„Dieses Jahr wirst du auch dabei sein", sagte Jake mit einem Lächeln. Ich nickte bloß. Wer wusste schon, wie lange wir hierbleiben würden? Vielleicht würden wir schon nach dem Winter weiterziehen, wenn mein Vater irgendwo anders einen besseren Job angeboten bekam. Oder wenn es meiner Mutter hier im Dorf reichte.

Etwas später hatten wir fertiggegessen und räumten die Sachen zurück nach unten, wobei es schwierig war, dabei nicht auf sämtliche knarrenden Stufen zu steigen, die das Treppenhaus beinhaltete. Danach saßen wir wieder am Boden in meinem Zimmer.

„Ich denke, für heute Nacht bin ich sicher", sagte ich. „Ihr solltet nach Hause gehen und schlafen. Wir müssen morgen früh aufstehen.

„Heute", besserte Jared mich aus.

„Heute", wiederholte ich mit einem Seufzen. Es war bereits zwei Uhr in der Nacht.

„Na dann..." Maude war die Erste, die sich erhob. „Ich danke vielmals für das Essen und bis morgen." Sie öffnete das Fenster und kletterte nach draußen, als wäre das keine große Aufgabe. Jake und Jared blieben noch einen Moment länger.

„Bist du dir sicher, dass du zurechtkommst?", fragte Jake. „Hast du keine Angst nach dem, was du heute alles im Wald gesehen hast?"

Ich schüttelte den Kopf. Okay, ein bisschen fürchtete ich mich schon noch, aber das war ja wohl normal. „Geh lieber, bevor Maude dich noch aussperrt", sagte ich.

Jake trat einen Schritt näher und zog mich in eine Umarmung. „Falls irgendetwas passiert, schrei einfach", murmelte er. Ich hörte ihm kaum zu. Was daran lag, dass mein Herz gerade zu rasen begann.

„Ich ... äh, werde ich machen", sagte ich schnell, als er mich wieder losgelassen und mein Hirn die Worte verarbeitet hatte. Genau wie Maude verschwand er durch das Fenster und kurz war ich neidisch. So würde ich auch gern klettern können! Aber das letzte Mal in einem Kletterpark gewesen war ich mit zwölf, und ich hatte mich schrecklich angestellt. Noch dazu hatte ich ein klein wenig Höhenangst. Was etwas seltsam war, wenn man bedachte, dass wir in der Stadt in einer Wohnung im siebten Stock gelebt hatten und ich für gewöhnlich nachmittags immer am Balkon gesessen war.

Ich wandte mich Jared zu, welcher als Letzter noch im Zimmer stand. Kurz zögerte ich. Jake und Maude lebten nebenan, aber Jared? Ich wollte ihn nicht im Dunkeln nach Hause schicken, erst recht nicht, wenn ein Mörder unterwegs war.

„Ich bleibe", sagte er, ehe ich auch nur ein Wort sagen konnte. „Ich weiß, du bist damit nicht unbedingt einverstanden, aber ich bleibe. Ich schlafe auch gerne am Boden. Das ist mir lieber, als dich alleine zu lassen."

Ich setzte mich auf mein Bett. Wenn ich ehrlich war, war ich froh darüber. „Du musst nicht am Boden schlafen", sagte ich leise.

Jareds Augen wurden groß. „Aber du hast vorhin doch gesagt..."

„Als ob ich einen Gast am Boden schlafen lassen würde", erwiderte ich und wandte den Blick ab. „Aber meine Decke teile ich nicht." Ich ging zum Kasten und holte eine weitere Decke. Polster lagen auf meinem Bett schon genug, also legte ich mich hin und rückte auf die Seite, die an die Wand grenzte. Ich deckte mich zu und blickte zu Jared, welcher immer noch wie angewurzelt dastand.

„Wenn du lieber am Boden schlafen willst, kannst du das natürlich auch tun", sagte ich und gähnte.

Jetzt setzte er sich wieder in Bewegung. Er legte sich neben mir auf die Matratze, immer noch mit genügend Abstand, dass wir uns nicht berührten. „Gute Nacht, Lina", murmelte er.

„Gute Nacht", erwiderte ich und schloss die Augen. Ich konnte ihn leise atmen hören, und wenn ich nicht so unendlich müde gewesen wäre, hätte mich das wohl nervös gemacht. So aber wirkte seine Nähe beruhigend, und ich fiel in einen traumlosen Schlaf.

Die Bewohner von Harrowville (Band 1: Spinnen) | Wattys 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt