Kapitel 14

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Kapitel 14

Meine Schwester, Nathan und ich verbachten den verbliebenen Mittag im Wohnzimmer. Wir unterhielten uns über die verschiedensten Themen, aber vor allem über Nathans Leben.
"Das musst du mir nochmal erklären. Du hast einen Angestellten, der nur dafür da ist die Fenster zu putzen?" lachte Elise. Es war so unvorstellbar, dass man jemand anderen bezahlte um seine Fenster sauber zu halten. Aber dafür auch noch eine Vollzeitarbeitsstelle zu vergeben, weil man so viele Fenster hatte, grenzte an puren Wahnsinn.
"Wir haben recht viele Fenster, die vom Boden bis zu Decke reichen, also ist das nötig, wenn man aus allen heraussehen will und nicht nur aus ein paar Ausgewählten." erklärte er mit einem schiefen Grinsen im Gesicht. Für ihn war der Gedanke selbst zu putzen genauso abwegig, wie für Elise und mich jemanden dafür zu bezahlen.
"Allein um aus allen Fenstern einmal herauszusehen braucht man doch Stunden!" lachte Elise weiter. Ich konnte nicht anders und lachte ebenfalls mit. Lieber lachten wir über die Ungerechtigkeit der Welt, als dass wir darüber Tränen vergossen. Das hatten wir schon oft genug getan. Außerdem würde ich bald ebenfalls diese Ansprüche an den Tag legen können. Als Ehefrau des Grafens.
"Nicht unbedingt mehrere Stunden, aber schon recht lang." ergänzte Nathan. Er hatte sich auf das Sofa gelümmelt, was nicht sehr grafenhaft aussah und strich mir ab und zu über den Arm.
"Du musst mich unbedingt herumführen und mir alle deine Fenster zeigen!" schlug ich ihm vor, worauf er lachte.
"Dann solltest du einiges an Proviant mitnehmen." Er drückte mir einen kleinen und unschuldigen Kuss auf die Schulter. Ein leises "Aww" war von dem Sessel zu hören, auf dem Elise saß. Sie hatte sich eine Decke übergeworfen, da wir noch immer kein neues Feuerholz hatten. Doch die Kälte bemerkte ich mit Nathan neben mir gar nicht. Sein Körper wärmte mich auf und dazu lenkte er mich auch noch ab.

Wieder öffnete sich die Wohnungstür mit einem lauten Knarzen. Einerseits war das praktisch, da man immer wusste, wann jemand die Wohnung betrat, andererseits tat es in den Ohren weh und war ein erneutes Zeichen unserer Armut. Zum Glück war Nathan zu höflich, um dieses Thema anzusprechen.
Man konnte die Schritte meiner Mutter hören, die sie ins Wohnzimmer trugen. Sie war erschöpft, das wusste ich bereits jetzt. Dann ging sie immer anders, als wenn sie gut gelaunt war. Schwerfälliger und langsamer. Nathan setzte sich auf und nahm eine gerade Körperhaltung ein.
"Mädchen? Seid ihr da?" Meine Mutter betrat das Wohnzimmer und erstarrte bei dem Anblick von Nathan. Sie mochte keine Fremden in ihrer Wohnung. Es war ihr peinlich.
"Hallo." begrüßte sie ihn steif. Ein nach Erklärung suchender Blick traf nacheinander meine Schwester und mich. Elise sprang als erste auf und bat meiner Mutter den Sessel an, während sie sich auf die verblassten Kissen vor den Ofen setzte.
"Das ist Nathan, Mama. Er wird ab sofort öfter hier zu Besuch sein. Nicht wahr, Adeline?" sie grinste spitzbübisch. Dabei war der Grund seines Besuches erfreulicher als alles andere, was uns in den letzten Jahren passiert war. Verwirrt blickte mein Mutter mich an, aber versuchte ebenfalls einen guten Eindruck auf Nathan zu machen und ihn anzulächeln.
"Ich mache es kurz und knapp." begann ich und sah hilfesuchend zu meinem Verlobten. "Nathan und ich haben uns verlobt. Wir werden heiraten!" Ich konnte mir den freudigen Tonfall nicht verkneifen. Das war ein Grund zu feiern!
"Verlobt?" Mama musterte meinen zukünftigen Ehemann. Er trug edle Kleidung die seinen Stand sofort jedem offenbarte. Seine Körperhaltung tat ihr übrigens.
"Erzähle doch etwas über dich." Sie lehnte sich im Stuhl nach vorne und stützte die Arme auf ihren Knien auf. Nathan blickte kurz zu mir. Mit einem Lächeln bedeutete ich ihm, dass es gut war und er gerne anfangen dürfte.
Er erzählte etwas über seine Familie und seine Arbeit, den Titel Graf ließ er allerdings außen vor. Trotzdem konnte man erkennen, dass er um einiges wohlhabender war als wir. Etwas, das meiner Mutter imponierte. Nicht weil sie sich Geld für sich erhoffte, sondern weil es Sicherheit für ihre Tochter bedeutete.
"Das klingt doch ganz ordentlich. Sag mal Nathan, wie heißt du denn mit Nachnamen?" fragte sie weiter.
"Mein Name ist von Blome. Ich bin der Sohn von Alexander von Blome." erzählte er mit einem stolzen Lächeln. Auf diese Abstammung konnte man wirklich stolz sein. Meine Mutter stutzte einen Moment. Man konnte fast sehen, wie die Zahnräder im Kopf sich langsam ineinander fügten.
"Der Graf? Du bist der Sohn des Grafens?"
"War. Er ist leider vor einiger Zeit verstorben. Aber ja, mein Vater war der Graf." erklärte er ihr. Ihre Augen wurden immer größer. Es musste ein ziemlicher Schock sein einen Grafen im Haus zu haben, vor allem, wenn er sich mit der eigenen Tochter verloben wollte.
"Kann ich dich kurz sprechen, Adeline?" Sie sah mir streng in die Augen. Ein Blick, der kein Nein zuließ.

