Kapitel 3

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Kapitel 3

Ich betrachtete mich selbst im Spiegel vor mir. Meine Lippen waren blutrot und mein Haar zu einem Kranz an meinem Hinterkopf nach oben gesteckt. Meine blauen Augen strahlten und meine Haut hatte einen so schönen hellen, aber gesunden Ton wie ich es schon lange nicht mehr an mir gesehen hatte. Sonst sah ich sehr kränklich aus, doch heute fühlte ich mich richtig wohl in meinem Körper. In diesem Moment war ich so selbstbewusst, dass ich mir sogar gut vorstellen konnte bei Männern den ersten Schritt zu machen. Ich wollte auf Jagd gehen!

Nur noch das Kleid fehlte.

Elise stand hinter mir und schnürte das Korsettband durch die Ösen. Zum Glück hatte das Kleid ein integriertes Korsett. So konnte ich es tragen, obwohl es eigentlich für die viel kurvigere Flora gedacht war. Elise zog an den beiden Enden des Bandes. Das Mieder legte sich nun eng um meine Haut und drückte alles sanft an die richtige Stelle. Wie eine Umarmung, die mir noch einen extra Schuss an Selbstbewusstsein verlieh.

"Ist es so in Ordnung oder ist es zu eng?" fragte Elise. Ich atmete einmal tief ein und aus. Das war problemlos möglich.

"Es ist perfekt so." Elise nicke und band eine kleine Schleife an das untere Ende des Korsetts.

Sie entfernte sich einen Schritt von mir und legte die Hände an die Hüfte. Ich drehte mich für Elise, damit sie mich von allen Seiten betrachten konnte. Mein Rock schwang mit mir und präsentierte das silberne Glitzern der Schneekristalle. Das Annähen der Pailletten war es eindeutig wert! Zwar hatte es ewig gedauert, bis ich den gesamten Rock damit verziert hatte. Es war nämlich wirklich viel Stoff, aber jetzt war ich begeistert. Ich glitzerte und glänzte wie ein Diamant. Elise überprüfte ebenfalls mein Aussehen. Immerhin hatte sie mich geschminkt, mir die Haare gemacht und auch noch geholfen das Kleid anzuziehen. Ich war ihr Werk. Und sie schien stolz darauf zu sein.

"Du bist wirklich wunderschön." hauchte sie mir entgegen. Sie lächelte über das ganze Gesicht. Wieder betrachtete ich mich im Spiegel. Das Kleid drückte alles an die richtigen Stellen. Es betonte meine natürliche schlanke Taille, aber sorgte ebenfalls dafür, dass mein Dekolletee voller und üppiger wirkte. Meine Brust war ziemlich klein, weswegen dieser Anblick mich stark in meiner Weiblichkeit bestätigte. Ich fühlte mich so verführerisch und schön wie schon lange nicht mehr. Und das alles nur wegen einem Kleid, das ich selbst genäht hatte! Ein leises Kichern verließ meine Kehle. Ich war wirklich stolz auf mein Handwerk.

Elise nahm meine Jack von der Garderobe und drückte sie mir in die Hände.
"Es ist immer noch eiskalt, also pack dich gut ein." sagte sie im mütterlichen Ton zu mir. Da kam die große Schwester aus ihr heraus. Sie war immer so fürsorglich, dass ich mir sicher war, dass sie einmal eine fantastische Mutter sein würde.
"Danke. Wenn Mama nach Hause kommt, sag ihr bitte, dass ich bei Flora bin, wegen einem Auftrag für ein Kleid. Sie muss nicht wissen, dass ich mich auf einem Ball amüsiere." Sie nickte. Elise verstand mich. Unsere Mutter hatte nicht viel für Spaß übrig. Sie war immer sehr ernst und hielt Spaß nur für teure Zeitverschwendung. Schließlich konnte man in diesen Momenten auch arbeiten und somit Geld verdienen. Es waren die Jahre an Armut, die sie so denken ließen. Deshalb war sie auch so gut wie nie zuhause. Meine Mutter arbeitete immer. Und wenn sie nicht arbeitete, dann schlief sie, um für den nächsten Arbeitstag halbwegs bei Kräften war.

