Kapitel 74 - Fingernägel

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„Dei gar tin men téchnin chrísthai tois orgánois, tin de psychín to sómati." Ich zucke zusammen, als neben dieser tiefen Stimme eine höhere, sanfte Stimme ertönt, welche fast schon weiblich klingt, als Echo zu hören ist. „Jede Kunst muss ihre Werkzeuge zu benutzen wissen und jeder Körper seine Seele." Mein Kopf schnellt herum, doch ist hier niemand, auch die anderen scheinen verwirrt. Nadazz spricht erneut: „Ktinéon men evgéneia i tou skíneos efsthénia." Und die hohe Stimme echoet erneut: „Ein Tier wär' gut gezüchtet ausgestattet mit körperlicher Kraft." Sie übersetzt also den Zauber, oder wohl eher den Fluch, für uns. Auch wenn ich nicht weiß, ob mich das jetzt beruhigt. „Táchiston nous, dia pantós gar tréchei." „Der Verstand ist doch am schnellsten von allen, so wie er alles hindurchläuft." „Éxis feftéra fýsis." „Gewöhnung ist von zweiter Natur." Nun presst auch Jimin meine Hand ein wenig fester. „Psychís teleótis skíneos mochthiríin orthoí." Noch bevor das Echo ertönt, fangen meine Beine plötzlich an zu kribbeln. Ich schaue überprüfend zu Jimin und ihm scheint es genau so zu gehen. „Die Perfektion der Seele korrigiert die Falschheit des Körpers."

Es würde mich nicht wundern, wenn Jimin und ich uns gerade die Finger brechen, so fest wie wir uns gegenseitig an den Händen halten. Ich kann spüren, wie meine Beine aneinander gezogen werden. Nadazz hat uns nicht gesagt, dass es so weh tun würde, ein Blick zu Jimin zeigt, dass er so ziemlich das gleiche denkt. Ihm sind bereits Tränen in die Augen gestiegen und als ich ihm gerade zulächeln möchte, zieht sich ein stechender Schmerz durch meinen gesamten unteren Teil des Körpers. Ich lege meinen Kopf in den Nacken, verziehe das Gesicht und schreie einmal laut auf. Anschließend krümme ich mich soweit es geht zusammen, werde von einer Kraft allerdings wieder zum durchstrecken meines Rückens gezwungen. Mein Nerven spielen verrückt, ich kann spüren wir sich meine Haut immer weiter auflöst, wie meine Knochen zerfallen. Tränen rennen über mein Gesicht und erschreckend stelle ich fest, dass es sich bereits nicht mehr um Wassertropfen, sondern um Perlmutt handelt. Auch Jimin schreit laut auf, unsere Finger krallen sich ineinander und ich spüre, wie sich seine Fingernägel in meine Haut drücken und dort spuren hinterlassen. Meine Augen reiße ich plötzlich wieder auf, als erneut eine Welle Schmerz an meinen Beinen und Beinen zu spüren ist. Ein ersticktes, schmerzhaftes Stöhnen erklingt aus meinem Mund, als sie sich zu verlängern scheinen und meine Augen fallen wieder flatternd zu. Doch auf einmal ist der gesamte Schmerz verklungen und ich atme erschöpft auf, versuche meine Augen wieder zu öffnen. „Chárin lavón mémniso kai dous epilathoú." „Erinnere dich an den Gefallen, den du bekamst und vergesse den Gefallen den du tatest."

Nachdem diese Stimme verstummt ist, entspannt sich nicht nur mein Körper, auch Jimins Hand lässt meine langsam etwas lockerer. Jetzt bemerke ich, dass wir in eine Art helles Licht getaucht waren, denn dieses verblasst gerade stetig. Nadazz' Augen haben wieder ihre normale Farbe angenommen und er lächelt uns leicht an. „Es hat geklappt", sind seine Worte, als ich mich auch schon zu Jimin umdrehe und ihn mit großen Augen anschaue, er macht das gleiche bei mir. „Du siehst fantastisch aus", sagen wir gleichzeitig und lachen anschließend. Ich schaue mir seine Flosse genauer an. Sie ist in Grüntönen gehalten, doch von seinem Steißbein bis zur Bindungsstelle (ihr wisst schon, die, die so empfindlich ist) zieht sich eine sanft gespitzte Schleimhaut entlang, sodass es aussieht, als würde er mit Feuer spielen. Auch an seinem Rücken hängt eine Flosse, sie ist in orange-gold Tönen gehalten, sodass sie perfekt mit der restlichen Flosse harmoniert. Schuppen sind über seinen Oberkörper verteilt und betonen seine muskulöse Brust. Seine Kiemen sind allerdings kaum zu sehen, das waren sie auch beim Weltenkraut schon. Die Flosse selbst wiederum ist nicht so spektakulär, sie sieht aus, wie man sich so eine Flosse eben vorstellt – zwei identische, leicht geschwungene Teile. Seine schwarzen Haare haben allerdings auch einige Änderungen erhalten. Sie sind nun etwas länger, haben einige hellere Strähnen bekommen.

Shizseojin wedelt etwas mit den Händen und die Wassermasse vor uns verfestigt sich etwas, sodass wir uns beide selbst darin spiegeln können, wobei ich nun auch das erste Mal mich selbst sehe – und mein Atem stockt; bin das wirklich ich? Meine Haare sind viel länger geworden, sie gehen mir bis in die Mitte meines Rückens, sind jedoch zu einem gewissen Teil in einen Dutt gesteckt, welcher am Kranz mit einigen Muscheln verziert ist. Meine Ohren sind weiterhin etwa spitzer, die Schuppen in meinem sind jedoch etwas zurückgegangen. Meine Brust ist komplett nackt, dafür habe jeweils eine dünne Flosse in einem sanften violett an meinen Unterarmen. Meine Flosse ist größtenteils in einem weiß-silber gehalten (was bei meiner Schuppenfarbe nach Einnahme des Weltenkrauts keine große Überraschung ist), doch geht immer wieder in ein sanften violett über. Meine Flosse ist im Prinzip ein fransiger Fächer, der ab und zu über den Boden streift. Überraschenderweise fällt mir das schwimmen, oder in diesem Fall eher das Aufrechthalten, gar nicht schwer, es ist ein normaler Vorgang.

„Wir haben nicht mehr viel Zeit", lässt uns Hoseok dann wissen, „mein Vater ist wie gesagt momentan nicht im Palast, wodurch wir problemlos ins die Stadt kommen, weil die Wachen dann auf mich hören, aber wenn wir zu spät sind, haben wir ein Problem." Wir nicken. „Wir brauchen noch das Mal", erkläre ich und Jimin und ich drehen uns beinahe synchron um, wobei wir uns danach direkt wieder an den Händen fassen. Wir wurden gewarnt, dass es wehtun würde, und für immer eine Narbe bleiben würde, wenn wir es tun würden. Wir könnten auch einen Zauber die Sache machen lassen, doch den müssten immer wieder erneuern und es könnte uns in Schwierigkeiten bringen. Also kneifen wir die Augen zusammen, als unsere Initialen Zeichen für Zeichen in unsere Haut geschnitten werden. Dann seufzen wir erleichtert auf. „Okay ich denke, wir sind bereit", sagt Jimin, doch ich habe noch eine Frage an Nadazz. „Wenn man uns in Meermänner verwandeln kann, dann kann man doch den Fluch von Jungkook auch einfach mit deiner Magie wieder entfernen oder nicht?"

Nadazz lächelte leicht traurig und schüttelte den Kopf. „Prinz Jungkook ist eine Sirene und wurde dazu verbannt nie an Land zu gehen. Bei euch beiden war es ein Tricksen des Verstandes und der DNA, aber der Prinz wurde mit einem Bann belegt, der niemals wieder von ihm genommen werden kann. Man kann ihn auch nicht in ein einfaches Halbblut verwandeln, weil das wiederum dem Fluch widersprechen würde. Die einzige Möglichkeit wäre, ihn in einen Meermann zu verwandeln, dann würde der Fluch zwar weiterhin bestehen, aber man würde es nicht merken." „Woher weißt du so viel über seinen Fluch", fragt Hoseok verwirrt und Nadazz seufzt. „Wäre doch merkwürdig, wenn nicht, wo ich doch derjenige war, der ihm diesen Fluch auferlegt hat."

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Kimchi_Real

Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]Where stories live. Discover now