Teil 8

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Den Rest der Woche über hielten sich meine Begegnungen mit Levi in Grenzen und wenn ich ihm doch über den Weg lief, dann drehte ich um oder versuchte möglichst unauffällig mich zu verstecken.

Wir hatten Donnerstag und Freitag keinen Unterricht mehr zusammen und obwohl ich wusste, dass wir uns spätestens Freitagabend sehen würden, suchte ich ständig weiter nach möglichen Auswegen und Entschuldigungen. Es war mir weiterhin schrecklich peinlich, dass nicht nur Milo, sondern auch Levi mich im BH auf dem Flur haben stehen sehen.

Aber der grimmige Blick von Milo ging mir ebenfalls nicht mehr aus dem Kopf. Wie er Levi angeschnauzt hatte, er solle mich beim Namen nennen und wie er meine Hand gedrückt hatte.

Jedes Mal, wenn ich daran dachte wurde mir warm und ein leichtes Kribbeln machte sich in meinem Magen bemerkbar und immer wenn er mich nur flüchtig und zufällig berührte, fing ich an zu schwitzen und lief rot an.

Freitag nach der Schule machte ich mich wie jeden anderen Tag der Woche auch, auf den Weg ins Diner. Nur diesmal aus anderen Gründen. 

Ich ging zu Fuß, weil ich es immer noch nicht geschafft hatte, das Fahrrad in die Werkstatt zu bringen.

Als ich gegangen war, hatte meine Mom gerade unsere kleine Wohnung im schlechteren Viertel von Brokenhills verlassen. In den letzten Tagen war sie wieder arbeiten gegangen, was zu einem Großteil vermutlich daran lag, dass ich die Geld Dose woanders versteckt und ihr damit der Geldhahn für Alkohol abgedreht worden war. In solchen Fällen ging sie für etwa ein oder zwei Wochen wieder zur Arbeit, um Geld ran zu schaffen, dass sie dann versaufen konnte. Anstatt, dass sie auch einen Teil zur Miete beitrug.

Ich blieb eine Weile vor dem Wohnkomplex stehen und sah meiner Mom nach. Sie war nur leicht angetrunken, wenn man sie mit sonst verglich und bog rechts um die Ecke, Richtung ihrer Lieblingsbar.

Schließlich gab auch ich mir einen Ruck und machte mich auf in die entgegengesetzte Richtung. Ich ging betont langsam und wenn ich ehrlich war, wünschte ich mir beinahe, dass mich ein Auto anfahren und ich leicht verletzte ins Krankenhaus kommen müsste.

Ich weiß, sowas sollte man sich nicht wünschen und vermutlich tat ich es auch nicht ernsthaft, aber jeder kannte doch diese Momente, in denen einem alles recht gewesen wäre, um einen zu verhindern.

Ich wollte nicht ins Diner und mit Levis dieses Philosophieprojekt machen. Tatsächlich glaubte ich, dass er vielleicht gar nicht auftauchte, oder ich alles allein machen musste. Wenn ich es mir allerdings überlegte, dann hätte ich da auch nichts gegen. Von mir aus könnte er zuhause bleiben, dann hatte ich wenigstens meine Ruhe.

Als ich das kleine Café betrat, schlug mir angenehm warme Luft entgegen. Draußen regnete es und ich musste zunächst meine Jacke ausziehen, die vollkommen durchnässt war. Tropfend lief ich zum Tresen. Mein Rucksack war das einzige an mir, das noch trocken war, was daran lag, dass ich mich mit meinem Körper gegen den Regen geschützt hatte. Meine schwarzen Haare, die ich sonst zu schönen Wellen gebändigt bekam, standen jetzt in wilden Locken von meinem Kopf ab, was mir gar nicht gefiel.

Immerhin hatte ich heute keine weiße Bluse an, die vom Regen durchsichtig werden konnte, sondern einen weiten Yale-Pulli. Allerdings war auch dieser dem Regen nicht verschont geblieben. Statt hellgrau, war er jetzt eher dunkel.

Riley, meine Arbeitskollegin stand an der Kaffeemaschine und warf mir ein Grinsen über die Schulter zu, dass ich mit einem Grinsen erwiderte.

„Kann ich meine Jacke hinten über die Heizung hängen?" fragte ich und sie nickte.

„Du kannst sie mir auch einfach geben, ich muss eh gleich nochmal nach hinten, ich warte nur noch bis Bruce raus kommt und mich kurz ablöst."

Ich schlenderte zu ihr hinüber und stellte mich neben sie. Mir war bewusst, dass ich ein wenig bemüht wirkte, aber mir war gerade alles recht, um hinauszuzögern, was ich jetzt mit Levi machen musste.

„Hast du heute Dienst?" fragte Riley und warf mir einen irritierten Blick zu „Du stehst gar nicht im Plan." Sie schob den Kaffeebecher einer Frau auf der anderen Seite der Theke zu und machte sich direkt daran, den nächsten zu machen.

„Nein, ich bin... verabredet."

Sie lächelte bedeutungsvoll. „Deshalb hat der heiße Typ da drüben nach dir gefragt." Sie nickte zur Fenster Seite des Diners und ich folgte ihrer Geste. 

Tatsächlich saß dort an einem Tisch Levi. Eine Tasse vor sich auf dem Tisch und ein Buch vor sich aufgeschlagen. Einen Moment lang dachte ich er würde lesen und war sprachlos, aber dann sah ich das Handy in seiner Hand und verdrehte die Augen. Als ob Levi überhaupt lesen könnte.

Ich seufzte. „Wir müssen etwas für die Schule gemeinsam machen." Murrte ich widerwillig und Riley drehte sich zu mir um. Ihre grünen Augen funkelten mich gefährlich an und ich ahnte nichts Gutes.

„Vielleicht kann aus diesem Schulzeug ja mehr werden." Sie grinste und lehnte sich gegen die Arbeitsfläche. Ihre üppigen Brüste sorgte dafür, dass die Arbeitsweste an den oberen Knöpfen gefährlich spannte. Ich fürchtete jedes Mal beinahe, dass die Knöpfe einfach abspringen und irgendwem ins Auge springen würden, aber bisher war immer alles gut gegangen.

Ich schüttelte demonstrativ den Kopf. „Oh nein!" sagte ich bestimmt und vielleicht ein Ticken zu heftig, was Riley dazu veranlasste die Augenbrauen hochzuziehen. „Erstens, ist Levi der größte Arsch an unserer Schule und zweitens überhaupt nicht mein Typ."

„Reden wir von dem Typen dort hinten am Fenster?" fragte Bruce, der neben mir aufgetaucht war und nickte zu Levi.

„Ja." Sagte ich.

Bruce boxte mir mit dem Ellenbogen leicht gegen die Seite. „Dann hast du gelogen." Stellte er nüchtern fest „denn der Typ ist wirklich jedermanns Beuteschema. Selbst ich finde ihn heiß und dabei stehe ich zu 100% Prozent auf Mädchen."

Riley verdrehte die Augen und visierte Bruce an „Wir wissen, dass du auf Mädchen stehst, weil du das schließlich jedes Mal klar deutlich machst, wenn du mit deinen ganzen Tussis abziehst." Spottete sie.

Bruce und Riley gingen zusammen auf das örtliche College in der größeren Stadt neben Brokenhills und kannten sich schon von dort. Die beiden hatten vor etwa einem halben Jahr gemeinsam im Diner angefangen und mittlerweile war jedem des Teams klar, dass es zwischen den beiden eine energetische Spannung gab. 

Es war nicht zu übersehen, dass die beiden aufeinander standen und das ständige rumgezankte eher liebevolle Neckereien waren. 

Allerdings war Bruce ein noch schlimmerer Frauenheld als Levi (was etwas heißen musste) und er nutzte es, um Riley zur Weißglut zu treiben.

„Du bist doch nur neidisch, dass ich nach unserer Schicht nicht mit dir nach Hause gehe." Er lächelte provokant aber mit einem Glitzern in den Augen, dass verdächtig nach Verlangen aussah. Langsam beugte er sich zu Riley vor „Dabei hätte ich da nichts gegen."

Rileys Wangen färbten sich rot und, um es zu überspielen, boxte sie ihm feste in die Magengrube.

Bruce gab ein Stöhnen von sich und ich musste lachen.

Dann drehte er sich zu mir. „Hey, dein heißer Typ, sieht übrigens schon die ganze Zeit hier rüber. Vielleicht solltest du mal zu ihm gehen." Schlug er vor und klopfte mir auf die Schulter, als wäre ich ein Kind, dem er Mut zusprechen wollte.

Also verabschiedete ich mich knapp von den beiden Turteltauben und erwiderte gezwungen das Lächeln, das Levi mir schenkte, als ich mich ihm gegenüber an den Tisch setzte.



SnowwhiteOù les histoires vivent. Découvrez maintenant