„Keinen Schritt weiter!", fauchte Maude.

Er blieb tatsächlich stehen. „Ich will nur reden", sagte er und hob beide Hände. Ich glaube ihm kein Wort – seine Zähne waren auf einmal spitz.

„Wer bist du überhaupt?", fragte ich. Reden half immer dabei, Zeit zu schinden. Oder so. Zumindest in Filmen funktionierte es.

„Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass ich weiß, wer du bist."

Nicht ihr. Du. Er sprach einzig und alleine mit mir.

„Einen Namen hätte ich trotzdem gerne", erwiderte ich. „Ich kann dir natürlich auch selbst einen geben. Wie wäre es mit Stalkerarschloch? Du verfolgst mich heute schon den ganzen Tag, habe ich Recht?"

„Arac", sagte er auf einmal. „Du kannst mich Arac nennen, wenn du unbedingt einen Namen brauchst, Lina."

Oh verdammt – er wusste wirklich, wer ich war!

„Ich habe einen Vorschlag für dich, Arac", knurrte Maude mit rotglühenden Augen. „Du verpisst dich von hier, und zwar auf der Stelle, bevor ich dir die Kehle herausreiße!"

Beinahe hätte ich gegrinst. Einer wütenden Maude zu begegnen, konnte einen teuer zu stehen kommen. Aber eine wütende Maude an der Seite haben? Unbezahlbar!

Arac lachte leise und entblößte dabei seine spitzen Zähne. „Entschuldige, sollte ich mich jetzt fürchten?"

„Keine Ahnung, sollen wir uns etwa fürchten?", erwiderte ich und ballte die Hände zu Fäusten.

„Wenn ihr tut, was ich sage, wird nichts passieren." Erneut trat Arac einen Schritt näher. Verdammt, waren seine Zähne spitz!

„Wieso bringst du Leute im Wald um?", fragte ich.

„Komm mit, dann erkläre ich es dir."

Ich hielt inne. Sollte das hier eine Entführung werden?

„Keine Ahnung, was du von Lina willst, aber sie geht mit dir nirgendwohin!", fauchte Maude.

Arac antwortete nicht, sondern kam noch näher. Ich schluckte schwer. Was, wenn er Maude verletzte? Ja, sie war ein Vampir, aber dieser Typ hatte schon einen erwachsenen Werwolf im Wald getötet!

„Hey, alles klar bei euch?", hörte ich eine vertraute Stimme und drehte den Kopf zur Seite. Jake und Mel kamen in unsere Richtung gelaufen.

Als ich nach vorne blickte, war Arac verschwunden.

Jake blieb bei mir stehen. „Alles okay? Mel meinte, sie riecht etwas Seltsames."

Ich schauderte. Was für ein Glück, dass es Mel gab! Ohne ihren Geruchssinn wäre es vielleicht doch noch zum Kampf gekommen. Ich drehte mich zu ihr, um mich zu bedanken. Und hielt inne. Mel war bereits gegangen. Kurz blickte ich zu Maude. Sie sah aus wie ein Hundewelpe, den man am Straßenrand zurückgelassen hatte.

Jake zuckte mit den Schultern. „Vielleicht sollten wir auch wieder hineingehen."

Ich nickte langsam. Dann fiel es mir ein: Jared! Bestimmt fragte er sich, wohin ich verschwunden war...

Mit schnellen Schritten eilte ich zurück in Richtung Haus. Gerade, als ich eintreten wollte, ging die Tür auf und ich rannte direkt in Jared hinein.

„Da bist du ja!", sagte er. „Ich habe dich gesucht."

Ich senkte den Blick. „Sorry, Maude hat mich gebraucht."

„Na ja, auch egal. Gehen wir nach Hause?"

Ruckartig schnellte mein Kopf nach oben. „Nach Hause? Jetzt?"

„Ja, das war der Plan."

„Wir sollten lieber noch eine Weile bleiben", sagte nun Jake, welcher hinter mir aufgetaucht war. „Maude hat mir erzählt, was gerade passiert ist."

„Was ist denn passiert?", fragte Jared.

Ich schüttelte den Kopf. „Frag Maude, die erinnert sich bestimmt besser", sagte ich und schob mich an ihm vorbei nach drinnen. Wahrscheinlich hatte ich ja vorhin irgendetwas falsch verstanden. Wieso sollte auch irgendein verrücktes, übernatürliches Wesen hinter mir her sein? Das machte doch keinen Sinn!

„Hey, Lina!", rief jemand. Ich erkannte den Gastgeber. Genau, Lukas hieß er! Jetzt fiel es mir wieder ein!

„Du willst bestimmt noch eine Runde mit uns trinken, oder?", fragte er, und ehe ich antworten konnte, hatte ich ein kleines Glas mit einer goldenen Flüssigkeit in der Hand. Als etwa zehn Leute auf einmal die Gläser hoben und daraus tranken, tat ich es ihnen gleich.

Und bereute es gleich wieder. Was zur Hölle war das für Teufelszeug? Meine gesamte Kehle brannte und ich hustete, während ich das Glas abstellte. Mit verzogener Miene wankte ich zur Bar.

„Ich brauche etwas zu trinken", keuchte ich, woraufhin erneut ein Glas mit der rosaroten Flüssigkeit vor mir stand. Ja, das würde helfen! Ich nahm einen Schluck und seufzte. Schon besser! Ich trank auch den Rest des Glases aus. Noch eines mehr würde nicht schaden, oder? 

Die Bewohner von Harrowville (Band 1: Spinnen) | Wattys 2022 ShortlistWhere stories live. Discover now