Teil 54

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Stöhnend drehte ich mich auf die andere Seite, als mein Wecker klingelte. Ich tastete blind nach meinem Handy, um den Alarm auszuschalten, aber da war nicht wie gewohnt mein Nachttisch, sondern etwas anderes. Etwas weicheres. Das Weiche bewegte sich und der Wecker verstummte.

Verwirrt öffnete ich die Augen, schloss sie aber gleich darauf wieder, weil das Licht zu sehr blendete.

„Snow." Eine Hand legte sich auf meine Schulter und rüttelte leicht daran. „Snow, wach auf."

Murrend startete ich einen neuen Versuch und blinzelte verschlafen gegen das Licht.

Levis Gesicht schwebte vor meinem. Seinen Ausdruck konnte ich nicht ganz deuten. Er schwankte irgendwo zwischen Überraschung und Zufriedenheit.

Aber die eigentliche Frage war ohnehin, was er in meinem Bett tat.

Verwirrt sah ich mich um. Oder ich in seinem.

Langsam kamen die Erinnerungen von gestern Abend wieder zurück. Wir hatten gelernt und nach dem Essen hatte er mir von seiner Schwester erzählt. Oh. Er hatte geweint. Und ich auch.

Und dann... dann hatten wir uns geküsst. Intensiv geküsst.

Augenblicklich verfärbten sich meine Wangen rot.

Wir mussten danach eingeschlafen sein und jetzt war es bereits morgens und wir mussten in die Schule.

Plötzlich viel wacher setzte ich mich aufrechter hin und fuhr mir durch die wirren Haare.

„Oh Mist!" fluchte ich.

Levi grinste mich schief an. Auch er sah noch ziemlich müde aus und seine Haare standen in alle Richtungen ab.

„Es tut mir leid." Erklärte ich mit rauer Stimme „Ich muss wohl eingeschlafen sein."

Er lächelte und legte seinen Daumen an meinen Mundwinkel. Es war nur eine flüchtige Berührung, aber sie brachte mein Herz zum Überkochen.

„Nicht schlimm. Ich bin auch eingeschlafen." Er sah mich so innig an, dass ich das Gefühl hatte, ihn noch einmal küssen zu müssen. Alleine schon, um zu wissen, ob das gestern etwas zu bedeuten hatte.

Wir hatten uns schon einmal geküsst und danach wollte keiner drüber reden. Ob ich es diesmal genauso handhaben konnte, zweifelte ich an.

Er neigte seinen Kopf etwas vor und legte Daumen und Zeigefinger an mein Kinn, damit ich seinem Blick nicht auswich.

„Wegen gestern..." fing er an und ließ den Satz dabei unbeendet zwischen uns hängen. Sein Blick huschte über mein Gesicht, als suche er nach einer Regung. Er schien genauso verunsichert, wie ich mich fühlte. Aber ich machte ihm nicht die Freude und nahm ihm das ab. Er hatte es angefangen und jetzt musste er es auch beenden.

„Ich..." er räusperte sich, weil seine Stimme wegbrach. Am Morgen klang sie noch viel dunkler und rauer als sonst. „Ich will, dass du weißt, dass ich dich nicht nur geküsst habe, weil es mir nicht gut ging." Levi sprach langsam. So als würde er versuchen meine Reaktionen zuerst abzuschätzen.

Ich bemerkte wie meine Augen größer wurden und ich mir auf die Unterlippe biss. Lächelnd schob ich meine Hand über die Bettdecke zu seiner.

Diese Geste schien ihn wohl zu ermutigen, denn er sprach weiter.

„Ich habe dich geküsst, weil ich dich mag. Ehrlich gesagt mag ich dich sehr. Ich glaube ich bin vielleicht in dich verliebt." Schüchtern sah er mich durch seine Wimpern an.

Ich hob grinsend eine Augenbraue „Du glaubst es vielleicht?" stichelte ich.

Ein ausgestoßenes Lachen seinerseits folgte und er ließ die Hand an meinem Kinn zu meiner Wange gleiten.

„Ich bin in dich vernarrt. Schon als du mich auf dem Gang damals angesprochen hast, fand ich dich unheimlich faszinierend."

Mein Lächeln wurde breiter. „Tja, ich glaube ich bin vielleicht auch in dich verliebt, Levi Randalls."

Fasziniert beobachtete ich, wie während meiner Worte Lachfältchen um seine Augen auftauchten.

Dann lehnte er sich noch weiter vor und küsste mich. Es war kein vorsichtiger Kuss, aber auch kein drängender. Es war eher ein Kuss, den man genoss. Einer, den man versuchte im Gehirn abzuspeichern, um die Erinnerung jederzeit wieder abzurufen.

Nachdem er sich wieder von mir gelöst hatte, eine Hand immer noch an meinem Hinterkopf, lächelte er mich so aufrichtig an, dass mein Herz dahinschmolz.

„Heißt das..." ich schluckte, weil ich mich nicht richtig traute, ihn das zu fragen. Aber dann rief ich mir in Erinnerung, dass ich mit Levi über alles reden konnte. Bei Levi konnte ich sicher sein, dass er nicht lachen und in jedem Fall respektvoll mit mir umgehen würde. „Heißt das, wir sind jetzt ein... ein Paar."

Er rückte noch etwas von mir ab, um mich genauer ansehen zu können. „Wenn du das möchtest."

Nervös lachend nickte ich eifrig.

„Gut." Schmunzelte Levi „Weil mein Ego ansonsten ziemlich gekränkt gewesen wäre."

Ich grinste und gab ihm einen kurzen Kuss auf den Mund.

„So, jetzt sollten wir uns aber fertig machen. Möchtest du, dass wir vorher noch zu dir fahren, damit du dich umziehen kannst?" er stieg über mich hinweg aus dem Bett und drückte mir dabei einen Kuss auf die Stirn und einen weiteren auf die Wange. „Du kannst sonst auch ein T-Shirt von mir haben und deine Hose von gestern anziehen."

Ich sah an mir hinunter. Scheinbar hatte ich meine Hose vor dem Schlafen ausgezogen und nur in meinem Shirt geschlafen.

„Ich glaube ein Shirt tuts auch."

***

Levi fuhr mich an dem Tag zum zweiten Mal in Folge zur Schule, was natürlich nicht wenig Aufmerksamkeit auf sich zog. Levi war zweifellos einer der begehrtesten Jungs an der Schule.

Ich stellte mich vor Unterrichtsbeginn zu ihm und seinen Freunden. Oliver schien zu ahnen, dass sich zwischen uns etwas verändert hatte. Levi nahm meine Hand in seine und legte irgendwann sogar einen Arm um meine Schultern.

Während Oliver uns jedoch nur stillschweigend beobachtete, ging Sawyer eher direkt an die Sache dran. Er fragte geradeheraus was jetzt bei uns anging.

„Levi ist jetzt offiziell mein Freund." Gestand ich schließlich.

Ich spürte, wie sich bei diesen Worten Levis ganzer Körper erst anspannte und er dann ganz entspannt wurde. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und als ich zu ihm aufsah, konnte ich sehen, dass er vor Stolz strotzte.

Levi begleitete mich zu meiner ersten Stunde und auf dem Weg dorthin machte wir einen Halt an meinem Spind.

Thalia stand bereits dort und kam uns entgegen, als sie uns entdeckte.

Meine Nervosität steigerte sich etwas. Ich hatte verdrängt, dass Thalias und meine Situation seit gestern etwas kompliziert war. Wir hatten nicht darüber geredet und auf die Nachricht, die ich ihr gestern noch geschickt hatte, hatte sie nicht geantwortet.

Als ich sie jetzt ansah, war ich nicht sicher, wie ich am besten reagieren sollte und ihr schien es genauso zu gehen.

„Hey." Sagte ich leise. Levi drückte meine Hand und lächelte mich an.

„Ich lasse euch mal alleine."

Ich erwiderte das Lächeln und er drückte mir einen Kuss auf den Scheitel, ehe er ging.

„Hi." Thal lächelte schüchtern „Hör mal, ich wollte wegen gestern mit dir reden."

Ich nickte. „Ja hab ich mir gedacht." Wir gingen zusammen zu meinem Spind, damit wir nicht im Weg standen. „Ich wollte nicht, dass du es so erfährst." Erklärte ich. „Ich stand schon immer auf Milo, aber in letzter Zeit ist es weniger geworden. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal mehr, ob wir überhaupt noch richtige Freunde sind. Ich glaube wir haben uns schon lange auseinandergelebt. Außerdem hätte ich mich nie zwischen euch beide gedrängt."

Thalia nickte und lächelte mich an. Diesmal war das Lächeln erleichtert. „Ich muss mich auch entschuldigen." Erklärte sie. „Als ich gestern gehört habe, wie du über Milo geredet hast, habe ich einfach irgendwie auf Autopilot reagiert. Ich weiß auch nicht, aber du bist so ziemlich die beste Freundin, die ich je hatte und das hat mich einfach aus der Bahn gerissen. Aber dann habe ich darüber nachgedacht. Und mir ist klar geworden, dass deine Gefühle für jemand anderen nichts zwischen uns ändern. Ich hätte deine Nachricht nicht ignorieren sollen. Sorry."

Ich lachte hysterisch, weil ich so erleichtert war. „Ich bin froh, dass du das so siehst. Du bist nämlich auch die beste Freundin, die ich je hatte."

Thal trat vor und schlang ihre Arme um mich. Ich erwiderte die Umarmung.

„Ich weiß ich hätte dir sagen sollen, dass ich Milo mag, aber es erschien mir irgendwann einfach nicht mehr so wichtig. Ich schätze ich habe eigentlich schon lange gar nicht mehr so starke Gefühle für Milo, aber es hat immer so gewirkt, als hätte er plötzlich doch Interesse und vermutlich habe ich es mir deshalb nur weiter eingeredet." Thalia nickte und sah dabei etwas nachdenklich aus, aber sie schüttelte leicht den Kopf und sah mich dann wieder normal an.

„Und Levi?"

Ich begann zu grinsen. Allein sein Name sorgte dafür, dass Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten. „Wir sind jetzt zusammen."

Thal kreischte auf und ein Mädchen sah irritiert zu uns herüber. „Echt?" rief sie „Das ist ja süß! Du musst alles erzählen. Vom ersten Kuss bis zu den kleinsten Flirtereien."

Und so erzählte ich Thalia alles. Angefangen bei unseren Neckereien und dem Essen bei seiner Familie. Von Levis Aufmerksamkeit. Wie er immer versuchte mir zu helfen und mich zu beschützen.

Und während ich erzählte wurde mir klar, wie lange ich schon in ihn verliebt war. Levi war von Anfang an immer bedacht gewesen meine Gefühle zu schonen. Und er hatte mich Beschützt.
Schon immer. Seit wir uns kennengelernt hatten, hatte er nie aufgehört dafür zu sorgen, dass es mir gut geht. Und er war von Anfang an ein Freund gewesen. Ich konnte ihm von Anfang an vertrauen und auf ihn zählen. Vielleicht hatte ich schon damals auf dem Gang angefangen ihn zu mögen und es nur nicht gemerkt, weil ich zu fixiert auf Milo gewesen war. Vielleicht war Levi mir einfach schon immer vorherbestimmt gewesen.



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In einer halben Stunde das nächste Kapitel!

lasst gerne eine Meinung da.

SnowwhiteWhere stories live. Discover now