Der Anfang, der Grund

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(im Flashback könnt ihr das Lied hören)

Der Anfang, der Grund

Ich wurde unsanft von einer Hand heftig wachgerüttelt. Ich murrte etwas und begriff nicht, was los war, als ich wieder das rote Etwas auf dem Bild vor meinem inneren Auge sah und mir schlagartig wieder alles in den Sinn kam. Sie würden gleich gehen. Gestern schon hatten sie ihre Taschen fertig gepackt. Ein wenig Proviant, Wasser, Musik, Geld und ein Handy mit vollem Akku, das internetempfänglich war. 
Ich rappelte mich auf und stieß die Bettdecke beiseite. Mariko sah mich eindringlich an, dann hielt sie ihren Zeigefinger an die Lippen und flüsterte ein: „Pst! Die anderen schlafen doch noch!“ Ich ging nicht darauf ein, zog mich an und wir frühstückten schnell eine trockene Scheibe Brot mit Käse. Dann schlichen wir zurück in unser Zimmer, holten unsere Taschen und hinterließen einen Zettel: Wir beide sind schon gegangen und gucken uns nun in aller Ruhe die Schulen an. 
Höchstwahrscheinlich kommen wir erst heute Abend sehr spät wieder, also macht euch keine Sorgen um uns! Mariko & Shina 
Leise viel die Tür hinter uns ins Schloss, als wir uns auf die Socken machten und keine zehn Minuten später an der Bushaltestelle warteten, dick eingehüllt in unsere warmen Winterjacken, während uns der eisige Wind in der Dunkelheit die Gesichter einfror. Wieder einmal sah ich auf meine Uhr. Gleich würde der Bus kommen und uns in sein warmes Inneres aufnehmen und von der unerträglichen Kälte erlösen. Wir warteten noch eine Weile, bis der Bus dann wirklich kam und mein Traum von der wunderbaren Wärme und warmen Fingern Realität würde. Ich stöhnte, als ich den Schritt in den Bus, raus aus der Kälte machte.
Wir gingen nach ganz hinten in den Bus und Mariko ließ sich neben der dreckigen Fensterscheibe nieder. Da sie mich nicht sonderlich zu beachten schien, sondern nur aus dem Fenster starrte und Musik hörte, seufzte ich leise, holte meine Flasche Wasser aus meinem kleinen Rucksack und nahm einen kräftigen Schluck. Nach dem Fahrplan, den wir erstellt hatten nach zu urteilen, würde es ca. eine Viertelstunde dauern, bis wir an der gewünschten Haltestelle ankommen würden. Von da aus würden wir mit dem Zug reisen, da es etwas länger bis zu unserem Zuhause dauerte. Da war es unsinnig, den Bus zu nehmen und unendlich viele Male umsteigen. Das war einfach nur absurd. Ich überlegte mir, was ich während der ganzen Fahrt machen könnte. Weil mir nichts einfiel, wartete ich einfach nur die ganze Zeit und hörte Unfaithful von Rihanna. Ich mochte es zwar nicht so sehr, im Bus oder Auto Musik zu hören, da man es so laut stellen musste, um überhaupt etwas zu hören, aber im Moment war mir das egal. 
Es vergingen zwanzig Minuten, bis wir an gekennzeichneter Haltestelle ausstiegen und einen kleinen Fußmarsch bis zum Bahnhof zurücklegten. Er sah für einen Bahnhof doch ganz gut aus, was wahrscheinlich daran lag, dass er vor einem Jahr – wie ich zufällig mitbekommen hatte – renoviert worden war und jetzt alles wie neu war. 
Es war aber leider auch voller auf den Gleisen… Klar, wir waren ja auch in Berlin, aber ich hatte mir trotzdem weniger Menschen erhofft. Wir drängten uns in den vor uns haltenden Zug, der uns in Richtung zuhause fahren sollte und ergatterten sogar noch einen Zweierplatz. Mir fiel sogar auf, dass ich es gar nicht mehr so schlimm fand, neben Mariko zu sitzen, aber wahrscheinlich hatte ich mich einfach nur daran gewöhnt, immerhin war ich in den letzten Tag oft mit ihr zusammen gewesen, was mir in den ersten Tagen in dem Hotel das Frühstück vermiest hatte. 
Diesmal saß ich am Fenster und nutzte das auch. Hätten wir einen Dreier oder Vierer mit Tisch gehabt, hätte ich jetzt gezeichnet. Ich sah nach draußen und beobachtete, wie der Bahnhof sich immer schneller von uns entfernte und die Stadt schnell an uns vorbeistreifte. Mit der Zeit veränderte sich das Bild draußen und wir verließen die Stadt; fuhren an Landstrichen vorbei und sahen Kühen beim vorbeifahren beim Grasen zu. 