Zusammen gingen wir in die Küche.
"Ist das euer Ernst? Oder spielt du und Elise mir wieder einen Streich?" Diese Situation war so unglaubwürdig, dass mich diese Reaktion nicht wunderte.
"Nein. Ich möchte Nathan heiraten und ich hoffe sehr, dass du ihn auch in unserer Familie begrüßt." erklärte ich ihr. Mir war es sehr wichtig den Segen meiner Mutter zu haben, wenn ich heiratete. Bis jetzt hatte ich auch gar nicht darüber nachgedacht, was ich tun sollte, wenn meine Mutter ihn nicht mochte.
"Bitte tu das nicht nur, weil es das Geld knapp ist. Da gibt es andere Wege. Du musst niemanden heiraten, nur deshalb." Sie legte behutsam ihre Hand auf meine Schulter.
"Es geht nichts um Geld, Mama. Ich habe mich in ihn verliebt. Sein Wohlstand ist nur ein kleines Extra. Ich würde ihn auch ohne heiraten." Ihr Blick wurde weicher.
"Ich möchte nur, dass du glücklich bist, mein Schatz. Das Ganze kommt nur ein wenig plötzlich, musst du wissen. Ich habe nicht mit einem Verlobten gerechnet, als ich von der Arbeit nach Hause gegangen bin." Es war wirklich plötzlich. Immerhin hatte niemand Nathan zuvor gesehen. Er war ein völliger Fremder.
"Das weiß ich. Aber ich kann dir versichern, dass er ein wirklich netter Mann ist. Er respektiert mich und würde mir nichts Schlechtes tun. Das versichere ich dir."
"Tu mir nur einen Gefallen. Passe bitte auf dich auf. Manchmal verändern sich Männer nach einiger Zeit. Sie bleiben nicht immer so respektvoll wie sie am Anfang waren. Besonders wenn er so viel Macht hat wie ein Graf." erklärte sie mir und strich über meinen Arm. Sie hatte Recht. Zu oft hatte ich von Frauen mit aggressiven Ehemännern gehört. Zu ihnen wollte ich nicht gehören. Nathan kam mir aber nicht wie ein gewalttätiger Mensch vor. Mir war klar, dass ich mich auch in ihn täuschen könnte, aber darüber wollte ich nicht nachdenken.
"Das werde ich." Sie lächelte und gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn. Das hatten sie und Papa immer getan, wenn sie mich ins Bett brachten. Damals als ich noch klein und die Welt perfekt war.

Der süße Geschmack von BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt