Kapitel 4

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Kapitel 4

Nach einer kleinen Wartezeit stand ich vor dem Einlasser. Ein ernster Mann mit einer edlen Uniform, die ihm passte, wie maßgeschneidert. Er hob kurz seinen Blick von dem Klemmbrett in seiner Hand und sah mich an.

"Name?" fragte er in monotoner Stimme. Wie viele Namen er heute wohl hörte?
"Adeline Durand." antwortete ich ihm. Er nickte und schrieb etwas auf. Anschließend deutete er auf das offenstehende Tor des Anwesen. Es war hell erleuchtet und mit Bändern geschmückt. Es sah richtig einladend aus, nicht so abschreckend wie sonst. Denn normalerweise sollte dieses Eisentor die Armen abhalten, die den Grafen um Almosen anbettelten oder ihn bestehlen würden. Und genau in dieses Anwesen konnte ich nun ungehindert hineinmarschieren. Schmunzelt ging ich durch das Tor durch und sah mich neugierig um. Hier im Hof standen nur noch wenige Gäste, die meisten befanden sich bestimmt schon drinnen. Mir gefiel das Haus von Nahem noch besser als ohnehin schon. Dieses Gebäude war perfekt, ganz anders als mein Zuhause. Keine Schäden waren sichtbar, nicht mal Stellen an den sich die beige Farbe abgerieben hätte. Man könnte meinen, jemand würde jeden Tag nachstreichen. Vielleicht war das ja sogar wahr.

Nachdem ich die Schönheit der Fassade genug bewundert hatte, beschloss ich, dass es Zeit wurde nach drinnen zu gehen und mich unter das Volk zu mischen. Ich war ein wenig nervös, dass mir doch alles zu steif und gehoben war, doch eventuell täuschte ich mich. Adelige waren schließlich auch nur Menschen. Obwohl sie dies manchmal bestritten.

Als ich, nervös wie ich war, den Raum betrat, staunte ich nicht schlecht. Der Saal war riesig und hell erleuchtet. Über all schwirrten Kellner herum und boten Snacks und Getränke an, welche ich noch nie gesehen hatte. Sie spazierten durch die Massen und balancierten dabei die Platten auf einer Hand. Ich war beeindruckt, ich wäre schon längst gegen jemanden gelaufen oder hätte alles verschüttet. Mich weiter umsehend stellte ich mich neben einen Pfeiler. Die Tanzfläche war umringt von vier dieser Säulen, weshalb ich von hier aus einen guten Blick auf das Geschehen hatte. Die jungen Männer und Frauen tanzten einen Walzer, der von außen ziemlich schwierig aussah. Sie wirbelten regelrecht umher und schienen eine Menge Spaß zu haben. Den Tanz kannte ich zwar nicht und besonders geschickt auf den Beinen war ich ebenfalls nicht, aber man konnte sich ja noch anders amüsieren. So sah ich erst mal den Paaren zu, wie sie sich auf dem Parkett vergnügten und lachten. Ich entdeckte sogar ein Paar, dass enger tanzte als alle anderen. Hin und wieder drückten sie sich einen Kuss auf die Lippen. Ich musste lächeln. Das musste schön sein. So glücklich zu sein, war ein wahrer Hauptgewinn.

Nach einer Weile in der ich die Kleider der Gäste analysierte und dabei feststellte, dass ich gar nicht so herausstach wie ich befürchtete, lies ich die Säule, die mir als Begleitung diente, alleine. Mein Magen verlangte ein Opfer, sonst würde er vor versammelter Mannschaft das Jaulen beginnen. Das wusste ich zu vermeiden. Ich schritt auf einen der Kellner zu und lächelte ihn an. Sofort nickte er mir höflich zu und hielt mir seine Platte hin. Auf ihr befanden sich viele kleine Pasteten. Gut duftend und lecker gebräunt. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Sowas hatte ich schon ewig nicht mehr gegessen! Am liebsten hätte ich dem Kellner die gesamte Platte aus den Händen gerissen. Stattdessen nahm ich mir nur eines. So wie es der Anstand gebot.
"Was für eine Füllung haben die Pasteten?" fragte ich den Kellner neugierig. Erst jetzt sah ich ihn mir richtig an. Er hatte blonde Haare und strahlend blaue Augen. Außerdem zierte leichte Stoppeln sein Kinn. Hübsch. Eindeutig ein schöner Mann.

