Kapitel 6: Ein alter Bekannter

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Bald schon hatten sie das Schlachtfeld vom vergangenen Tag erreicht. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie zu der Stelle hinübersah, an der sie die Leichen von Arminas und Anion gefunden hatte. Einzelne Bilder kamen ihr wieder in den Kopf: die im Schmutz liegenden Körper der beiden toten Elben, eine Grimasse eines Uruks, ein aufblitzendes Schwert. Schnell drehte sie ihren Kopf wieder nach vorn, ehe die Erinnerungen zu präsent werden konnten. Dabei fing sie Legolas' Blick auf, der zu ihr hinübersah. Stolz erwiderte sie diesen Blick. Es ging ihr gut. Mit einem kurzen Nicken wandte er sich wieder ab. Gut so. Niemand musste nachsehen, ob alles in Ordnung mit ihr war. Immerhin war sie kein kleines Kind mehr!

Sie hatten nur eine kurze Strecke hinter sich gebracht, als ein kleiner Berg in ihr Blickfeld rückte. Erst als sie näher herankamen wurde Ivriniel bewusst, was es war: Vor ihr türmte sich ein Leichenstapel auf. Halb verkohlt ragten die aufgeschichteten Leiber der Uruk-hai wie ein Mahnmal in die Höhe. Im Inneren des Haufens schwelte es noch. Der Regen am vergangenen Tag schien das Feuer nicht ganz gelöscht zu haben. Dafür qualmte und stank es nun umso mehr.

Kurz vor dem grotesken Scheiterhaufen stiegen Aragorn und Legolas von ihren Pferden. Während der blonde Elb auch Gimli wieder auf festen Boden stellte, begann Aragorn mit der genauen Betrachtung des Untergrundes. Auch Ivriniel stieg von ihrem Braunen ab. Sie beobachtete jede Bewegung des dunkelhaarigen Menschen genauestens.

„Wir müssen ihre Spuren wiederfinden. Wenn wir nicht wissen, an welcher Stelle sie in den Fangorn geflohen sind, können wir ewig suchen", kommentierte dieser seine Arbeit mehr für sich selbst als für die Umstehenden.

„Wenn wir nicht ein gewisses Prinzesschen hätten retten müssen, wäre das alles gar nicht nötig gewesen", brummte Gimli unwirsch.

„Wie bitte?" Ivriniel baute sich zu ihrer ganzen Größe, die zwar für eine Elbin nicht unbedingt stattlich war, aber ausreichte, um den Zwerg bei Weitem zu überragen, vor ihm auf.

„Ich habe nicht um eure Hilfe gebeten", zischte sie ihm entgegen.

„Und doch war sie bitter nötig." Feindselig sah Gimli sie an.

Was sollte sie darauf antworten? Sie konnte ihn schlecht der Lüge bezichtigen, immerhin stimmte, was er da von sich gab. Glücklicherweise unterbrach Aragorn ihre Auseinandersetzung ehe sie etwas hätte erwidern können.

„Hier hinüber", rief er und winkte sie zu sich heran.

Gimli sah sie grimmig an, bevor er sich abwandte und zu dem Menschen hinüber stapfte.

Ivriniel folgte in einigem Abstand.


Der Wald war unheimlich. Obwohl er so nah an ihrem Reich gelegen war, hatte sie selbst nie einen Fuß hineingesetzt. Normalerweise fühlte sie sich wohl unter dem schützenden Blätterdach, das die Bäume über den Kreaturen, die an ihren Wurzeln und Stämmen lebten, aufspannten, aber dieser Wald war anders als die Wälder, die sie kannte. Kaum ein Lichtstrahl brach durch die Kronen der Bäume und von überall schienen sie unsichtbare Gestalten aus den Schatten heraus anzusehen.

Sie war so sehr damit beschäftigt, auf jedes Knacken im Unterholz, jedes Rascheln und jeden Windhauch zu achten, dass sie gar nicht mitbekam, dass der vor ihr laufende Gimli stehen geblieben war. Beinahe wäre sie in ihn hineingerannt.

Mit seinem Zeigefinger wischte er über ein Blatt und hielt anschließend seine Zunge an den Finger, ehe er ausspuckte.

„Orkblut", verkündete er und lief weiter.

Angeekelt sah Ivriniel erst das Blatt und dann den Zwerg an, ehe auch sie sich wieder in Bewegung setzte. Das Blätterdach musste auch den Regen teilweise fernhalten, wenn das Blut seit dem vergangenen Tag dort klebte.

Sternenlicht - Legolas FFWhere stories live. Discover now