XXIII. teewasser

792 118 151
                                    


»Elias?«, ich verzog mein Gesicht leidlich zu einem Hundeblick, halb noch unter der ungemachten Bettdecke.

»Hm?«, er machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen, sondern durchstöberte einfach weiter den kleinen Schrank.

»Mir ist langweilig.«

Er warf mir einen komischen Blick zu, mein brauner Pullover viel zu groß an ihm.

»Dann lies was«, murmelte er abgelenkt und  zog triumphierend einen Teebeutel hervor. Ich äffte ihn lautlos nach. »Ha! Hast du Milch da?«

Missmutig ließ ich mich nach hinten auf das ungemachte Bett fallen, so ein Spaßverderber.

»Schau im Kühlschrank nach, aber glaub nicht. Und Milch und Tee ist einfach nur eklig.«

»Wow«, bevor ich reagieren konnte, war Elias bei mir und starrte auf mich hinunter, die Sommersprossen im Mittagslicht unzählig. »Ich kann's nicht fassen, dass ich jemanden mag, der Schwarztee mit Milch hasst.«

Mit roten Wangen verdrehte ich die Augen und langte nach seinem Nacken. Unsere Nasenspitzen berührten sich, ich drückte ihm einen ergebenden Kuss auf den Mundwinkel.

»Dafür...«, ein kleiner Kuss auf die Wange, »mag ich deine...«, ein Kuss auf seinen Kiefer, »Kaffeekünste ausgesprochen gerne.«

Elias schnaubte nur, aber verstummte sofort, als ich ihn auf den Mund küsste, mit einem breiten hellen Lächeln zwischen uns.

Vielleicht fühlte sich so Glück an. Glück in Form eines chaotischen, blondhaarigen Jungen, der jetzt seine warmen Finger über meine Haut zog. Mhm.

Die Teekanne kreischte im Hintergrund und Elias löste sich seufzend von mir.

»Dein Wasser leidet«, kommentierte ich nur müde und beobachtet träge, wie Elias hastig zum kleinen Küchentisch hetzte, den Herd abdrehte.

Ich konnte mich noch genau erinnern, wie er das erste Mal in meiner Wohnung gestanden war und so verloren gewirkt hatte inmitten den ganzen Bücherstapeln und dem ungemachten Bett.

Und jetzt... jetzt war es, als wäre er ein passendes, buntes Teil inmitten meiner dunklen Puzzlewelt, machte alles ein kleines Stück schöner mit seinem breiten Lächeln.

»Willst du auch einen?«, ich drehte mich langsam auf den Rücken und starrte die weiße Decke über mir an. »Hm?«

Das spärliche Sonnenlicht warf Schatten auf meine bleiche Hand, die in der Luft über meinem Gesicht schwebte. Ich seufzte. Die krankhaft blauen Venen, die langen knochigen Finger. Sie sahen so krank und unecht aus und—

»Tee, was sonst«, sein gedämpftes Lachen brachte mich zurück in die Realität und ich setzte mich langsam auf, meine Locken ein wildes Durcheinander.

»Mhm. Kannst du mir nicht einen Kaffee machen?«, beschwerte ich mich, versuchte mein T-shirt wieder zurechtzurücken. Elias warf mir einen schiefen Blick zu, krempelte die Ärmel hoch.

Ich mochte seine Unterarme, mehr als meine eigenen bleichen, dürren. Er hatte eine warme Farbe, bunte kleine Sommersprossen überall und wunderschöne Finger, viel schöner und realer als meine. Ich wollte sie am liebsten immer anfassen, seine Knochen unter der Haut spüren, alles von ihm ihn mir aufnehmen, bis wir nur noch eine einzige Person waren.

Vielleicht konnte man das Liebe nennen. Ich hatte keine Ahnung was dieses sehnsüchtige Gefühl war, dass alle Gedanken von mir zu übernehmen schien, keine Ahnung, wie genau ich es in Worte fassen sollte. Ich war kein Poet.

»Was schaust du so?«, murmelte er, während er konzentriert Wasser in zwei bunte Keramiktassen füllte, kleine Dampfringel kringelten sich in der Luft.

