„Ich muss hier raus", murmelte ich mit einem Kopfschütteln.

Spidey rückte näher an die Zelle und klickte. Dann sah ich es: Um ihren Hals – beziehungsweise den Teil einer Spinne zwischen Kopf und Körper, wirklich ein Hals war das ja nicht – hing eine dünne Kette. Und an der Kette ein Schlüssel.

Ich hielt inne. So einfach konnte es nicht sein, oder?

Vielleicht doch. Als Arac gegangen war, hatte er sich noch einmal kurz zu den beiden Spinnen gedreht. Etwa, um den Schlüssel zu befestigen?

Mit leicht zittrigen Fingern streckte ich die Arme nach dem Schlüssel aus. Vorsichtig nahm ich ihn von dem Band. Spidey und Websie blickten mich erwartungsvoll an, als ich den Schlüssel in das Schloss steckte.

Er passte.

Ich hielt den Atem an, während ich aufsperrte. Kurz darauf schwang die Tür auf und Websie gab ein warnendes Klicken von sich.

„Ich weiß", flüsterte ich, als ich aus der Zelle trat. „Es ist noch lange nicht vorbei. Wir müssen hier noch raus. Ihr beide kommt doch mit mir, oder?"

Die Antwort der beiden war eindeutig.

Mit einem leisen Klicken drehte Spidey sich in die andere Richtung als die, aus der wir gekommen waren.

„Du kennst den Weg, oder?", flüsterte ich. Ohne zu antworten setzte Spidey sich in Bewegung. Websie ging tief in die ... konnte man es Knie nennen? – und ich verstand. Blitzschnell kletterte ich auf ihren Rücken und hielt mich an ihr fest. Websie setzte sich in Bewegung und ich musste aufpassen, um nicht von ihr zu fallen. Verdammt, war sie schnell!

Die ersten paar Gänge legten wir problemlos zurück, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass es noch weiter bergab ging. Niemand kam uns entgegen.

Spidey und Websie wurden langsamer und auf einmal konnte ich leise Stimmen hören. Ich erstarrte. Jemand kam in unsere Richtung! Was jetzt?

Während ich noch damit beschäftigt war, leise vor mich hinzufluchen, nahmen Spidey und Websie an Geschwindigkeit zu. Erschrocken krallte ich mich an Websie fest. Etwas weiter vorne machte der Gang eine Biegung. Wenn wir so weiterrannten, würden wir geradewegs gegen die Wand donnern und...

Ehe ich den Gedanken fertigdenken konnte, kamen zwei von den Spinnentypen um die Ecke. Sie hatten gerade noch Zeit, um kurz aufzublicken, dann wurden sie von Spidey zu Boden gestoßen. Websie lief über die beiden, wobei ich beinahe von ihrem Rücken gefallen wäre. Die beiden Spinnen bogen um die Ecke und weiter ging die Reise.

Leider nicht mehr so ruhig wie vorhin.

„Die Gefangene ist ausgebrochen!", brüllte einer der beiden Spinnentypen durch die Gänge. „Haltet sie auf!"

Ich fluchte und klammerte mich weiterhin an meiner Reiterspinne fest. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen und mich einfach blind nach draußen tragen lassen.

Wir bogen um eine weitere Ecke. Und landeten in einer großen Höhle. Einer Wohnhöhle, voller Betten und den dazugehörigen, leider nicht mehr schlafenden Leuten. Dutzende der Spinnenmenschen richteten sich gerade auf, frisch aus ihrem Schlaf geweckt, und fuhren sich durch die Haare.

„Scheiße", entkam es mir.

Nach einer Sekunde, in der niemand so ganz wusste, was gerade überhaupt passierte, rannten Spidey und Websie erneut los. Ich hatte ganz vergessen, wie ungeheuer schnell Spinnen eigentlich sein konnten! Wer brauchte schon ein Auto, wenn er eine Riesenspinne als Reittier hatte?

Spidey verschwand in einem Gang auf der gegenüberliegenden Seite. Gerade, als Websie und ich ebenfalls folgen wollten, krachte etwas gegen unsere Seite. Ich wurde von Websies Rücken geschleudert und rollte einmal quer über den steinigen Höhlenboden. Das würde ein verdammt großer blauer Fleck werden!

Die Bewohner von Harrowville (Band 1: Spinnen) | Wattys 2022 ShortlistWhere stories live. Discover now