Teil 35

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Ich schlief die Nacht über nicht gut. Tatsächlich schien mich die Sache mit Jackson mehr zu belasten, als mir zunächst klar war und einmal träumte ich sogar, dass ich vergewaltigt wurde. Und im Traum kam mir kein Levi zu Hilfe geeilt.

 Irgendwann lag ich nur noch da und starrte an die Decke. Obwohl ich erst zur zweiten Stunde Unterricht hatte, stand ich früher auf und schrieb Milo, wir würden uns direkt beim Diner treffen.

 Ich stieg unter die Dusche, sah nach meiner Mom und um viertel nach sieben machte ich mich auf den Weg zum Fahrradladen auf der Hauptstraße in Brokenhills.

 Der Laden war nur etwa Zen Minuten vom Diner entfernt und wenn ich mich beeilte würde ich es noch vor acht dorthin schaffen.

 Der Fahrradladen öffnete eigentlich erst um acht, aber ich kannte den Besitzer, weil er in der Woche häufig ins Diner kam und er machte mir zur Ausnahme schon eine Viertelstunde früher auf.

 Nachdem er einen kurzen Blick auf mein Fahrrad geworfen hatte, sagte er, ich könne es heute nach der Schule holen kommen. Den Preis konnte er noch nicht genau sagen, aber ich rechnete mit einer ungefähren Summe von 70 Dollar.

 Pünktlich zu meinem Treffen mit Milo war ich um acht im Diner.

 Er saß schon an einem der Tische und lächelte mir zu. „Guten Morgen." Strahlte er und ich erwiderte sein Lächeln zaghaft.

 Als ich heute Morgen einen Blick in den Spiegel geworfen hatte, sah ich furchtbar aus. Tiefe Augenringe und immer noch waren meine Augen gerötet. Ich hatte nur spärlichen Erfolg dabei gehabt das alles zu überschminken, aber am Ende war ich zumindest soweit zufrieden gewesen, dass ich aus dem Haus gegangen war.

 Zuerst hatte ich überlegt, die Schule einfach zu schwänzen. Vor allem, weil ich in der sechsten Stunde Biologie hatte und auf keinen Fall Jackson begegnen wollte, aber dann hatte ich mich zusammengerissen.

 „Hi." Erwiderte ich die Begrüßung meines Schwarms. „Wie geht's?"

 Er grinste „Großartig."

 „Das freut mich." Ich setzte mich ihm gegenüber und lächelte ihn an.

 „Thalia war gestern Abend bei mir." Verriet er mir und mein Lächeln wurde kaum merklich ein wenig schwächer.

 „Oh. Und was habt ihr gemacht."

 Milo zog seine Brauen in die Höhe und machte ein bedeutsames Gesicht. „Komm schon, du kannst es dir denken." Er grinste selbstzufrieden. „Wir haben miteinander geschlafen. Sie hat sich mir quasi an den Hals geworfen und da haben wir es getan." Berichtete er.

 Ich spürte wie mir ein wenig schlecht wurde. Ich freute mich für ihn. Und für Thalia. Naja, wenigstens versuchte ich, mich zu freuen, aber dennoch fiel es mir deutlich schwerer, mein Lächeln aufrechtzuerhalten.

 Dann lauschte ich stumm, seinen Erzählungen über Thalias Überraschungsbesuch und danach auch seien Berichten über all die Geschenke, die seine Eltern ihm von ihrer Geschäftsreise mitgebracht hatten. Lauter unnötiges Zeug, dass Milo zufolge sowieso in irgendeiner Kiste verschwinden würde.

 Ich saß stumm da und hörte zu. In Gedanken halb bei meinem Bett.

 Obwohl ich das Gefühl hatte, dass meine Teilnahmslosigkeit ziemlich eindeutig war, fragte Milo nicht einmal, ob mit mir alles okay war.

Aber vielleicht war es ja auch egoistisch von mir, das zu erwarten. Wenn ich wollte, dass er von

Jackson erfuhr dann sollte ich es ihm einfach sagen und nicht darauf warten, dass er nachfragte.

***

Vor der Biostunde stand ich im Mädchenklo vorm Spiegel und starrte mich selbst an.

 Ich hatte echt gedacht, dass ich es schaffen würde in den Biologieunterricht zu gehen, aber als ich vor dem Raum gestanden hatte, hatte mich wieder die Angst gepackt. Ich wollte Jackson nicht begegnen.

 Eine Kurzschlussreaktion hatte mich dazu gebracht, auf dem Absatz kehrt zu machen und geradewegs ins Mädchenklo zu rennen.

 Ich weinte nicht und zitterte auch nicht, sondern starrte einfach nur in meine eigenen Augen, die mir grau entgegenfunkelten.

 Ich war blasser denn je.

 Plötzlich schwang die Türe auf und als ich mich erschrocken umdrehte starrte ich in das Gesicht von Thalia.

 Ich mühte mir ein Lächeln ab, aber sie betrachtete mich skeptisch.

 „Ist alles okay bei dir?" fragte sie und wirkte tatsächlich besorgt.

 „Ja." Antwortete ich betont glücklich „Alles gut."

 Sie machte einen Schritt auf mich zu. „Ich habe gesehen, wie du hier rein gerannt bist und dachte ich sehe mal nach dir."

 Ich strich mir eine hahrsträhne hinters Ohr. „Aber es ist alles gut." Versicherte ich ihr und diesmal konnte ich nicht verhindern, dass meine Stimme am Ende brach. Ich spürte wie sich Tränen ihren Weg nach oben bahnen wollten.

 Mit ein paar Schritten war Thalia bei mir und nahm besorgt meine Hand in ihre. „Hey, Brooke. Du kannst es mir erzählen. Wir sind doch Freundinnen." Sie lächelte mir aufmunternd zu.

 Bei dem Wort Freunde, brachen meine Dämme.

 Ich begann zu weinen und Thalia nahm mich in ihre Arme.

 Sie tröstete mich und sagte beruhigende Dinge zu mir. Das alles gut werden würde und sie bei mir wäre.

 Ich war dankbar für ihre Anwesenheit.

 Als ich sie irgendwann fragte, ob sie nicht in den Unterricht müsste winkte sie nur ab und erklärte, dass ich jetzt erstmal wichtiger wäre. Dann fragte sie, ob ich ihr erzählen wollte, was los war und die Worte sprudelten nur so aus mir heraus.

 Es tat gut mit jemandem zu reden und als ich zu Ende erzählt hatte, fühlte ich mich befreit. Fast schon als wäre meine Angst etwas weniger geworden. Das Gefühl mein Geheimnis zu teilen, gab mir Sicherheit.

 Thalias Augen waren aufgerissen, als ich endete.

 „Du solltest das Melden, Brooke!" sagte sie aufgebracht. „Damit kann er nicht durchkommen."
Ich schniefte und hob die Schultern. „Levi hat ihn glaube ich schon genug eingeschüchtert."

 Sie schnaubte. „Dann sorg wenigstens dafür, dass er den Kurs wechselt. Du kannst dich schließlich nicht ewig um deinen Biounterricht drücken." Sie legte eine Hand auf meine Schulter.

 „Wenn du magst kümmre ich mich darum." Bot sie an.

 Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nicht nötig." Ich lächelte sie an „Irgendwann werde ich mich schon wieder in denselben Raum trauen."

 Darauf sagte Thalia nichts mehr. Sie sah nachdenklich auf ihre Schuhspitzen und stand dann auf einmal auf. „Na schön, aber wenn wir schon nicht im Unterricht sind, dann lass uns wenigstens etwas witziges machen." Sagte sie und reichte mir ihre Hand.

 Ich sah abwechselnd von der Hand zu ihr und zögerte. Doch dann dachte ich darüber nach, was sie gerade für mich getan hatte. Es war mehr als Clea und Milo in den ganzen Jahren zusammen für mich getan hatten. Gefühlt war es das erste Mal gewesen, dass es nur um mich gegangen war. Dass sich jemand um MICH gekümmert hatte und nicht umgekehrt.

 Und deshalb ergriff ich Thalias Hand und für mich fühlte sich diese einfache Geste an, wie der Start von etwas komplett Neuem.

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mal wieder ein Kapitel mit dem ich nicht ganz zufrieden bin, aber vielleicht gefällt es euch ja dennoch.

LG Kat

SnowwhiteWhere stories live. Discover now