Ich zog einen Mundwinkel in die Höhe und kratzte mich verlegen am Nacken. »Nichts... ich bewundere nur die Person, die mir gerade einen Tee macht.«

Elias lachte mit roten Wange auf und kam dann mit den Tassen auf mich zu. »Wow. Wusstest du, dass du ganz schön große Worte um dich werfen kannst, wenn du mal in der richtigen Laune bist?«

Ich grinste nur blöd, reckte mein Kinn fordernd in die Höhe. »Aber nur mit dir.« Er küsste mich augenverdrehend, der dampfende Tee noch immer in seinen Händen.

»Ich will dich auf ein Date nehmen«, sagte ich dann nach einem Moment, Elias hatte sich neben mich ins Bett gesetzt, seine Brauen hochgezogen. »Okay... gerne.«

»Ich weiß nur noch nicht, wohin«, murmelte ich gedankenversunken und langte ächzend nach der Zigarettenpackung am Nachtkästchen. Vielleicht sollten wir in die Bücherei gehen? Oder—

Ein kleines Räuspern unterbrach die Stille und... oh. Stimmt. Uagh.

»Mhm«, leidend legte ich den Kopf in den Nacken, nahm die Teetasse an, die Elias mir hinhielt. »Sorry. Scheiße. War ein Reflex.«

Ich drehte meinen Kopf zur Seite, schaute ihn an. Das Licht warf Schatten auf sein Gesicht, und er lächelte zaghaft. »Du musst am Anfang ja nicht komplett aufs Rauchen verzichten —das wirst du nicht mal schaffen.«

Er seufzte wieder laut und ich hob einen Arm, beobachtete, wie er sich gegen meine Brust kuschelte. Angenehm konnte ich mit all meinen spitzen Knochen nicht unbedingt sein, aber sein Gesichtsausdruck war so friedlich, da wollte ich nichts sagen.

»Mein Opa hat früher auch geraucht. Hat ziemlich lang gedauert, bis er es sich abgewöhnt hat, wahrscheinlich, weil ihm nicht wirklich bewusst war, was es mit ihm gemacht hat. Erst nach der ersten Lungenkrankheit ist ihm die Vernuft endlich erschienen«, er schnaubte leise und ich strich ihm sanft eine blonde Locke aus der Stirn, legte mein Kinn auf seinem dunklen Ansatz ab.

»Mhm. So will ich auf keinen Fall enden«, brummte ich und er nickte, fand meine Finger. Es war so schön, alles war so hell und bunt. Ich glaubte nicht, dass ich je so ein friedliches Gefühl wie gerade in diesem Moment empfunden hatte.

»Uh... wieviele rauchst du normalerweise pro Tag?«, fragte er nach einem Moment und ich leckte mir verlegen über die Zähne, versuchte nachzuzählen. »Uhm... viele?«

Meine Stimme war viel zu hoch, er schnaubte wieder, ließ meinen Körper vibrieren. »Okay... also, Themenwechsel, wo willst du mich auf ein Date hinnehmen?«, er hatte wieder diesen einen neckischen Ton und ich seufzte dramatisch, stellte den Tee weg.

»Keine Ahnung, wir könnten wieder in die Bibliothek gehen, aber ich glaub die hat das Wochenende geschlossen«, murmelte ich in seine Locken und schloss genießerisch die Augen, als er kleine Kreise auf meinen Handrücken zeichnete.

»Du könntest auch mal zu mir in die Wohnung kommen. Dann können wir endlich mal was richtiges außer Tee und Nudeln mit Tomatensoße kochen«, spottete er und ich verdrehte meine Augen, grummelte irgendwas unverständlich. Dann holte ich tief Luft.

»Okay... können wir machen. Aber nur, wenn du kochst.«

»Pah, nein, du hilfst mir schön«, Elias löste sich von mir, ein breites Grinsen auf seinem warmen, weichen Gesicht. »Und du kannst gleich meinen Mitbewohner kennenlernen.«

Ich glaube, mein überraschter Gesichtsausdruck sagte alles aus.

ZIGARETTENWhere stories live. Discover now