Juni

3K 101 8
                                    

„Ich weiß, dass ich da eigentlich nicht drüber sprechen soll, aber du bist wirklich die Einzige Person mit der ich wirklich darüber sprechen kann. Bei allen anderen ist das... doof... Und ich werde noch wahnsinnig, wenn ich nicht mal alles loswerden kann, was mich beschäftigt. Also entschuldige ich mich schon für meinen Redefluss...", Sophia stürmt regelrecht durch meine Wohnungstür und ist mit Ende des letzten Satzes auch schon in meinem Wohnzimmer verschwunden.

Auch dir einen wunderschönen Tag meine Liebe... Ich kann mir zwar quasi schon denken worum es geht, aber mal abwarten.

„Willst du auch einen Kaffee oder soll ich gleich den Schnaps rausholen?", rufe ich ihr auf dem Weg in die Küche zu. Sophia lacht leise: „Fangen wir einfach mit dem Kaffee an und sehen dann weiter."

Mit zwei Tassen bewaffnet gehe ich zurück ins Wohnzimmer, wo Sophia gerade seufzt, die Haare aus dem Gesicht streicht und sich zurück fallen lässt. Vorsichtig stelle ich die Tassen ab und setze mich neben die braunhaarige Schönheit. „Also was ist los? So ernst kenne ich dich gar nicht", ich stupse sie mit dem Zeigefinger an. Sophia dreht sich zu mir und stützt sich dabei mit dem Ellenbogen ab.

„Du hast von den Wechselgerüchten gehört, oder?", sie sieht mich an und ihre Finger malen Kreise auf meinem Sofa. Ich nicke kurz und nehme einen Schluck Kaffee. „Kai will wirklich wechseln... Er ist sich aber noch nicht so sicher wohin... Also... Und... es gibt mehrere Möglichkeiten, aber ich kenne seinen Favoriten und... und der ist eben nicht hier in Deutschland... Und ich... ich will mich für ihn freuen... ach was rede ich da... Ich freue mich für ihn. Aber..."

„... aber du willst auch eigentlich nicht weg?", hakte ich nach, weil ich das Gefühl habe Sophia weiß nicht wirklich wie sie sagen soll und will. „Genau. Also nein.. ich will mit ihm zusammen sein, bei ihm bleiben und ich würde überall mit ihm hingehen... Auch wenn es irgendwie dumm klingt, meinem Freund mit 21 Jahren einfach hinterher ziehen zu wollen. Aber wo ich am Ende studiere ist ja egal... Ob hier oder wo anderes... Ich meine, ich hab hier zwar angefangen und wenn ich noch ein bisschen dran hänge, dann kann meinen Bachelor hier auch noch fertig machen und dann nachkommen... Oder ich Wechsel eben zwischendrin... das wäre zwar hart, aber ich wäre zumindest bei Kai... aber... "

„...aber?", hake ich wieder nach. Sophia setzt sich jetzt auf und atmet tief durch: „Was mache ich denn, wenn er nicht will das ich mitgehe? Was mache ich denn dann, Cara? Was passiert, wenn ich mir hier total viele Gedanken mache, wie ich das regeln kann, wie ich bei ihm bleiben und mit ihm zusammen sein kann und das ohne Fernbeziehung... Und dann... dann will er gar nicht, dass ich mitkomme?"

Ich muss mir erst ein Lächeln und dann ein Grinsen verkneifen, bevor ich loslache. „Wieso lachst du denn jetzt? Ich schütte dir hier mein Herz aus und du lachst?!", Sophia wird gerade ziemlich wütend und sieht mich vollkommen verständnislos an.

„Wie wäre es, wenn ihr zwei Esel mal miteinander reden würdet, anstatt übereinander?", frage ich meine Freundin jetzt lächelnd und lege ihr eine Hand auf den Arm.

„Wie meinst du das denn jetzt?", Sophia sieht mich total verwirrt an. „Was ich damit sagen will ist, dass Kai letzte Woche bei Julian und mir war und ungefähr fast genau die gleiche Rede gehalten hat wie du gerade. Nur aus seiner Sicht. Er hat sich nämlich auch schon total viele Gedanken gemacht. Wie du das mit dem Studium regeln könntest, ob du an Online-Vorlesungen teilnehmen und somit nur tageweise hier her kommen müsstest. Ob du mitten im Semester wechselst oder erst später nachkommst, ob du gleich wechselst... Er hat wirklich eintausend Varianten durch gedacht und kam am Ende aber immer wieder bei einer einzigen Frage raus: Was mache ich, wenn Sophia nicht mit mir kommen will? Was mache ich dann?"

Sophia klappt vor mir der Mund auf und ihr steigen Tränen in die Augen. „Wirklich?", fragt sie mich jetzt. Als ich lächelnd nicke, weint Sophia einfach los. „Oh Süße", murmele ich leise und ziehe sie in eine Umarmung. Vorsichtig streiche ich ihr über die Arme und den Rücken, während sie die ganze Anspannung der letzten Wochen loswird. Die Unsicherheit, ob die Person, der eigene Herzmensch, mit dem man sich die Zukunft vorgestellt hat, das genauso sieht. Ob er auch mit einem plant oder ob man selbst Luftschlösser baut und am Ende durch die Wolken fällt und hart auf dem Boden aufschlägt. Ich kann ihre Angst so unfassbar gut nachvollziehen, dass ich fast mit ihr mit weine.

Nach einiger Zeit lösen wir uns von einander und halten uns gegenseitig an den Händen. „Danke Cara", murmelt Sophia leise und zieht kurz die Nase hoch. Die junge Frau vor mir ist selbst total verheult noch wunderschön und ich streiche ihr mit meinen Daumen die Tränen weg und antworte ihr mit einem leisen, „Nicht dafür."

Sophia bleibt noch eine Weile und als Kai ihr dann eine Nachricht schickt, ob sie heute spontan Zeit für ihn hätte, springt sie von der Tarantel gestochen auf. Entschuldigend sieht sie mich an, aber ich scheuche sie zur Tür raus. Meine Freundin drückt mich noch einmal fest, gibt mir einen Kuss auf die Wange und springt dann mit schnellen Schritten die Treppen zur Haustür runter.

Eigentlich wollten Julian und ich uns heute nicht sehen, weil ich noch ein paar Sachen vor dem Umzug aussortieren wollte, aber nach diesem emotionalen Treffen, will ich nur noch zu meinem Herzmenschen. Ich will zu der Person mit der ich mir eine Zukunft vorstelle und der mir jeden Tag zeigt, dass ich keine Luftschlösser baue, sondern ein richtiges Zuhause. Das ich mit ihm ein Leben planen kann und es nicht nur ein Traum sein wird, sondern Realität.

Ich schnappe mir meine Tasche, die für meine nächste Übernachtung bei Julian schon gepackt im Schlafzimmer steht, greife mir meine Schlüssel und fahre zu ihm. Das er heute Abend zu Hause sein wird, weiß ich. Er hat mir nämlich vorhin geschrieben, dass er mich neben sich auf dem Sofa vermisst und sich auf morgen freut.

Bei Julian angekommen, sprinte ich regelrecht die Treppen hoch und schließe dann die Wohnungstür auf. Julian hebt den Kopf und sitzt keine Sekunde später senkrecht auf dem Sofa. „Cara? Ist was passiert?", frage er sofort und kommt mir entgegen. Ich antworte aber nicht, lasse meine Tasche fallen, springe ihm in die Arme und küsse ihn einfach.

Julians Arme schlingen sich automatisch um mich und drücken mich an sich. „Nicht dass ich mich beschweren will, aber was machst du hier?", fragt mich mein Freund nach ein paar Minuten atemlos. „Ich liebe dich", antworte ich ihm nur und küsse ihn wieder. „Du bist nur hier hier gekommen, um mir zu sagen, dass du mich liebst?", fragt Julian und lacht dabei leise. Vorsichtig legt er seine Hände in meinen Nacken und zieht mich wieder an sich, als ich leicht nicke. Julian lächelt, als er seine Lippen wieder auf meine legt und mich kurzerhand hoch hebt. Erst als er beim Sofa angekommen ist, lässt er sich, mit mir im Arm, rückwärts fallen. Ich quietsche leise und liege kurz darauf lachend auf meinem Freund. „Also Kleines... Was ist passiert, dass du das Bedürfnis hattest mir das jetzt zu sagen?", Julian sieht mich an, als wäre ich das Beste, was ihm jemals passiert ist und ich glaube ich müsste platzen vor Glück.

„Sophia war heute Nachmittag bei mir... Und sie hatte ungefähr das Gleiche Problem wie Kai. Auch sie hat sich unfassbar viele Gedanken gemacht, wie das werden könnte, wenn Kai wechselt... Aber vor allem hatte sie die Gleiche Angst wie Kai... Das er nicht wollen würde, dass sie mitkommt... Diese Angst kommt mir so unglaublich bekannt vor... Ich kenne sie, weil ich mich auch oft so gefühlt habe. Aber durch dich ist das weg... Es ist weg, denn ich weiß, dass ich mit dir keine Luftschlösser baue, sondern etwas das real ist, was echt ist und vor dem ich keine Angst haben muss, weil du genauso fühlst wie ich. Auch wenn du ein großer Trottel sein kannst und ich eine ziemliche Zicke... Ich liebe dich, Julian und ich... Ich liebe dich einfach und nach dem Gespräch mit Sophia hatte ich einfach das Bedürfnis dir das sagen und dich sehen zu müssen...", ich streiche Julian durch die Haare und schaue in große meerblaue Augen. Julian blinzelt mehrmals, bevor er mich einfach wieder an sich zieht und mich küsst.

Dabei dreht er sich nach rechts und klemmt mich somit zwischen sich und der Sofalehne ein. „Ich liebe dich auch, Kleines... Danke, dass du da bist", Julian murmelt diese leisen Worte zwischen zwei Küssen und hält mich dann einfach nur fest.


+++++
Halbzeit, mit ein bisschen Kai und Sophia 🥰 Denn die gibts ja auch noch 😉

Ein ganzes Jahr - Kurzgeschichte zu Winter SongWhere stories live. Discover now