Jeden einzelnen...

161 10 0
                                    

Wir tauchen in einem Raum auf, der verdammt groß ist. Lauter Computer stehen herum. Menschen arbeiten daran. Sicherheitsleute bewachen die Eingänge. Alucard beginnt mit dem schießen. Seras stürzt sich selbst in den Kampf. Chaos bricht aus. Schreie werden laut. Dass ich hier einem Massenmord zusehen muss, darauf war ICH nicht gefasst. Menschen klappen einfach so in sich zusammen. Versuchen zu fliehen, doch Seras hält sie auf. Ich bleibe hinter Alucard stehen, der sich auch um die Kameras kümmert, die einen Moment später zerschossen entweder an der Wand hängen, oder auf dem Boden neben einigen Leichen liegen. Irgendwann dreht sich Alucard im Kreis und schießt auch über mich hinweg. Lädt nach, als wäre es nichts und erledigt in Zusammenarbeit mit Seras den ganzen Raum. Die Schüsse hallen in meinen Ohren wider. Der Horror in den Gesichtern der Menschen wird mich verfolgen. Der Unglauben.

Ich zucke zusammen, als ein Alarm los geht. "Mistviecher.", zischt der schwarzhaarige und beugt sich zu mir hinunter. Legt mir sanft seine Lippen auf meine und löst sich wieder. "Nicht du." Dann dreht er sich um und sieht zu Seras. "Kümmere du dich um den Alarm. Ich..." Grinsend wechselt er erneut das Magazin. "Bin für den Rest zuständig." Die blondhaarige Frau, deren Augen nun rot leuchten, nickt. "Jawohl, Meister!" Und schon läuft sie über die Leichen hinweg und verschwindet. "Du weißt, was du zu tun hast?" Auch ich nicke. "Pass auf dich auf. Wenn irgendetwas nicht stimmen sollte, sag mir gedanklich Bescheid, in Ordnung?" Ich lächle, als er eine Hand an meine Wange legt. "Mach ich. Du passt auch auf dich auf, klar? Und jetzt geh. Ich bin ein großes Mädchen." Ein Kuss auf die Stirn. "Ich weiß.", raunt er mir zu und geht ebenfalls den Weg, den Seras genommen hat. Ich sehe ihm hinterher, bis er weg ist, ehe ich mich im Raum umsehe. Geil.

Hier stehen 18 verschiedene Computer. Mit eigenen Rechnern! Nicht nur die Bildschirme. Ich werde mich durch alle durchprobieren müssen. "Tut mir leid.", murmle ich, als ich einen Toten von seinem Platz schubse und den angeschalteten PC durchforste, ob es interessante Dinge gibt. Ich stecke den Stick ein und übertrage die ersten Daten. Sehe mich dabei um. Wenn hier jeder seinen eigenen Rechner hat, wird wohl auch jeder seine eigenen Daten haben. Das nervt. Ich müsste an sich wahrscheinlich alle PCs in dieser Anlage durchforsten, weil sie höchstwahrscheinlich kein gemeinsames Laufwerk haben. Das wäre dann doch zu einfach. Sicherheit geht vor und 1999 waren die PCs mit der Sicherheit nicht so hoch, wie es bei jetzigen Firmen der Fall ist. Aber es muss doch einen Hauptrechner geben, auf dem alles zusammen läuft, oder nicht? Trotzdem werde ich erst einmal alle Daten rüber spielen.

Das dauert eine Ewigkeit. Alle 18 Rechner anzapfen und die Daten übertragen. Aber ich bin überrascht, dass der Stick das aushält. Marke Hellsing halt. Nach dem letzten Rechner hänge ich mir den Stick wieder um und habe die großartige Aufgabe, die Leichen zu durchsuchen. Vielleicht finde ich ja Hinweise. Blind mache ich mich nicht auf die Suche. Wie beim gaming! Erst einmal looten, bevor man weiter geht. Auch, wenn das bei echten Menschen ein wenig makaber ist. Dass ich mir die Hände schmutzig, oder in diesem Falle blutig, mache, ist mir relativ egal. Zumindest in dieser Situation. Schlüssel. Geldbeutel. Irgendwelche Bürogegenstände. Stifte. Die wahrscheinlich wichtigen Firmenausweise und -karten behalte ich mir. Wer weiß, was für ein Sicherheitssystem die hier haben, um in geschlossene Räume zu kommen. Und bei einem relativ jungen Mann, vielleicht in meinem Alter, finde ich einen Zettel auf der Rückseite einer der Karten. Er scheint neu zu sein. Irgendein Code wurde aufgeschrieben. Mit einem Schmunzeln richte ich mich auf. Mal sehen, zu was er mich führt.

Vorsichtig sehe ich aus dem Raum heraus. Ein Weg geht nach links. Einer nach rechts. Ich habe eine 50/50 Chance. Aber ich muss wahrscheinlich eh in beide Richtungen! Also gehe ich einfach mal nach rechts. Schleiche den Gang entlang. Sehe vorsichtig in jeden einzelnen Raum, der sich mir hier erschließt und steige über die Leichen, sollte sich in diesem Raum ein PC befinden. Oder ein Laptop. Die Dinge sehe ich zwar selten, aber sie sind ja schon erfunden. Hin und wieder habe ich ein Problem, was ich aber ganz schnell lösen kann. Passwörter sind mein größter Feind. Doch in jedem Raum durchsuche ich die Leichen und irgendwann scheine ich einen Mann gefunden zu haben, der wohl etwas mehr wissen muss. Denn er hat ein kleines Notizbüchlein und ich habe den Checkpot gewonnen, als in diesem Büchlein ein paar Passwörter stehen. Also kann ich mich zurück zu den anderen schleichen und dort die Passwörter ausprobieren, bis ich die richtigen für die richtigen Rechner gefunden habe. Und dann sag noch einer, dass ich nicht allein arbeiten kann! Hehe... Ein hoch auf solche kleinen Dinge!

Immer wieder höre ich schreie. Schüsse. Hier scheint es viele Leute zu geben. Jetzt nicht mehr. Es ist komisch zu wissen, dass man hier einfach so über Menschen steigt, die wegen Daten, an denen sie gearbeitet haben, getötet werden. Wegen ihrer Arbeit werden sie ihre Familien nie wieder sehen. Oder die Familien sie, wenn man es so drehen möchte. Meine Augen verfolgen den Ladebalken der Datenübertragung. Immer wieder sehe ich zur Tür und dann wieder auf den Bildschirm. Schneller. Komm schon! Hallende Schritte auf dem Gang. Sofort hebe ich meinen Kopf und sehe erneut zur Tür. Höre genauer hin. Das sind nicht die Schritte von Seras. Aber auch nicht von Alucard! Fuck. Leicht panisch sehe ich mich um. Okay. Wo kann ich mich am besten verstecken? Das hier ist ein kleiner Konferenzraum. Ohne irgendwelche Schränke. Keine andere Tür. Die Leichen auf den Stühlen liegen entweder auf dem Tisch, oder hängen in den Stühlen drin, als wären sie tiefenentspannt. Ich komme hier nicht raus. Und ich brauche diese beschissenen Daten! Fuck, Fuck, Fuck, Fuck! Alucard kann auch nicht schnell genug da sein da er nicht weiß, wo ich bin. Spontan fällt mir nur eines ein. Den Laptop, an dem ich gerade arbeite, klappe ich schnell zu, krabble unter den Tisch, lege ihn auf den Schoss eines Toten, lege seine noch leicht warme Hand auf ihn drauf und verstecke das Band, ehe ich mich so verschanze, dass man mich unter dem Tisch nicht sehen kann. Angespannt halte ich die Luft an, als die Tür aufgeht. Mir unbekannte Schuhe kommen in mein Blickfeld und mein Atem wird flach, nachdem ich langsam ausgeatmet habe.

Point of no returnWhere stories live. Discover now