits, der einen ganz besonderen Stein, das Königsjuwel für sie wiederbeschaffen sollte, machten sie sich auf zum Berg. Doch ihr Weg war lang und viele Gefahren warteten auf sie. Orks hefteten sich an ihre Fersen und im Düsterwald wurden sie von Spinnen bedroht, die einen erwachsenen Mann überragen."

"Aber sie haben gewonnen?", fragte ein kleines Mädchen ängstlich.

"Ja, die Elben, die in diesem Wald lebten, kamen ihnen zur Hilfe. Allerdings ließ der Elbenkönig die Zwerge nicht weiterziehen. Er verlangte einen Teil der Schätze aus dem Berg, der rechtmäßig seinem Volk gehörte. Thorin Eichenschild jedoch verwehrte es ihm und beleidigte ihn, weshalb der König die Zwerge einsperren ließ. Hier war es, wo die Elbin und der Zwerg einander kennenlernten. Sie war die Wache, er der Gefangene. Schließlich entkamen die Zwerge mit der Hilfe des Hobbits, doch die Orks hatten ihre Fährte nicht verloren und verfolgten sie weiterhin. Die Elbin, Tauriel war ihr Name, bekämpfte die Orks und fand heraus, dass der Zwerg, der sie so faszinierte, von einem vergifteten Pfeil getroffen worden war. Er würde sterben, wenn ihm niemand half. Also nahm sie die Verfolgung der Zwerge auf, auch wenn der Elbenkönig sie dafür aus seinem Reich verbannte."

"Sie ist so mutig", sagte das blonde Mädchen.

"Tauriel fand also die Zwerge und konnte ihren geliebten Zwerg heilen. Aber Thorin Eichenschild, der es nicht erwarten konnte, in seine einstige Heimat zurückzugelangen, hatte sich bereits auf den Weg gemacht und im Berg den schlafenden Drachen geweckt. Voller Zorn zerstörte der Drache die Stadt der Menschen, die den Zwergen Obdach geboten hatten, und die Menschen, nun heimatlos geworden, suchten Hilfe bei Thorin Eichenschild, der sie ihnen verwehrte, denn Gold, auf dem ein Drache geschlafen hat, liegt ein Fluch, der seinen Verstand zerstört hatte."

"Was ist mit dem Drachen?", wollte ein Junge wissen.

"Ein mutiger Mensch schoss einen schwarzen Pfeil auf ihn ab, die einzige Waffe, mit der man solch ein Untier töten kann. Bei seinem Sturz vom Himmel begrub der Drache alles, was in der Stadt noch nicht brannte, unter seinem riesigen Leib."

"Aber was ist mit dem Zwerg und der Elbin?", fragte das blonde Mädchen ungeduldig.

"Sie konnten nicht zusammenbleiben, denn die Nachricht, dass der Berg mit all seinen Schätzen nun nicht länger dem Drachen gehörte, hatte sich verbreitet und neben den geflüchteten Menschen kamen auch die Elben zum Berg, um die Schätze zurückzufordern, die ihnen gehörten. Die Zwerge allerdings gaben nichts von ihrem Reichtum heraus und riefen ihre Verwandten von den Eisenbergen, die ihnen bei der Verteidigung des Berges gegen die hungernden Menschen und die wütenden Elben helfen sollten. Es entbrannte ein Kampf zwischen den beiden Fronten, doch der dauerte nicht lange, denn auch das Böse hatte Interesse an dem Berg. Die Menschen, Elben und Zwerge kämpften nun Seite an Seite gegen das Böse."

"So wie in Helms Klamm", unterbrach sie ein Mädchen.

"Ja, so wie in Helms Klamm", sagte Ivriniel und lächelte.

"Thorin Eichenschild hatte wie durch ein Wunder seinen Verstand zurückgewonnen und kämpfte selbst mit seinen besten Männern gegen die Widersacher. Einer dieser besten war Kili und als Tauriel das erfuhr, lief sie los, ihm zu helfen, denn das Böse war mächtig, übermächtig fast. Ein Zwerg, ein Mensch, ein Elb nach dem anderen fiel. Gute Krieger wurden getötet."

Sie machte eine kurze Pause. Ihre Gedanken kreisten kurz um ihren Bruder und ihren Vater, ehe sie sie fortwischte.

"Als Kili von einem riesigen Monster angegriffen wurde, half ihm Tauriel, doch sie konnte nichts ausrichten gegen dieses Ungetüm. Verwundet und weinend fand man sie am Ende der Schlacht neben dem Körper des getöteten Zwerges knien."

"Das ist keine schöne Geschichte", beschwerte sich das blonde Mädchen.

"Nein", Ivriniel schüttelte den Kopf. "Aber sie ist wahr."

"Das Böse wurde geschlagen, doch einen Gewinner gab es nicht. Es gab zu viele Verluste zu beklagen."

"Was ist mit der Elbin passiert?", wollte ein anderes Mädchen wissen.

"Ich weiß es nicht", sagte Ivriniel. "Sie verschwand nach der Schlacht und kein Elb hat sie je wieder gesehen. Wahrscheinlich zieht sie noch immer durch die Welt und kämpft allein gegen das Böse, das ihr ihre Liebe genommen hat."

Die Kinder sahen nicht zufrieden aus.

Ivriniel dachte, dass sie wohl eines Tages verstehen würden, was für eine besondere Geschichte das war - in jeder Hinsicht.

Sie setzte ihre Weg fort, den sie ursprünglich eingeschlagen hatte und lehnte sich an die Brüstung, von wo aus sie in die Stadt hinuntersehen konnte.

"Das Mädchen hat recht, es ist keine schöne Geschichte, aber es ist eine gute Geschichte", sagte hinter ihr eine bekannte Stimme.

Sie hatte Legolas gar nicht herankommen hören. Wie lange er wohl schon da gewesen war?

"Aber du hast sie nicht vollständig erzählt. Warum?", fragte er.

Sie sah ihn an und überlegte. Ja, warum hatte sie Teile der Geschichte ausgelassen?

"Es schien mir passender", log sie.

Eine Weile herrschte Stille, in der keiner von beiden ein Wort sagte.

"Sie war dein Seelenpartner, nicht wahr?", überwand sich Ivriniel schließlich zu fragen, auch wenn sie die Antwort eigentlich gar nicht hören wollte. Ja, sie hatte Legolas bewusst nicht erwähnt, weil sie nicht wahr haben wollte, dass sein Herz dieser Elbin gehörte. Warum nur tat sie sich den Gedanken und die Gewissheit nun an.

Legolas blieb eine Weile stumm, ehe er antwortete.

"Das hatte ich eine Zeit lang gedacht, ja", antwortete er. "Aber ich scheine Liebe mit einer tiefen Freundschaft verwechselt zu haben. In beiden Situationen möchte man dem anderen nah sein und würde sein Leben für das seine geben. Und doch fühlt sich beides verschieden an."

Überrascht sah sie auf und begegnete seinem stechenden Blick. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Mechanisch nickte sie. Wahrscheinlich war es wohl so. Sie hätte ihr Leben tatsächlich für Anion gegeben und war gern bei ihm gewesen.

"Ich sollte hineingehen", sagte sie und wandte sich zum Gehen.

Sie musste nachdenken, was sie mit dieser Information anfangen sollte. Noch ehe sie wieder in die Halle trat, war ihr Herz bereits zu einer Entscheidung gekommen.

Sternenlicht - Legolas FFWhere stories live. Discover now