Die Wahrheit ist doch was schönes

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Im nächsten Augenblick ist alles schwarz. Blinzelnd richte ich mich auf. Sehe mich um. Es braucht ein paar Augenblicke, ehe ich mich orientieren kann. Und meine Sicht besser wird. Aus dem kompletten Schwarz kristallisieren sich verschiedene Dinge heraus. Ein Schreibtisch mit einem Stuhl. Ein kleiner Kühlschrank. Ein Kleiderschrank. Zwei Türen. Sofort sehe ich unter mich. Ich liege auf einer Matratze. Irritiert runzle ich die Stirn und drehe meinen Kopf von links nach rechts. Ich bin... doch nicht in meiner Welt? Überrascht tatsche ich mich ab. Ich lebe noch? Verdammte scheiße... ich lebe! Testweise lege ich zwei Finger an mein linkes Handgelenk. Nichts. Gut, kann mal vorkommen. Also zwei Finger an meinen Hals. Aber... auch hier. Kein Puls. Einerseits bin ich erleichtert, dass ich wieder hier bin. Andererseits frage ich mich, WARUM ich hier noch lebe, obwohl ich nicht... lebe.

Zwar spüre ich, dass etwas auf mich zukommt, aber ich werde trotzdem von Alucard überrascht, der neben mir aus der Wand kommt und einfach nur auf mir landet. Mich fest in seinen Armen hält. Sich auf den Rücken dreht, sodass ich auf ihm drauf liege und mich noch fester drückt. Unwissend, was ich mit so viel Liebe auf einmal tun soll, lasse ich es über mich ergehen. "Du hast es geschafft. Du hast es geschafft!", flüstert er und ich sehe zu ihm. Kann ihm in die nun rot leuchtenden Augen sehen. "Was auch immer ich geschafft habe... yay?" Alucard nimmt eine Hand von meinem Rücken und legt sie an meine Wange. "Du bist eine Draculina. Und anscheinend hast du Hunger, ansonsten wäre dir das schon längst aufgefallen." Verstehend nicke ich. "Erklärt so einiges. Erklärt so einiges..." Anscheinend kann ich im Dunkeln sehen. Das, was ich gespürt habe, war seine Aura. Und es erklärt auch, warum ich keinen Herzschlag spüren kann. Es schlägt einfach nicht, wenn du tot bist.

Nach ein paar Augenblicken entspanne ich mich komplett. "Jag mir nie wieder so einen Schreck ein, verstanden? Dich sterben zu sehen... nie wieder. Bitte." Langsam rutsche ich zu ihm hoch und lächle. "Keine Sorge. Mit sterben wird das eh so eine Sache jetzt." Sanft liegen meine Lippen auf seinen. Und ich zwinge ihn richtiggehend, nicht zu forsch zu sein. Ruhig zu bleiben. Ich spüre, wie er sich zurückhalten muss. Die ganze Liebe ist über das Band spürbar. "Ich liebe dich, Alucard. Und nichts und niemand wird mich, vor allem jetzt nicht mehr, davon abhalten, dir eine Ewigkeit auf die Nerven zu gehen." Der schwarzhaarige setzt sich auf, sodass ich bis auf seinen Schoss zurück rutsche und zu ihm hoch sehe. Seinen Kopf senkt er bis zu meinem Hals hinunter und atmet tief ein. Ein leises Knurren ertönt, als er mit der Zungenspitze darüber streicht. Ein kurzer Schmerz durchzuckt mich, welcher sich aber schnell in ein Glücksgefühl umwandelt. Und ich folge meinem Instinkt. Und der sagt mir, dass es Zeit fürs Essen ist. Leicht drehe ich meinen Kopf und versenke meine leicht juckenden Zähne in seinem Hals. Noch nie dachte ich, dass Blut so gut schmecken könnte.

Alucard lässt zwar los, aber ich nicht. Noch nicht. Meine Kiefer jucken immer noch. Verlangen nach mehr! Nur zögerlich und mit einiges an Willenskraft ziehe ich die Zähne raus und verschließe die Wunde so, wie es Alucard immer macht. Wieder werde ich an ihn gedrückt. "Ich will dich nie verlieren. Niemals. Versprich mir, dass du das nie zulässt." Die Verletzlichkeit in seiner Stimme lässt mich aufhorchen. Vorsichtig lehne ich mich nach hinten und sehe ihm direkt in die roten Augen. "Ich verspreche, dass ich dich nie freiwillig verlassen werde. Man wird eine verdammte Armee brauchen, in Ordnung?" Wieder liegen seine Lippen auf meinen. Und diesmal ist er ziemlich sanft. Leckt mir sogar sein eigenes Blut vom Mundwinkel, ehe er sich aufrichtet. "Auch, wenn ich einfach nur hier mit dir sein möchte. Allein. Und wir einiges zum Nachholen haben, Prinzessin!" Seine Augen blitzen vielsagend auf, ehe er zur Tür sieht. "Lady Integra wollte dich sehen, sobald es dir besser ging, falls du aufwachen solltest."

Entgegen unserer beider Willen stehen wir auf und ich brauche noch einen Moment. An einen toten Kreislauf muss man sich auch erst einmal gewöhnen. Jeden meiner Schritte beobachtet Alucard mit Besorgnis. Als würde er ein Baby überwachen, dass die ersten Schritte macht. "Ich übe für später, Prinzessin. Und jetzt komm." Mit hochgezogenen Augenbrauen bleibe ich stehen und sehe ihn an. Für... später? Hallo? "Natürlich erst, wenn du so weit bist, aber-" "Alucard. Ich bin 22. Ich habe so meine Probleme mit Babys. Sie mögen mich! Aber ich sie nicht." Der schwarzhaarige sieht mich schmunzelnd an. "Das werden wir noch sehen." Kopfschüttelnd gehe ich auf die Tür zu. "Und seit wann stehst du bitte auf eigene Kinder? Bist du nicht eher- Woah!" Jap. Anstatt den Türgriff in der Hand zu halten, falle ich einmal durch die Tür durch und kann mich auf der anderen Seite wieder aufrichten. "Du lernst schnell. Gut. Kommst du? Die Lady wartet nicht gern." Als wäre nie etwas geschehen, kommt Alucard ebenfalls durch die Tür und geht den Gang entlang. Ich folge ihm und runzle die Stirn. "Ich würds auch gern kontrollieren können!"

Und wieder falle ich fast auf die Schnauze, als ich die Tür zu Integras Büro öffnen möchte. Alucard kommt nur lachend hinter mir her und ich sehe ihn genervt an. "Lach weiter und ich beiße WIRKLICH zu!", zische ich und er grinst. "Glaub mir. Das Einzige, woran du im Moment kommen wirst, ist mein Hals. Und während dem Sex wirst du sicherlich nicht an beißen denken. Und du weißt, was ich alles mit meiner Zunge kann." Sofort verstumme ich und presse meine Lippen aufeinander. Sehe auf den Boden. Das Blut hat halt anscheinend immer noch so die ein oder andere Wirkung auf die Wahrheit. Das Räuspern der Lady lässt Alucard merken, was er laut gesagt hat und er richtet sich selbst auf. Ich hingegen muss mir dann doch irgendwie das Lachen verkneifen. Hebe meine Hand vor meinen Mund. Nicht jetzt, Flo. Ganz dummer Zeitpunkt! Reiß dich zusammen! Aber das geht nicht lange gut. Das schallende Gelächter bricht aus mir raus und ich klatsche in meine Hände, während ich mich nach vorn beuge. Luft ist nicht mehr essenziell. Aber das ist halt noch der Reflex. Alucard beobachtet mich mit einer gewissen Mordlust in seinen Augen. Seras und Integra tauschen Blicke aus und ich sterbe hier fast ein zweites Mal am Lachen. 

Point of no returnWhere stories live. Discover now