"Pilz-Ragout. Ich hoffe sie schmecken Ihnen, Miss." Ich lächelte. So höflich angesprochen wurde man in meiner Kleinstadt nicht. Man kannte sich dort schließlich auch viel besser und musste kein Image wahren. Zumindest war das Image dort nicht ganz so wichtig. Ich blickte ihm weiterhin in die Augen. Hatte ich schon einmal erwähnt, dass ich eine Schwäche für hübsche Männer hatte? Eigentlich für hübsche Menschen im Allgemeinen, aber bei Männer imponierte es mir am Meisten.
"Ganz bestimmt." Ich wusste zwar nicht, was ein Ragout war, aber da ich Pilze mochte, musste es schmecken. Ich biss vorsichtig in die Pastete hinein. Vielleicht hatte sie ja Flüssigkeit im Kern und ich war bedacht darauf, dass kein Fleck dieses Kleid verschandeln sollte. Es war schließlich eine Menge Arbeit es zu nähen. Und Flora wollte es morgen wieder haben. Sie hatte vor es an einem anderen Anlass im frühen Winter zu tragen. Das würde zwar noch dauern, aber in meinem kleinen Zimmer war kein Platz für so ein bauschiges Prinzessinnenkleid.
"Was sagen Sie, Miss?" Der hübsche Kellner betrachtete mich eingehend. In nur kürzester Zeit hatte ich die Pastete aufgegessen und lächelte ihn äußerst zufrieden an.
"Sie war wirklich ausgezeichnet. Mein höchstes Lob an den Koch." Er grinste bis über beide Ohren. Es sah fast so aus, als würde man hier nur selten Lob zuhören bekommen. Das war für Bedienstete nicht ungewöhnlich. Sie waren die Ausstattung des Hauses, nichts anderes als ein Möbelstück. Und Möbel brauchten kein Lob.

"Darf ich Sie auf einen Tanz einladen, meine Dame?" Ich zuckte ein wenig zusammen, als mich ein groß gewachsener Mann ansprach. Seine dunkelbraunen Haare schimmerten im Licht des Kronleuchters. Er hatte eine tiefe Stimme, welche mir eine angenehme Gänsehaut bereitete. Ich sagte ohne lange zu überlegen zu. Ich wollte ja auf Jagd gehen, vielleicht war dies der Moment.
"Gerne." Ich lächelte ihn offen an und reichte ihm meine Hand. Er umschloss sie mit seinen warmen Fingern. Der Fremde blickte mir tief in die Augen und beugte sich nach vorne um einen Kuss auf meine Hand zu hauchen. Ein warmer Windhauch traf meine Haut, aber nicht seine Lippen.
Er führte mich stolz und selbstbewusst an den Rand der Tanzfläche. Mit wenig Druck griff er nach meiner Taille. Mir wurde warm, richtig warm. So nah war ich einem Mann schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Unsicher sah ich zu meinem Tanzpartner nach oben, welcher eine solche Sicherheit in dem was er hier tat ausstrahlte, dass ich mich schnell beruhigte. Er war ein Mann von Adler, der das hier wahrscheinlich regelmäßig tat. Und er musste führen. Es würde also alles gut sein. Ich musste nur die Kontrolle abgeben. Das würde ich schaffen. Ich legte die Hand, die nicht mit seiner verschlungen war auf seine Schulter. Er war wirklich muskulös, das spürte man sogar durch seinen Anzug. Wahnsinn... Man könnte wirklich meinen, dass ich es nötig hatte! Dabei war ich so jungfräulich, wie man es von mir verlang. Und das durfte sich auch nach meiner Jagd nicht ändern.
"Wie ist ihr Name, meine Schöne?" erkundigte er sich. Im selben Moment, begann die Musik wieder zu spielen. Er trat langsam einen Schritt nach hinten, sodass ich genug Zeit hatte ihm zu folgen. Wir tanzten langsam miteinander, als würde er auf meine geringe Tanzerfahrung Rücksicht nehmen. War das denn so eindeutig?
"Adeline. Und Sie?" wisperte ich. Die Musik war laut, doch er verstand mich. Er antworte sofort und zum Glück nannte er nicht seinen eventuellen Adelstitel oder Nachnamen. Vielleicht war das ja gar nicht so wichtig.
"Nathan." 

Der süße Geschmack von BlutWhere stories live. Discover now