Teil 39

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Ich war eine Idiotin. Und ich war naiv und voreingenommen. Ich hatte Levi auf etwas hinabgestuft, dass ich von andern wusste und ich bewertete ihn mit Vorurteilen. Normalerweis verabscheute ich es, Menschen in Schubladen zu stecken, aber bei Levi war es mir doch passiert.

 Ich bemerkte meinen Fehler, während ich neben ihm in seinem Auto saß.

 Ich dachte daran, wie distanziert seine Stimme gewesen war, als er mich gefragt hatte: Habe ich dich jemals behandelt wie Dreck?

Ich kannte die Antwort. Sie lautete nein. Nein, Levi hatte mich nicht einmal behandelt wie Dreck. Er war zwar nicht sehr freundlich gewesen, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren, aber dennoch war ich mir sicher, dass andere an seiner Stelle viel unfreundlicher gewesen wären. Trotz meines blöden Anmachspruchs hatte er mich behandelt wie jeden anderen und war danach sogar ziemlich vorurteilsfrei mit mir umgegangen. Er hatte mich vor Jackson gerettet und was tat ich?

 Ich hätte ihn mit dem gleichen Respekt behandeln müssen.

 Und obwohl ich all das einsah und mich schuldig fühlte, sagte ich während der Fahrt kein einziges Wort zu ihm. Ich war zu stolz, um einzusehen, dass ich einen Fehler gemacht hatte.

 Das Einzige, worum ich ihn bat, war, mein Fahrrad auf dem Weg zu ihm von der Reparatur abzuholen. Und das taten wir auch. (Zum Glück passte es auf die Rückbank.)

 Wir parkten schweigend vor seinem Haus, stiegen ebenso schweigend aus und redeten auch kein Wort, als wir bereits in seinem Zimmer waren. Das letzte Mal hatte ich nicht wirklich darauf geachtet, wie es hier aussah, aber jetzt sah ich mich ausgiebig um.

 Sein Zimmer war klein. Nicht viel größer als meins, aber es sah schöner aus. Die Tapete blätterte nicht von den Wänden und war in einem schönen Pastellgrau gestrichen. An einer Wand standen zwei niedrige Regale, mit alt aussehenden Büchern, DVDs, CDs und Computerspielen darin. Auf einem der beiden stand ein kleiner Fernseher und auf dem anderen ein paar Bilderrahmen. Ich wäre gerne näher ran gegangen, um sie mir genauer anzusehen, aber Levis Blick lag auf mir, wie Argusaugen und ich traute mich nicht.

 Möglichst unauffällig ließ ich meinen Blick zu der anderen Zimmerecke schweifen. Dort stand sein Bett, die Decke lag unordentlich darauf und er besaß nur ein Kissen. Für mich wäre das der Horror gewesen. Ich brauchte mindestens zwei Kissen zum Schlafen.

 Zwischen Türe und Bett war ein Nacht Schrank positioniert. Ein wenig Kram stand darauf herum, gleich neben einer hübsch aussehenden Nachttischlampe mit weißem Schirm.

 Und auf dem Boden lagen überall Klamotten. Eine Socke hing übers Bett, eine Hose lag quer auf dem Boden und zwei Pullis über der Lehne seines Schreibtischstuhls. Wenn ich mich nicht recht irrte, fischte Levi gerade eine Unterhose unter dem Bett hervor und ließ sie unauffällig im Wäschekorb verschwinden.

 Ich fand es irgendwie lustig. Es war süß, dass er sich dafür schämte oder es ihm unangenehm war. Trotzdem tat ich, als hätte ich nichts gesehen. Ich wollte ihn jetzt nicht aufziehen. Nicht nach dieser unangenehmen Stille zwischen uns.

 Gerade wollte ich etwas Nettes zu seinem Zimmer sagen, da kam Levi mir schon zuvor.

 „Fangen wir an?"

 Ich zuckte zusammen, nickte aber und setzte mich neben ihn, auf den zusätzlich hingestellten Stuhl.

 Dann fingen wir an, ein paar Aufgaben zu rechnen.

***

Es wurde immer später und die miese Stimmung wich langsam der Konzentration. Ich war so im Rausch, weil Levi endlich ein Thema verstanden hatte, dass ich gar nicht merkte, wie die Zeit verstrich. Es wurde immer dunkler draußen und vor einiger Zeit hatten wir bereits gehört, wie sein Dad und seine Schwester nach Hause gekommen waren, aber keiner der beiden war in sein Zimmer gekommen.

SnowwhiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt