Kapitel 7

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Nach der letzten Stunde warteten Jake und Jared vor dem Schulgebäude auf mich. Ich gab es ja nur ungern zu, aber mittlerweile hatte ich mich nicht nur daran gewöhnt, sondern ärgerte mich sogar darüber, wenn einer der beiden länger Unterricht hatte.

„Da hat sich ja mal wieder jemand Zeit gelassen", sagte Jared mit einem Grinsen.

„Ich habe doch gesagt, ich würde heute ein bisschen länger brauchen!", protestierte ich. Anscheinend hatte etwas bei meinen Akten nicht ganz gepasst, und da meine werten Eltern noch immer mit dem Umzug weit weg von hier beschäftigt waren, lag es jetzt an mir, meine Geburtsurkunde aus unzähligen Kisten hervorzukramen. Wenigstens eilte es nicht – die Direktorin hatte gemeint, es würde reichen, die Papiere bis Ende des Wintersemesters nachzubringen. Da ich gerne mal etwas aufschob, würde sie wohl noch eine Weile darauf warten müssen.

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Wir waren die Letzten, die das Schulgelände verließen, da ich so getrödelt hatte. Und, na ja, weil es in einem Dorf wie diesem nicht allzu viele Schüler gab.

Wie immer schlugen wir die Abkürzung durch den Wald ein, in dem ich neuerdings sogar gelegentlich alleine spazieren ging. Bisher hatte ich es geschafft, mich nur ein einziges Mal zu verlaufen, und ich war entgegen all meiner Theorien noch keinem einzigen axtschwingenden Mörder begegnet. Nur einmal einem Wolf, aber das war ziemlich sicher einer der Werwölfe gewesen, denn er hatte mich direkt angesehen, einmal geschnaubt und war wegstolziert. Ob es hier auch Bären gab? Wenn ja, hoffentlich nur Braunbären, die einem nichts taten, und keine mordenden Grizzlys.

Unter meinen Füßen knirschte das Herbstlaub.

„Was wollen wir heute Nachmittag machen?", fragte Jared. „Ein Freund von mir hat einen Tischtennistisch aufgetrieben, wenn ihr wollt, könnten wir dort vorbeischauen."

„Und mit deinen stinkenden Werwolffreunden abhängen?", schnaubte Jake.

„Wir stinken nicht, du stinkst!"

„Ihr könnt tun, was ihr wollt – ich muss lernen", seufzte ich. Mrs. Greywoods hatte mal wieder einen zehnseitigen Aufsatz als Hausaufgabe gegeben.

„Ach was, das kannst du morgen auch noch machen", sagte Jake mit einem Grinsen.

„Könnte ich vielleicht, wenn deine Mutter nicht so viele Hausaufgaben geben würde", erwiderte ich.

Jared nickte zustimmend. „Mrs. Greywoods ist die schlimmste Lehrerin der gesamten Schule."

„Hey, hört auf, über meine Mutter zu lästern! Ich weiß, sie ist furchtbar streng –"

„Du meinst wohl furchtbar und streng", warf Jared ein.

„– aber sie will nur das Beste aus den Schülern herausholen."

Plötzlich blieb Jared stehen und schnupperte. Er runzelte die Stirn. „Riecht ihr das auch?"

Jake rollte mit den Augen. „Also wenn du jetzt noch einmal sagst, dass ich stinke, dann..."

Jared wandte sich zur Seite und atmete tief ein. Er sah irgendwie seltsam dabei aus – ganz daran gewöhnt, dass es Vampire und Werwölfe mit besonderen Fähigkeiten gab, hatte ich mich wohl noch nicht. Ich tat es ihm gleich, doch ich konnte keinen anderen Geruch wahrnehmen als den nach frischer Waldluft und Kiefernnadeln.

„Was riechst du?", fragte Jake.

Jareds Stirnrunzeln vertiefte sich. „Schwer zu sagen. Es ist irgendetwas Verdorbenes."

„Wie gesagt, Jared, wenn das wieder irgendein doofer Scherz von dir ist..."

„Ist es nicht", erwiderte Jared mit einem Kopfschütteln. Er deutete in den Wald hinein, abseits des Weges, wo die Bäume etwas höher und dichter standen. „Hier entlang", murmelte er und verließ den Weg.

Die Bewohner von Harrowville (Band 1: Spinnen) | Wattys 2022 ShortlistWhere stories live. Discover now