XV. anne.

719 119 75
                                    

»Anne feiert am Wochenende ihren Geburtstag.«

Elster schaute mich erwartungsvoll an, während ich mir eine Zigarette anzündete. »Aha.«

Sie seufzte. »Wir sind eingeladen, man«, brummte sie dann und ich blies den Rauch in die kalte Luft, schaute hinüber zu meiner Freundin.

»Gehst du?«, fragte ich sie nach ein paar Minuten und sie klopfte auf die dunkelgrün gestrichene Bank neben sich.

Auch wenn sie es liebte zu reden und lachen und tratschen, hörte sie auf, sobald es zu viele Menschen waren. Feiern und Partys vermieden wir zwei eigentlich immer so gut es ging.

»Wahrscheinlich. Sie ist eine gute Freundin von uns... es wird schon nicht zu groß sein«, meinte sie und überschlug ihre Beine, während ich mich ächzend neben sie setzte. Die Bank war kalt und feucht und mein Kopf tat weh.

»Hoffentlich«, murmelte ich leise und reichte Elster die Zigarette. Sie hatte endlich angefangen, sich selber welche zu besorgen, aber drehte sie lieber.

Charakterentwicklung würde ich einmal sagen.

»Sag mal, würdest du eigentlich was mit Anne anfangen?«, fragte sie plötzlich und ich lehnte mich langsam nach vorne, stützte mich auf meinen Knien ab.

»Okay... das kam unerwartet.«

»Und?«, sie schaute mich neugierig an, der Rauch qualmte aus ihrer spitzen Nase. Ich kratzte mich am Nacken, dort, wo meine Haare sich gegen der Haut kringelten.

»Keine Ahnung, vielleicht«, brummte ich dann und schnappte mir die Zigarette zurück. »Ey«, protestierte sie nur schwach und ich zwinkerte ihr zu, steckte sie mir zwischen die Lippen.

»Aber wieso fragst du bitte?«

Hinterhältig lächelnd lehnte sie sich ein Stück nach vorne zu mir und schaute mich durch ihre Stirnfransen hinweg an. »Dreimal darfst du raten.«

Ich schaute sie an und sie schaute zurück und  dann stöhnte ich laut auf. »Nein.«

»Doch«, lachte sie auf und ich zog missmutig am Filter. »Sie steht auf dich.«

»Gottverdammte Scheiße«, fluchte ich leise und rieb mir Stirn, wusste nicht ganz, was ich mit dieser Information anfangen sollte. Wie zum Teufel entwickelte jemand Gefühle für mich? »Du verarscht mich doch, oder?«

Elster lachte noch immer, laut und gackernd. »Nein, wirklich. Wir waren letztens essen und irgendwie hat sie mir dann gestanden, dass sie nichts dagegen hätte, etwas mit dir zu haben, wenn ich's so sagen kann.«

Ein bisschen leidend vergrub ich mein Gesicht in den Händen und versuchte den steigenden Schmerz hinter meinen Schläfen zu ignorieren.

»Ha. Mit unserem Ariste«, sie schlug mir die Hand fest auf die Schulter, »hätte ich, um ehrlich zu sein nicht gedacht.«

Wortlos hielt ich ihr den Mittelfinger hoch und lehnte mich dann wieder nach hinten. »Keine Ahnung, man. Ich würd schon was mit ihr anfangen, aber eine Beziehung... ne, auf keinen Fall«, murmelte ich dann in Gedanken versunken und Elster nickte.

»Du wartest also auf die richtige Person, oder was?«

Ich zuckte gedankenverloren mit den Achseln und schaute zu Elster hinüber, deren dunkle Locken im Wind wehten. Wir schwiegen für ein paar Minuten und schauten den Leuten zu, die in der Ferne durch den Park spazierten.

»Kann ich dich was fragen?«, sagte ich plötzlich nervös und tippte meine kalten Fingerspitzen gegeneinander.

»Hm?«

»Du studierst ja Psychologie und kannst gut Menschen einschätzen, nicht?«

Elster legte schmunzelnd einen Arm über die Bank. »Keine Ahnung. Ich würde mal sagen, ich studiere das eher, um meine eigenen Probleme zu lösen aber, ja, Menschen einschätzen ist eins meiner Talent —«

»Okay, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf Jungs stehe?«, unterbrach ich sie fahrig und Elster stoppte mitten im Satz.

»Oh«, sie musterte mich misstrauisch von oben bis unten und ich zog meine Schultern unwohl hoch. »Ungefähr so hoch, wie ich auf Mädchen stehe?«

»Und was heißt das jetzt?«, fragte ich ein bisschen verzweifelt und sie grinste.

»Ernsthaft? Hoch. Sehr, sehr hoch, würde ich mal sagen.«

»Ah«, machte ich nur und schaute auf meine eingefrorenen Finger hinunter. Sehr hoch also. Stand ich wirklich... auch auf Jungs? Darüber nachgedachte hatte ich noch nie so wirklich, aber erklären würde es sehr, sehr viel, um ehrlich zu sein.

»Willst du mir da vielleicht etwas erzählen, oder wieso kommt das so plötzlich?«, hakte sie nach und mir wurde warm unter dem Mantel.

»Ich weiß nicht«, flüsterte ich und dachte an Elias in meinem Bett zurück, die Gesichtszüge ganz weich. Ich dachte an Elias zurück, wie er einfach so meine Hände in seine genommen hatte und mein Magen kribbelte ein bisschen. Ja, nein, das konnte nicht gut sein.

»Aha«, machte sie, als sie bemerkte, wie Gedankenversunken ich gerade war und nahm mir die vergessene Zigarette aus den Fingern. »Auf jeden Fall schön für dich, das endlich mal entdeckt zu haben.«

Dann zog sie die Nase hoch und drückte den Filter am Boden aus. Buntes Laub wehte über den Kieselsteinweg vor uns, die hohen Kastanien über uns wurden immer kahler. Winter brach ein.

»Halt ich bin schon so der Beziehungstyp, aber... nicht mit Anne, weißt du, was ich meine?«, sagte ich plötzlich wieder und schaute ein wenig verlegen auf meine DocMartens, an denen getrockneter Schlamm klebte.

»Das heißt, keine Anne gerade?«, fragte sie nach und ich nickte, in die Ferne starrend. War Elias in einer Beziehung? Sollte mich... sollte mich diese Frage überhaupt kümmern? Gott, das alles war plötzlich so kompliziert. Vielleicht mochte ich es deswegen so gerne, alleine zu sein. Da war nur ich und manchmal auch Elster und es gab kein Kompliziert.

Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als Elster ihren Arm um meine Schulter legte. Ein bisschen verrenken musste sie sich, damit das überhaupt möglich war. Jetzt waren wir ganz nahe.

Still drehte ich meinen Kopf zu ihr und schaute sie an, sie mit ihrem kirschroten Mund und den dunklen Augenringen. Ich fragte mich schon, wie ich je ein Leben ohne sie geführt hatte.

»Also, Party?«

Ich nickte seufzend. »Party.«

ZIGARETTENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt