Kapitel 23

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Jared

Es war bereits lange nach Mitternacht, doch Jared war noch wach. Wenigstens war er nicht alleine: Mel und ein paar andere aus seiner Klasse saßen in ihrem Keller und schlugen gemeinsam mit ihm die Zeit tot.

„Wieso bist du eigentlich noch hier?", fragte Mel und setzte sich auf den Sessel neben ihn. „Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass du Lina noch besuchen würdest." Ihre grünen Augen leuchteten wissend. „Ich weiß, dass du sie magst."

„Ach, sei still", murmelte Jared. Dann seufzte er. „Ich habe ihr vor einer halben Stunde geschrieben, ob es okay wäre, wenn ich noch vorbeikomme. Sie hat nicht geantwortet."

„Geh doch einfach zu ihr", erwiderte Mel. „Vielleicht hat sie nicht auf ihr Handy geschaut – oder mal wieder keinen Empfang."

„Oder sie schläft schon", sagte Jared. „Ich will sie nicht aufwecken."

Mel winkte ab. „Ach was, sie kann doch ausschlafen, morgen kommt sie bestimmt noch nicht zurück in die Schule. Nicht mit der Verletzung."

„Wie geht es dir eigentlich?", fragte Jared. Mel war am Nachmittag überraschend doch noch aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Sie hob ihren Arm hoch, der keinen Verband mehr trug. „Sieht so aus, als hätte ich das Gift vollkommen abgebaut. Und der Rest ist schnell verheilt." Dort, wo Arac sie gebissen hatte, waren noch ein paar kleine, narbenartige Einkerbungen zu sehen, doch der Rest der Wunde war verschwunden.

„Wir könnten gemeinsam gehen", schlug Mel vor. „Ich ... sollte sowieso noch mit Maude reden."

„Mit Maude? Ist zwischen euch etwas passiert?", fragte Jared. Wenn ja, hatte er das nicht so ganz mitbekommen.

„Na ja, also..." Mel räusperte sich. „Das ist eine etwas längere Geschichte. Wenn du willst, erzähle ich sie dir auf dem Weg." Sie stand auf.

„Und was ist mit den anderen?", fragte Jared und deutete um sich.

Mel winkte ab. „Die finden schon von selbst nach Hause. Und jetzt komm."

Jared erhob sich mit einem Seufzen und folgte Mel. Klar, er wollte Lina auf jeden Fall so bald wie möglich wiedersehen, aber er wollte auch nicht zu aufdringlich wirken. Vor allem, da sie noch nicht auf seine Nachricht geantwortet hatte. Vielleicht hatte sie ja gerade überhaupt keine Lust, irgendjemanden zu sehen, und wollte einfach nur ein bisschen Ruhe haben. 

Auf dem Weg zu Lina wirkte Mel ungewohnt nervös.

„Du hast mir noch immer nicht gesagt, was zwischen dir und Maude los ist", sagte er.

Mel zögerte kurz. „Versprich mir, dass du mich nicht dafür verurteilst."

Jared runzelte die Stirn. „Seit wann hast du denn Angst davor, dass dich jemand für irgendetwas verurteilen könnte? Erinnerst du dich noch daran, als du dich geoutet hast?" Er räusperte sich. „Und jeder, der ein Problem damit hat, istselbst dafür verantwortlich, mir aus den Augen zu bleiben", zitierte er.

Mel lachte und boxte ihm in die Schulter. „Jaja, ich weiß", sagte sie. Ihre Miene wurde etwas ernster. „Aber das hier ... ist ein bisschen etwas anderes. So etwas hat es bei uns noch nie gegeben."

Jared hob eine Augenbraue. „Na dann mal raus damit."

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Mel antwortete. „Sagen wir es mal so: Es könnte eventuell sein, dass ich Maude gerne habe. Also sehr gerne, wenn du verstehst, was ich meine."

Jared blieb stehen. „Was? Das ist nicht dein Ernst, oder?"

„Doch, eigentlich schon." Mel blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu ihm um. In ihren Augen brannte ein grünes Feuer. „Wieso? Hast du ein Problem damit, nur weil sie ein Vampir ist?"

Die Bewohner von Harrowville (Band 1: Spinnen) | Wattys 2022 ShortlistWhere stories live. Discover now