Kapitel 44 - Kaurimuscheln

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Am nächsten Morgen weckt mich meine Schwester schon um fünf Uhr, aber da ich weiß, was das bedeutet, steige ich fröhlich aus dem Bett, auch, wenn ich eigentlich noch müde bin. Gestern Nacht habe ich noch lange mit Jungkook geredet. Okay, eigentlich haben wir uns den größten Teil der Zeit verliebt angestarrt und geküsst, aber das ist ja fast das gleiche. Diesmal brauchte er nicht einmal verhüllendes Wasser, sondern hatte einen wunderschönen Lendenschurz, wie er ihn nennt, anhatte. Eigentlich ist es einfach nur eine enge Boxershorts aus feinem Material und darüber eine Art Rock, aber davon möchte er nichts hören. Wegen genau solchen kleinen Macken liebe ich diesen Jungen. Gestern war der Inbegriff von Wechsel der Gemüter; Jungkook war im einen Moment zuckersüß und dann hat er sich auf einmal an mich gedrückt und seine Hände in meinen Haaren vergraben. Er hat mir noch einiges über die Meereswelt erzählt und als ich ihm berichtet habe, dass wir zu meinem Großvater fahren hat er nur geschmollt. Doch als ich dann wiederum erzählt habe, dass ich ihm endlich sagen werden dass ich nicht wirklich hetero bin, wandelte es sich zu besorgt. Und wer hätte es gedacht: Kurz darauf lagen wir wieder küssend am Strand, während Jungkooks Schwanzflosse uns immer wieder mit Wasser bespritzte.

Jetzt suche ich mir bereits bequeme Klamotten aus meinem Schrank und mache mich anschließend mit diesen bewaffnet auf den Weg zum oberen Badezimmer. Wir haben zwei, da wir alle ungefähr um die gleiche Uhrzeit aufstehen und es sonst viel zu stressig werden würde; im unteren ist es aber nur eine kleine Dusche, ein Klo und ein Waschbecken, wohingegen das obere Badezimmer etwas mehr Luxus aufweist, wie zum Beispiel die wunderschöne, große Badewanne, in welcher ich mich besonders im Winter gerne verkrieche und auch mal mehrere Stunden nicht wieder hervorkomme. Von innen schließe ich die Tür ab, bevor ich mich ausziehe und dusche. Mit noch feuchten Haaren – jetzt hätte ich gerne Jungkooks Haartrocknungsfähigkeit – und in Jeans und T-Shirt tapse ich anschließend nach unten, wobei meine weißen Socken wahrscheinlich gleich nicht mehr ganz so weiß sein werden.

Ich gebe meinen Geschwistern als peinlicher großer Bruder einen Kuss zum Guten Morgen dazu und begrüße meine Eltern, die schon dabei sind etwas Proviant zu packen. Schnell geselle ich mich dazu. „Mutter, Vater?", frage ich dabei, als Eonjin und Jeonggyu sich fertig machen gehen. „Ja, mein Sohn?", erwidert mein Vater lächelnd. „Ich wollte Großvater heute endlich erzählen, dass ich– naja", druckse ich herum. „Dass du nicht Heterosexuell bist?", hilft meine Mutter mir nach und ich nicke, leicht bedrückt, weshalb sie sanft meine Hand nimmt. „Taehyung-ah, ich kenne meinen Vater. Es wird sich zwischen euch nichts ändern, egal wie er reagieren sollte", ich schaue sie etwas fragend an, auch mein Vater legt das Besteck zur Seite und schaut mich aufmunternd an. „Ich kann nicht vorhersehen, wie er reagieren wird, aber ich schwöre dir, dass er dich immer noch abgöttisch lieben wird. Vielleicht wird er etwas Zeit brauchen, wer weiß das schon, aber er würde dich niemals hassen oder verstoßen, also mach' dir darüber kein Sorgen okay, Tiger?", sagt sie sanft und ich umarme sie.

„Danke, dass ihr immer für mich da seid", sage ich, als mein Kopf ihre Schulter berührt. Mein Vater stellt sich hinter uns und umarmt mich ebenfalls. „Dafür ist Familie doch da", sagt er und ich genieße kurz die Zeit. „Aber ich bin immer noch kein Tiger!", schmolle ich dann, was meine Eltern lachen lässt, während sie von mir ablassen, damit wir weiter das Essen vorbereiten können. Wie prophezeit, packt meine Mutter natürlich auch die Reiskuchen ein. Gestern habe ich einen noch geklaut und Kookie mit zum Strand gebracht, sein Augen haben richtig gefunkelt. „Was esst ihr eigentlich so?", hatte ich ihn gefragt und Jungkook überlegte einen Moment. „Also wir ernähren und sehr viel von selbst gezüchteten Pflanzen und natürlich von Fisch, auch wenn es etwas befremdlich wirken mag, da viele von uns in den Augen vieler ja sowieso Fische sind", lachte er dann. „Naja, bei solchen Fischschwänzen", erwiderte ich dann und strich sanft über seine feinen Schuppen. „Waren diese Kristalle eigentlich schon immer an dem Schwanz oder wie sind sie dahin gekommen?", fragte ich ihn. Er beugt sich zu meinem Ohr und es kitzelte, als er flüsterte: „Magie."

„Hyung!", ruft mein Bruder und ich hätte fast mein Glas Ananassaft fallen gelassen. „Ja?", erwidere ich also nur, während ich schnell das Glas abstelle, aus welchem der Saft schon fast herausschwappt. „Wollen wir drei heute alle die Muschelarmänder tragen, die Oma uns mal geschenkt hat, bevor sie gestorben ist? Das würde Opa bestimmt freuen!", erzählt er mir begeistert und auch ich lächle. „Das ist eine gute Idee, sagst du Eonjin Bescheid?", er rennt direkt euphorisch zu ihr ins Zimmer, während ich schmunzelnd mit dem Saftglas zurück in meines gehe. Dort angekommen trinke ich etwas und schaue von hier auf den Strand, auf das Meer, wobei ich lächelnd an den gestrigen Abend denke. Anschließend suche ich das Armband heraus, wobei ich zum ersten Mal bemerke, woraus es besteht. Jungkook war nahezu empört darüber gewesen, dass ich mich so wenig mit Muscheln auskannte, als ich ihm erzählt habe, dass ich diese „komischen spitzen Dinge in denen sich kleine Krebse und Schecken verstecken und die so spiralig sind" echt schön finde, weshalb er mir eine kurze Nachhilfestunde in Muschelkunde gab, wobei er mir androhte, mich mit eben diesen „komischen, spiraligen, spitzen Dingern" zu bewerfen, würde ich noch einmal so auf die wunderschöne Welt der Muscheln herabblicken.

Das selbstgemachte Armband aus Kaurimuscheln war ein Weihnachtsgeschenk unserer Großmutter, vor sieben Jahren. Zum Glück hat sie einen verstellbaren Verschluss angebracht, sodass wir diese Armbänder immer noch sehr oft und gerne tragen. Früher haben wir diese Muscheln immer die „Zahnmuscheln" genannt, dass sie ein wenig so aussehen, als hätten sie Miniatur Zähne. Bei dem Gedanken daran muss ich schmunzeln. Als meine Mutter und ruft, kämme ich mir noch einmal kurz durch die Haare, bevor ich mir meine Schuhe anziehe, den Bilderrahmen einpacke und runter gehe. Unten laden wir unsere Taschen ins Auto und setzen und alle in das Auto meines Vaters. Von meinem Bruder werde ich aus den Gedanken gerissen, als er versucht darum herum zu kommen, auf dem Mittelsitz zu sitzen. Doch als ihm unser Vater androht, ihn im Kofferraum sitzen zu lassen, ist er still. „Ach wieso das denn, ich liiiiebe den Mittelsitz!", sagt er nur und kuschelt sich an diesen. Und schon fährt mein Vater los, während das Auto mit Lachen gefüllt ist.

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Kimchi_Real

Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]Where stories live. Discover now