vierundvierzig.

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Eine Woche ist es inzwischen her, dass Aideen aus seinem Leben verschwunden ist. Ashley kann überhaupt nicht mehr zählen, wie oft er vor dem verlassenen Haus der Atwoods stand, in der Hoffnung, dass sie zurückgekehrt wären. Mit Aideen ist ein Teil von ihm gegangen. Seine körperlichen Wunden sind fast vollständig verheilt. Nicht so seine seelischen. Diese klaffen frisch und tief. Wulstige Narben werden zurückbleiben. Er ist sich sicher, dass er sich niemals davon erholen wird. Der Schmerz, den er fühlt, nimmt ihm die Lust an allem. Er vegetiert vor sich hin und fristet sein Dasein. Er geht zur Schule, nicht weil er will, sondern weil er muss und den Rest des Tages kauert er in seinem Zimmer und hört Musik.

„Darf ich hereinkommen?", fragt Cara, die bereits mit einem Fuß in Zimmer ihres Sohnes steht, bevor er sein Okay gegeben hat.

Ashley antwortet nicht.

„Ich mache mir Sorgen um dich", sagt sie.

„Ich vermisse sie", entgegnet Ashley. „Mehr, als dass ich es aushalten kann."

„Ich weiß", versteht Cara. Sie geht auf ihren Sohn zu, setzt sich zu ihm aufs Bett und umarmt ihn, völlig egal, ob er sich dafür zu alt fühlt.

„Bitte komm mir jetzt nicht mit: Irgendwann wird es leichter oder sonst einem Blödsinn", legt er ihr nahe.

„Nein, ich habe nicht vor, etwas dergleichen zu sagen", beteuert sie. „Man gewöhnt sich an den Schmerz, aber verschwinden wird er nie!"

„Warum weißt du das?", wundert sich Ashley.

Cara hält es für an der Zeit, ihrem Sohn ein Geheimnis anzuvertrauen, das Karl und sie lange genug gehütet haben. „Als du gerade einmal elf Monate alt gewesen bist, bin ich wieder schwanger geworden."

Da Ashley ein Einzelkind ist, weiß er, wohin dieses Gespräch führt. „Oh mein Gott, es tut mir so leid."

„Ich bin im siebten Schwangerschaftsmonat gewesen, als ich deinen Bruder tot zur Welt gebracht habe. Auch das ist etwas, über das ich nie hinwegkommen werde. Deswegen weiß ich, dass Zeit nicht alle Wunden heilt."

„Willst du mir etwas über ihn erzählen?", fragt Ash, in der Hoffnung, mehr über seinen Bruder zu erfahren.

„Dein Vater und ich haben ihn stundenlang in unseren Armen gehalten, um uns von ihm zu verabschieden. Auch wenn er noch so winzig klein gewesen ist, sind wir uns damals sicher gewesen, dass er dir ähnlich gesehen hat. Er war ein wunderschöner, kleiner Bursche. Und seit er uns verlassen hat, gibt es keinen Tag, an dem ich nicht diese Unvollständigkeit fühle", berichtet Cara.

„Danke", bringt Ashley seiner Mum entgegen. „Danke, dass du mir von ihm erzählst!"

„Eric", haucht Cara. „Wir haben ihm den Namen Eric gegeben."

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Immer wieder liest Aideen den Brief, der unter dem Scheibenwischer an der Fensterscheibe von Ricks Wagen klemmte, in der Nacht, als sie ins Ungewisse aufgebrochen sind. Inzwischen sind so viele Tränen auf das Blatt Papier, das noch immer nach Ashley riecht, getropft, dass das Geschriebene nicht mehr vollständig lesbar ist. Aber es ist nicht tragisch, denn sie kennt diese Zeilen längst auswendig.

Aideen,

Das Leuchten, das dich umgibt, hat mein Herz in Flammen gesetzt.
Unaufhörlich! Für immer!
Du bist wie ein Feuer - wohlwissend, dass ich mich daran verbrennen kann,
bekomme ich dennoch nicht genug davon.
Lodernd! Berauschend!
Selbst ein regnerischer Sturm hat es nicht vermocht,
diese Flammen auszulöschen.
Stets, so kalt meine Welt auch ist, verzehre ich mich nach deinem Glühen.
Ergeben und treu!
In all der AScHe, die zurückgeblieben ist, bewahre ich den Funken dieses Schatzes,
der, ebenso wie meine Liebe und mein Verlangen zu dir, niemals erlöschen wird.

Niemals!

In Liebe Ash

In Liebe Ash

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unleASH the WOLFWhere stories live. Discover now