Ich schielte wieder einmal zu Shina rüber und musterte sie eingehend. Shina sah gespannt nach draußen und ihre Augen versuchten mit der Landschaft mitzuhalten. Was fühlte ich, wenn ich Shina ansah? Hass? Oder überwiegte doch mein wahres Ich und es war Schuld? Mitgefühl? Gab es nicht irgendetwas, das ich dagegen tun konnte, so zu fühlen? Einerseits wäre es besser, deswegen noch zickiger zu werden und ihren Hass auf mich zu schüren. Andererseits war es in unserer Situation keine besonders gute Idee, zu streiten, da wir schon bald Akatsuki gegenübertreten würden. 
Was also sollte ich tun? Vielleicht hätte ich nicht mitkommen sollen. Vielleicht hätte ich entweder zuhause bleiben oder alleine gehen sollen, aber was würde das schon groß bringen? Ich schaute wieder auf meine rote Handtasche. Eines war für mich klar: Nachdem wir dieses Treffen mit Akatsuki überlebt hatten, würde ich wieder ihren Hass erwecken. Ich wollte das nicht. Ich wollte ihr das nicht antun, aber es war das Beste. Es musste so sein. Und dann erinnerte sie sich wieder. Es war der Grund. Der Anfang von allem. Der Anfang, der der Grund für alles in ihrem Leben war…

Flashback:
Mariko sah das Mädchen neugierig an, dass sich als Kagami Amori vorgestellt hatte, eine Schülerin aus der zweiten Klassen, die die dritte übersprungen hatte und nun mit ihrer Klasse das vierte Schuljahr beginnen sollte. Ein kleines Mädchen, das ihre Klasse freundlich anlächelte und zu Marikos Verblüffung gar nicht nervös schien. „Willst du dich der Klasse selber vorstellen, Kagami?“, fragte der Lehrer aufmunternd. Die Schwarzhaarige nickte und sagte dann in ziemlich freundlichem Ton: „Hallo, ich bin Kagami, wie bereits gesagt wurde und ich habe eine Klasse übersprungen, 
weswegen ich jetzt hier bei euch bin…“ „Du hast eine Klasse übersprungen?“, blaffte Ren völlig überrumpelt dazwischen. „Ja“, meinte das Mädchen und ihre Mundwinkel waren nach oben gezogen. Das verschlug ihm die Worte und er starrte das Mädchen mit offenem Mund an. „Was denn, Ren? Nur weil so etwas bei dir unmöglich ist, heißt es ja nicht, dass es für alle unmöglich ist!“, reizte ein Mädchen ihn kichernd und die ganze Klasse lachte, während Ren puterrot anlief. Mariko lachte auch. 
Als das Lachen verstummt war, musterte Mariko das zierliche Mädchen etwas genauer. Sie hatte pechschwarze, glatte Haare, die ihr bis zum Po gingen und offen waren. Ihr Pony war schräg zur Seite geschnitten. Ihr Gesicht war ein wenig blass, ihre Nase klein, die Augen erschienen einem dafür umso größer. Sie waren braun und man verlor alle Müdigkeit, wenn man in diese Augen sah. Man wurde geradezu hellwach. Das Mädchen hatte eine eigenartige, besondere Ausstrahlung.
Sie erschien einem hellwach und voller Energie und man konnte sehen, dass sie kaum stillhalten konnte, denn sie verlagerte ihr Gewicht jede zehn Sekunden auf ein anderes Bein. Dann bemerkte das Mädchen Marikos nachdenklichen Blick, der auf sie gerichtet war und lächelte Mariko zu. „Gut, dann setz dich doch bitte dahinten hin, da ist noch ein freier Platz“, bat der Lehrer und schob sie freundlich lächelnd in die Richtung, in die er deutete. Das Mädchen nickte und setzte sich eine Reihe hinter Mariko neben ein Mädchen. Mariko hatte ihr zugesehen, wie sie sich auf den noch freien Platz gesetzt hatte, drehte sich dann aber wieder um, als der Lehrer den Unterricht fortführte. 

Akatsuki - reale MassenmörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt