Kapitel Elf

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Joyce

>>Sag mal.. Wie lange wirst du noch hier bleiben?<<, fragte ich ihn. Gemeinsam saßen Regi und ich am Küchentisch und frühstückten - was nach all den Jahren noch immer ziemlich seltsam war.

Mein Bruder sah von seinem Teller zu mir hoch und sah ich mit großen, runden Augen an. >>Wieso? Willst du mich jetzt schon loswerden?<<

>>Nein. Natürlich nicht<<, schüttelte ich den Kopf, sah ihn jedoch besorgt an. >>Aber je länger du hier bist, umso mehr besteht die Gefahr, dass sie dich finden.<< Meine Sorge um ihn war berechtigt. Reginald stand auf der Fahndungsliste der Polizei. Egal wo er hinging, das Risiko erkannt zu werden, wurde immer größer.

Doch während ich mir immer mehr Sorgen um ihn machte, wirkte mein Bruder dabei sehr gelassen. Mit der Hand abwinkend, widmete er sich wieder seinem Essen zu. >>Zu denkst zu viel nach. Ich bin wie ein Geist. Mich zu schnappen ist unmöglich.<<

Je mehr er sprach, umso wütender machte er mich dabei. Hielt er das ganze etwa für einen Spaß? Interessierte es ihn überhaupt, was aus ihm werden würde, sollte er weiterhin diese bescheuerte Einstellung haben?

>>Sag mal, denkst du überhaupt noch nach? Ich meine es ernst. Das ist eine große Stadt. Überall sind Kameras. Egal, wie gut du dich vor ihnen verstecken kannst, irgendeine wird dich irgendwann aufzeichnen können. Irgendeine Person wird dich vielleicht erkennen. Einige der Leute sind nicht dumm. Egal wie du dein Äußeres verändert hast, sie werden dich erkennen können.<< Fest ballte ich die Hände auf dem Tisch und merkte selbst, dass meine Wut langsam zu groß wurde. >>Und was wird dann? Was wird aus deiner Frau? Deinem Kind? Du bist Vater verdammt! Hast du kein Verantwortungsgefühl ihnen gegenüber?<<

Ja, ich steigerte mich so langsam wirklich zu sehr in dieses Thema. Aber allein schon der Gedanke daran, dass er seine Familie damit aufs Spiel setzte, machte mich rasend. Ich wollte nicht, dass er genauso sein würde, wie unser Vater. Ich wollte nicht, dass seine Familie genauso enden würde, wie unsere. Er sollte es doch besser wissen oder?

Mit einem mal schob er seinen Stuhl nach hinten und stand auf. Ohne was zu sagen, kam Regi um den Tisch herum und stellte sich mit einem mal hinter mich, nur um sich dann runter zu beugen und seine Arme um meine Schultern zu legen.

Ich merkte, wie mein Körper zu zittern anfing und wie sehr er es versuchte diesen wieder zu beruhigen.

Er lehnte seine Stirn an meinen Kopf und atmete tief durch. >>Ich kenne das Risiko. Und ich weiß auch ganz genau, was mich erwartet, sollte das alles schief gehen. Aber ich bin nicht, wie der alte Mann und das werde ich auch nie sein. Einmal habe ich schon meine Familie enttäuscht und das passiert mir nicht ein zweites mal. Alles was ich dazu brauche ist ein wenig Vertrauen von dir.<<

Immer wieder kaute ich auf der Innenseite meiner Wange herum und lockerte meine geballten Fäuste. Es war nicht so, dass ich ihm nicht vertrauen würde. Doch ich hatte angst um ihn. Beinahe jeder den ich liebte, befand sich sein Leben lang mit einem Bein im Gefängnis und ich wollte keinen von ihnen auf diese Weise verlieren. Das würde ich nicht aushalten. Es würde mich umbringen.

>>Komm schon , Schwesterchen<<, sagte er mit einem mal. Sein Griff um mich wurde etwas fester und er begann mich auf dem Stuhl hin und her zu bewegen. >>Keine schlechte Laune am frühen Morgen. Ich fahre auch mit dir in den Zoo. Okay?<<

Bei seinen Worten erinnerte ich mich mit einem mal an unseren letzten Zoobesuch, wobei ich automatisch grinsen musste. Ja, auch ich hatte bereits einige Gesetze gebrochen. Mit gerade mal dreizehn hatten wir uns in den Bus geschlichen und hatten uns auf ein kleines Abenteuer aufgemacht. Wobei auch vielleicht ein kleiner Einbruch ins Reptilienhaus mit drin gewesen war. Na ja, man hatte uns zwar beinahe erwischt, aber wir beide hatten dennoch unseren Spaß gehabt.

Midnight Games - Erlösung ✔️Where stories live. Discover now