Kleines Sensibelchen

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Seufzend lasse ich mich wieder auf die Matratze fallen und starre an die Decke. "Entweder zu stur, um zu sterben... oder zu dumm. Suchen Sie sich eins aus." Diesmal kommt das leise Prusten von Alucard und Integra und ich sehen zu ihm. Auch er räuspert sich. "Wie war das mit dem Armselig?", murrt er entgeistert, ehe er wieder die Arme verschränkt. "Ey. Alucard... Einspruch!" Doch von ihm kommt nichts mehr. "Florentina Kindred. Ich darf so ehrlich sein und sagen, dass du nicht wie eine Florentina aussiehst." Auf der Matratze drehe ich meinen Kopf zu Integra und nicke. "Ich weiß. Deswegen bin ich auch für Flo. Klingt mehr draufgängerisch. Nicht so weiblich. Elegant. Seriös. Sie wissen, was ich meine." Wieder sehe ich an die Decke. "Der Name war ja auch nicht meine Entscheidung. Aber man lebt damit. So... wie ich mit allem anderen irgendwie leben muss."

Es wird noch ein wenig geredet. Darüber, dass ich verdammt viel Risiko eingegangen bin. Dass ich das nicht hätte tun sollen. Dass Pip ja eigentlich erfahren genug ist, um nicht allein herum zu schleichen und mich hätte raushalten sollen. Aber ich bringe im Gegenzug raus, dass Pip etwas gehört hat und mich nicht allein stehen lassen wollte, nachdem ich so down war. Und er wollte mich raushalten, in dem ich am Anwesen stehen bleiben sollte. Ich ihm aber trotzdem nach bin, weil ich mir sorgen gemacht habe. "Du bist ihm ohne Waffe und Kampfkraft hinterher...?" Inzwischen habe ich mich aufgesetzt und lehne, immer noch in der Decke eingewickelt, am Bettgestell. Mich räuspernd sehe ich auf die Seite. "Da war ne Pistole. Und ein bisschen kann ich das ja..." Laut zieht Integra die Luft ein. "Und wie war das von wegen, dass du Pip von dir weg stößt und dich selbst alleine da hin stellst?"

Ouh... Ich werde ein wenig kleiner und sehe nun direkt vor mich auf die Matratze. "Ich hatte zu dem Zeitpunkt komplett vergessen, dass ich kein Problem mit Ghulen hab. Ich wusste nur, dass ich langsam bin. Keine Ausdauer habe. Ich hätte Pip zu einem Opfer gemacht, wenn er in meinem Tempo weitergelaufen wäre! Also habe ich mich losgerissen, das Magazin entleert und... joa. Ich wusste erst wieder, dass Ghule und ich kein Problem haben, als sie einfach an mir vorbei gerannt sind." Mit zusammengepressten Lippen sitze ich da. Spiele ein wenig unsicher mit den Fingerspitzen meiner Zeigefinger und warte auf den Anschiss. "Jemand aus einer anderen Welt würde einfach so einen der meinen retten?" Da ich das als Frage aufnehme, hebe ich meinen Kopf und sehe die Frau an. "Pip hat mich beruhigt und er war echt nett zu mir. Er war so zuversichtlich, dass ich wieder zurückkommen könnte!" Nickend werde ich ein wenig ernst. "Wenn es in meiner Möglichkeit steht, versuche ich alles, damit solchen Leuten nichts passiert."

Stille. Ich kann nicht erkennen, wie Integra darauf reagiert, weil sie es nicht nach außen trägt. "Ich weiß, dass ist wahrscheinlich kindisch und man kann mich schnell ausnutzen. Klar, ist es nicht das Beste gewesen, wenn man es im Nachhinein sieht. Und ich weiß, dass es komisch klingt! Aber... so bin ich halt. Wenn man sich einmal in meinen Kreis gebracht hat, tue ich alles, was in meiner kleinen Macht steht. Daheim, in meiner Welt..." Amüsiert schnaube ich und schmunzle. Sehe wieder auf die Matratze, da ich alles bildlich vor mir habe. "Ich habe für meine beste Freundin die Polizei angelogen. Ich habe für sie ein paar Leute manipuliert. Ich habe sie aus toxischen Beziehungen rausgeholt und mir dafür im wahrsten Sinne des Wortes die Prügel von den anderen geholt." Alucard gibt einen Laut von sich, den man am besten mit einem "Bah...", vergleichen könnte. Meine Augen treffen seine. "Du hast dich ausnutzen lassen, damit man deine Fähigkeit benutzen kann. Ich dachte eigentlich, dass der Spruch 'Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Beinen', bei dir auch gelten würde. Aber scheinbar ist dein Köpfchen doch nicht so schlau."

Leichte Aggressionen tauchen auf. Er hat damit meine beste Freundin einfach so beleidigt! Dennoch reiße ich mich zusammen. "Lass mich dir etwas sagen, Alucard. Im Gegensatz dazu war sie Tag und Nacht für mich da. Wir wohnten nicht weit entfernt. Wie oft bin ich vor ihrer Tür gestanden und das mitten in der Nacht? Wie oft stand sie da, wenn sie wusste, dass es mir schlecht ging? Wie oft hat sie mich verteidigt? Egal, ob ich da war oder nicht? Wie oft saßen wir einfach nur da und ich habe die Umarmungen gebraucht? Das Kopfkraulen? Junge..." Kopfschüttelnd lehne ich mich nach hinten. "Halt die Klappe, wenn du nicht weißt, von was du redest. Wenn du nicht beide Seiten kennst. Du hast ja nicht einmal eine Ahnung, was richtige Freundschaft ist! Sie ist wie eine kleine Schwester! SIE-" Ich merke, dass ich lauter und auch ungestümer werde. Mich selbst beruhigend, atme ich tief durch. "Sie ist meine emotionale Stütze. Sie ist die Person, der ich als einziges 100% vertraue." Mich weiter in die Decke vergrabend, sehe ich gerade aus. Weder zu Integra, noch zu ihm. "Also Schnauze."

Ein leises Seufzen ertönt. "Du solltest wirklich netter zu ihm sein. Immerhin ist er ein Teil der Organisation, die dir helfen wird zurück zu kehren." Stirnrunzelnd sehe ich zu ihr. "Ich bleibe hier?" Von Alucard kommt ebenfalls ein leicht ungläubiges: "Die bleibt hier?" Integra ignoriert den Vampir und sieht zu mir. Nickt ernst. "Du hast Pip retten wollen. Nenn es einen Gefallen. Und außerdem..." Sie schnaubt amüsiert und geht zur Tür. "Alucard kann den ein oder anderen Gegenwind gebrauchen. Nur übertreib es nicht, klar? Auch er ist hin und wieder ein kleines Sensibelchen." Besagtes 'Sensibelchen' starrt die Lady stinksauer an, als sie an ihm vorbei nach draußen geht und die Tür schließt. Ich bin still. Lächle vor mich hin. Integra wird mir helfen, nach Hause zu kommen! Ich könnte bald wieder hier weg sein. Ich könnte bald wieder zu meiner Familie und meinen Freunden! "Grins nicht so beschissen.", knurrt der schwarzhaarige entgeistert und ich sehe zu ihm. Schüttle nur den Kopf. "Vergiss es." Denn die Hoffnung kann und wird mir niemand nehmen.

Point of no returnWhere stories live. Discover now