"Viel Spaß, Adeline! Amüsiere dich gut."
"Das tue ich auf jeden Fall!" versicherte ich meiner Schwester.
Mit einer engen Umarmung verabschiedete ich mich von Elise und verließ unser kleines Haus. Zum Glück war der Weg zu dem Anwesen des Grafens nur einen Fußweg von 20 Minuten entfernt. Denn die Sonne war schon untergegangen und aufgrund der dünnen Schneeschicht auf dem Kopfsteinpflaster hatte ich Angst auszurutschen. Die Schuhe, die ich anhatte hatten zwar nur fünf Zentimeter Absätze, doch sie hatten eine glatte Sohle, sie waren immerhin neu. Eigentlich gehörten sie Flora. Sie wollte diese Schuhe mit dem Kleid, das ich gerade trug kombinieren, doch ihre Krankheit kam ihr dazwischen. Deshalb hatte ich sie mir von ihr geliehen. Sie passten einfach perfekt zu dem Kleid. Sie hatten den selben Blauton und ließen zusammen mit dem Korsett meine Haltung aufrechter und stolzer aussehen, als sie eigentlich war. Der einzige Wehrmutstropfen an ihnen war, dass sie mir eine Größe zu klein waren. Doch das war es mir für einen Tag wert. Und so konnte ich beim Tanzen wenigstens nicht aus ihnen herausrutschen.

Als ich endlich am riesige Anwesen des Grafens angekommen war, staunte ich nicht schlecht. Über allen standen Menschen Schlange um herein gelassen zu werden. Sie alle hatten die feinsten Anzüge und die pompösesten Kleider an, etwas von dem ich nur träumen konnte. Ich würde mich so gerne auf das Schneidern von Ballkleidern spezialisieren, doch damit konnte man keine Aufträge an Land ziehen. Die meisten dieser Gäste kamen nämlich aus der nächstgrößeren Gemeinde, zumindest ging ich davon aus. Zwanzig Kilometer nördlich befand sich eine Stadt, in der nur wohlhabende Menschen lebten, so erzählte man sich das hier. Und wenn der persönliche Schneider direkt um die Ecke wohnte, würde niemand die Entfernung zu mir auf sich nehmen. In meiner Gegend hatte außerdem niemand außer die reichsten zehn Personen Geld sich regelmäßig etwas edles Schneidern zu lassen.

Ich stellte mich zu den anderen Gästen in die Schlange. Das Paar vor mir verströmte einen subtilen, aber angenehmen Duft nach Vanille und Rosen. Ein gutes Parfüm, welches mir ihre Gegenwart sofort angenehm machte. Ich liebte Vanille. Leider konnte ich mir so ein Parfüm nicht leisten und musste mich mit dem Geruch von günstiger Seife zufrieden geben.
Mir fiel erst jetzt auf, dass ich eine der wenigen Frauen ohne männliche Begleitung war. Fast jede der Damen hatte einen Mann an ihrer Seite, bei dem sie sich eingehakt hatten. Ich hatte keinen Anstands-Wau-Wau dabei, aber auch niemanden mit dem ich mich unterhalten oder amüsieren könnte.
Dann musste ich jemanden finden! Bei den vielen Männern, die hier zu Gast waren, würde ich schon jemanden entdecken, der mir sympathisch war. Ich hoffte nur, dass es nicht zu auffällig war, dass ich zu einer ganz anderen Spate an Mensch gehörte. Arbeiter und Bauern waren angeblich nicht besonders beliebt beim Adel. Doch das musste ja keiner erfahren. Solange ich nur gut genug schauspielerte, würde es keiner erkennen. 




A/N:
Ich hoffe euch gefällt die Geschichte soweit. Ich suche nämlich nach Testlesern, um die Geschichte noch weiter zu verbessern. Es wäre toll, wenn sich jemand finden würde, der bereit dazu wäre mir dabei zu helfen^^
Liebe Grüße! ❤️

Der süße Geschmack von BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt