Kapitel 17: Die Schlacht beginnt

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Es wurde Zeit, die Plätze auf den Mauern einzunehmen.

Jeder einzelnen Bewegung ihres Körpers nachspürend, erklomm Ivriniel Treppenstufe für Treppenstufe. Ihre Muskeln waren glatt und fest und gehorchten ihr, egal was sie tat. Das gab ihr die Ruhe, die sie benötigen würde. Sie musste einen klaren Kopf behalten und durfte sich nicht von Emotionen ablenken lassen, wenn sie am Leben bleiben wollte.

Neben ihr tauchte Legolas auf.

„Bereit?", fragte er.

Sie lächelte und nickte.

„Es wird Zeit, Saruman ein Einhalten zu gebieten."

„Genau das", stimmte ihr Gimli, der sich von hinten genähert hatte, zu.

Sie hatten die Mauerkrone erreicht und gingen an den Zinnen entlang zu dem Platz, auf dem die Einheit, der man sie zugeordnet hatte, stehen sollte. Die Elbenkrieger Lothlóriens waren bereits dort. In Dreierreihen standen sie in elbischer Disziplin still und erwarteten ihren Feind, um ihn zu vernichten. Sie stellten sich auf ihre Plätze in der vordersten Reihe und ihre Gespräche verstummten. Jeder ging nun seinen eigenen Gedanken nach.

Ivriniel dachte an ihre Heimat, an ihre Mutter und ihre Schwester. Sie dachte an das grüne Blätterdach der Bäume und das Zwitschern der Vögel, während sich die Dunkelheit um sie herum zu intensivieren schien. Sie sah all diese Dinge vor ihrem inneren Auge wie einen Film ablaufen, ohne dass sie jedoch an einer Stelle stoppte, um sich die Bilder genauer anzusehen und in sie einzutauchen. Sie hörte das Rascheln der Blätter in ihrem Inneren ohne es wirklich wahr zu nehmen.

Es verstrich eine Zeit, in der sie alle gebannt auf den Horizont achteten und in der sich dort nichts regte. Die eiserne Disziplin der Elben um sie herum gab ihr Ruhe und Gelassenheit. Die Krieger Lothlóriens waren gut. Sie waren keine menschlichen Bauern, denen man Schwert und Schild in die Hand gedrückt hatte, ohne sie den Gebrauch dieser Gegenstände zu lehren. Nein, es waren ausgebildete Krieger, die ihre Waffen beherrschten als wären sie Teil ihres Körpers.

Und dann kamen sie. Eine Wand aus entzündeten Fackeln schob sich langsam, aber in konstantem Tempo zum dumpfen Klang ferner Trommeln auf die Festung zu und versperrten den Talkessel. Gandalf hatte recht gehabt. Dieser Ort war eine Falle. Wer hätte fliehen wollen, hätte nur dem Feind entgegenlaufen können.

Direkt neben ihr reckte und streckte sich Gimli, um ebenfalls einen Blick auf die herannahende Armee Isengarts werfen zu können, den ihm die Mauer aber vorenthielt.

„Du hättest wirklich einen besseren Platz aussuchen können", maulte der Zwerg an Legolas gewandt.

Mit einem Seitenblick sah sie, wie sich ein leichtes, amüsiertes Lächeln auf die Lippen des Elben schlich.

Von hinten trat Aragorn an sie heran.

„Nun Junge, was dir auch Glück bringen mag: Es möge die Nacht überdauern", gab Gimli von sich.

Ein Blitz durchzuckte die Dunkelheit. Es folgte ein dumpfes Donnergrollen.

„Deine Freunde sind mit dir, Aragorn." Legolas' Stimme klang fest und entschlossen.

„Auch sie mögen die Nacht überdauern", sagte Gimli.

Ohne ein Wort zu sagen, verschwand der Dunkelhaarige wieder. Es gab auch nichts mehr zu sagen. Alle Worte, die von Nöten waren, waren ausgesprochen worden. Man hatte die Streitigkeiten beiseite gelegt, sich gegenseitig der Treue der anderen versichert und sich, wenn auch auf Zwergenart etwas kaltschnäuzig, einen guten Ausgang der Schlacht gewünscht, denn dieser Feind machte keine Gefangenen.

Es blitzte erneut. Regen setzte ein, erst wenig, doch dann immer mehr. Das Wasser war kalt und der leichte Wind trieb ihr immer wieder Tropfen ins Gesicht, während ihr Mantel den größten Teil der Nässe abhielt.

Die Uruk-hai setzten sich in Bewegung. Rüstungen klapperten, schwere Schritte waren zu hören. Ihre Spieße glänzten im Licht der Blitze.

Sie vernahm Aragorns Stimme, der durch die Reihen der elbischen Bogenschützen ging.

„A Eruchîn, ú-dano i faelas a hyn an uben tanatha le faelas (O Kinder von Eru, zeigt ihnen keine Gnade, zeigt keinem Gnade)."

Nein", dachte sie. Gnade würde sie keine zeigen mit den Ungeheuern des weißen Zauberers.

Die schweren Schritte wurden immer lauter, je näher die Uruks kamen. Schließlich blieben sie vor den Mauern stehen. Sie waren in Reichweite der Bogenschützen. Würde sie jetzt einen Pfeil losgehen lassen, würde eine der Kreaturen des Bösen sterben.

Die schrecklichen Geräusche der Ungeheuer hallten durch die Nacht.

Gimli begann erneut auf und ab zu hüpfen in der Hoffnung, dadurch etwas über den Rand der Mauer hinweg sehen zu können.

„Was geschieht denn da draußen?", wollte er wissen.

„Nun, ich könnte es dir beschreiben. Oder soll ich dir eine Kiste besorgen?"

Legolas' Frage brachte den Zwerg zum Lachen und auch Ivriniel konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

Es war bizarr. Direkt vor den Mauern stand die wahrscheinlich größte Armee, die sie jemals in ihrem Leben gesehen hatte, und sie amüsierte sich. Aber wäre es besser, ernst zu bleiben? Vielleicht war dies ihre letzte Gelegenheit, der Welt ihr Lächeln zu präsentieren.

Die Uruks begannen, mit ihren Speeren auf den Boden zu schlagen und ließen damit einen seltsamen, bedrohlichen Rhythmus erklingen. Das brachte ihre Gedanken wieder auf die bevorstehende Schlacht zurück.

Sie konnte erkennen, wie auf einem anderen Abschnitt der Mauer die Menschen es mit der Angst zu tun bekamen und ihre Bögen bereitmachten.

Ein Pfeil zischte los.

„Dartho! (Halten! / Wartet!)", hörte sie Aragorns Stimme, während sie beobachtete, wie eines der Ungeheuer, das der Pfeil getroffen hatte, wie ein Baum, den der Wind entwurzelt hatte, tot nach vorn kippte.

Die Uruks schien wütend, ehe ihre Masse gegen die Festungsmauern brandete.

„Tangado a chadad! (Macht euch bereit zu schießen!)", drang Aragorns Befehl durch den Lärm an ihr Ohr.

Sie legte einen Pfeil an und fokussierte die Flut aus Leibern am Fuße der Mauer.

„Faeg i-varv dîn na lanc a nu ranc (Ihre Rüstung hat Schwachstellen am Hals und unter dem Arm)", sagte Legolas.

Sie legte ihr Augenmerk auf einen einzelnen Uruk. Sie zielte.

„Hado i philinn! (Lasst die Pfeile fliegen!)"

Ein Pfeilhagel ging auf die Kreaturen vor den Mauern nieder. Mit Genugtuung beobachtete Ivriniel, wie das von ihr anvisierte Ungeheuer zu Boden ging.

„Haben sie irgendwas getroffen?" Gimli klang sehr aufgeregt.

Auch die Menschen schickten ihre Pfeile los und wieder fielen Uruks.

Gimli wurde unruhig.

„Schickt sie zu mir, na los!"

Die Uruk-hai legten ihre Armbrüste an und links neben ihr stürzte eingetroffener Elb über die Mauer.

Angst durchflutete ihren Körper. Sie wollte nicht sterben.

Schnell wischte sie das Gefühl fort. Emotionen waren hinderlich in der Schlacht und ihre Furcht würde sie nur lähmen.

Die Uruk-hai rückten mit Kriegsgerät an.

„Pendraith! (Leitern!)", erklang die Stimme von Aragorn.

„Gut." Gimli war voller Vorfreude.

Einer ihrer Pfeile traf einen Leiterträger. Die Kreatur fiel, die Leiter wackelte und der Uruk, der sich darauf gehalten hatte, stürzte in den Tod. Im nächsten Moment stabilisierte sich das Gerät jedoch wieder. Ein anderes Ungeheuer hatte die Position des ersten eingenommen. Kurz darauf wurde die Leiter angelegt und die ersten Kreaturen erklommen die Mauer. Ihre Pfeile trafen die Heraufkletternden. Allerdings hatten an anderer Stelle die ersten Uruk-hai die Mauerkrone bereits erreicht.

„Schwerter! Schwerter!", hörte sie Aragorns Stimme über den Kampfeslärm hinweg.

Jetzt war jeder auf sich allein gestellt.

Sternenlicht - Legolas FFOn viuen les histories. Descobreix ara