Kapitel Einundzwanzig

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Kian

>>Und? Was haben die Ärzte gesagt?<<, fragte ich sie am Telefon, während ich weiter durch den langen Flur des heruntergekommenen Gebäudes ging. Allein schon der Anblick der Außenfassade hatte mich erschaudern lassen, doch das Innere des dreistöckigen Hauses sah auch nicht besser aus. Im Gegenteil.

Der Betonboden sah aus, als wäre er Monatelang nicht mehr geputzt worden, überall lag Müll, die Farbe an den Wänden bröckelte bereits ab und einige der Deckenleuchten flackerten, wie aus einem bescheuerten Horrorfilm. Fehlte nur noch, dass vor mir plötzlich der Serienkiller oder 'ne lebende Leiche auftauchte.

Nie im Leben hätte ich mir vorgestellt, mal hier jemanden aufsuchen zu müssen. Allein schon der Anblick brachte den Drang in mir hervor mich sofort gegen alles mögliche impfen wollen zu lassen.

>>Ihr rechtes Bein und auch die Hüfte wurde praktisch zertrümmert<<, hörte ich sie nach einem tiefen und schweren Seufzer endlich sagen. >>Sie hat mehrere Verletzungen erlitten und innere Blutungen gehabt, sowie Verbrennungen am größten Teil ihres Körpers. Die Ärzte haben getan, was sie konnten, um sie wieder zusammenzuflicken. Aber selbst wenn Jenevieve wieder Gesund wird, wird sie einige Therapien durchstehen müssen und auch dann können sie nicht garantieren, dass sie ihre volle Bewegungsfreiheit wieder erlangen wird.<< Immer wieder brach sie ab und atmete mehrmals tief durch. Ich konnte mir sehr gut denken, wie schwer es ihr gerade fiel mir die Situation zu erklären. Noch mehr konnte ich mir denken, dass es noch viel schwieriger war dort zu sitzen und nichts tun zu können.

Mochte sein, dass diese Frau sehr oft ein richtiger Drachen war, aber sowas hätte ich auch ihr nie gewünscht. Joyce hatte mir oft erzählt, dass Jenevieve trotz ihrer Strenge gut auf die Mädchen achtete. Sie kümmerte sich um diese, hatte ihnen ein Zuhause gegeben, falls sie dieses brauchten. Und nachdem ich damals herausgefunden hatte, dass sie in Frankreich diese Tanzschule für so viele Kinder aufrechtzuerhalten versuchte, wusste ich, dass sie im Grunde genommen kein schlechter Mensch war. Allein deshalb hatte sie das alles einfach nicht verdient. Keine von ihnen hatte das.

>>Wichtig ist, dass sie erstmal wieder gesund wird<<, versuchte ich sie aufzumuntern.

>>Ja, das schon. Aber sie wird für den Rest ihres Lebens damit zu kämpfen haben. Sie wird in vielen eingeschränkt sein. Selbst wenn sie wieder laufen wird, wird sie nie wieder tanzen können. Wenn Jenevieve das erfährt, wird es ihr das Herz brechen. Tanzen ist ihr Leben. Das ist das, was sie ausmacht. Verstehst du? Wenn sie das nicht mehr kann..<<

Dieses mal, war ich derjenige, der tief durchatmete. >>Ich bin mir sicher, dass sie wissen wird damit umzugehen. Sie ist stark und sie hat euch. Sie schafft das.<< Ja, auch ich wusste, dass sowas nicht leicht sein würde, doch was sollte ich sagen? Das alles hätte ohnehin nicht passieren dürfen.

Ich blieb stehen, als ich endlich die richtige Tür fand und betrachtete die alte und abgenutzte Klingel. Ob die überhaupt noch funktionierte?

Eigentlich wäre ich lieber bei Joy. Lieber würde ich sie weiterhin in meinen Armen halten wollen, als hier in diesen Loch zu sein. Aber ich musste hier durch. Leider führte dabei kein Weg vorbei, wenn ich die Sache mit Curtis fertigbringen wollte.

>>Hör zu, Sweetheart, ich komme bald zurück und dann reden wir noch mal in Ruhe darüber. Okay?<<

>>Gut. Pass auf dich auf<<, sagte sie nur noch ehe das Gespräch beendet wurde. Ich wäre wirklich gerade lieber bei ihr als woanders.

Tief durchatmend steckte ich das Telefon wieder ein und fuhr mir mit der Hand erschöpft übers Gesicht. Ich hoffte wirklich, dass das zu keinem Reinfall werden würde.

Midnight Games - Erlösung ✔️Where stories live. Discover now