Eine Woche WG - Alltag

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Der Abschlussball fand eine Woche später statt.

Nachdem Ian mich dazu überredet hatte, für diese Woche bei ihm unterzukommen, hatte er mich bei sich zuhause abgesetzt und war einkaufen gefahren.

Ian wohnte zusammen mit drei Freunden in einer WG in Brooklyn. Ich kannte Thomas, Lukas und Veronica sehr gut, durch Ian hatte ich viel Kontakt zu ihnen. Schon oft war ich in der WG gewesen, die drei hatten mich immer herzlich willkommen geheißen und dafür war ich ihnen unendlich dankbar.

Auch heute waren zwei von ihnen in der Wohnung. Veronica öffnete mir die Tür und sah mich überrascht an. Sie schloss mich schnell in eine Umarmung und zog mich in den kurzen Flur. Während ich mich von meiner Jacke und Schuhen befreite, redete die Rothaarige auf mich ein und schließlich folgte ich ihr in die helle Einbauküche.

"Tee, Kaffee, kann ich dir etwas anbieten?", fragte sie und ich nickte.

"Kaffee klingt gut."

Das leise Gluggern des Automaten wurde zum Hintergrundgeräusch unserer Unterhaltung.

"Wie geht es dir Elizabeth? Hat Ian dich schon zum Ball eingeladen?"

Sie fuhr sich durch das seidige Haar und lächelte.

"Ja er hat mir angeboten, dass wir zusammen hingehen könnten. Ich überlege noch", sagte ich und nahm den Becher entgegen, den Veronica mir an den Tisch reichte. Argwöhnisch musterte sie mich, als sie sich gegenüber niederließ.

"Du siehst zeimlich scheiße aus. Ist alles in Ordnung?"

Ich kratzte mich am Kopf und schlang die Hände um die Tasse.

"Na vielen Dank auch", murrte ich, doch sie hob nur abwehrend die Hände.

"Ich hab Krach mit meiner Mutter", gab ich kurz angebunden zurück.

Veronica und die Anderen wussten genau wie es zwischen mir und meiner Mutter seit dem Tod meines Vaters krieselte. Veronica sah mich mitleidig an und nippte an ihrem Kaffee.

"Du weißt das ich es nicht gerne sage, aber du solltest dich von ihr lösen. Oder ihr Hilfe besorgen. Professionelle Hilfe, sonst projiziert sie weiterhin ihre Sorgen und Ängste auf dich."

Das war nicht das erste Mal das Veronica mich auf den psychischen Zustand meiner Mutter ansprach. Ich wusste nicht ob es daran lag, dass sie mich mochte und mir helfen wollte, oder sie mich anhand eines Lehrbuches ihres Psychologiestudiums analysierte. Ich tippte auf eine Mischung aus beidem.

Wieder nickte ich und trank meinen Kaffee. Das warme Gefühl das sich in meiner Kehle und meinem Bauch ausbreitete entspannte mich.

"Ich habe überlegt auszuziehen. Sonst werde ich noch wahnsinnig. Ich habe das Gefühl unter ihrer übertriebenen Fürsorge zu ersticken. Sie versucht mich zu kontrollieren. Als würde sie Angst haben, dass mir etwas zustößt."

"Oder das du etwas auf die Schliche kommst", meinte Veronica.

Ich wusste genau wovon sie sprach. Auch mit ihr hatte ich über meine Träume gesprochen. Anders als meine Mutter und Dr. Burton glaubte Veronica auch daran, dass hinter ihnen mehr als bloße Träume steckten. Sie meinte, dass ich mit den Träumen verschiedene traumatische Ereignisse verarbeiten würde.

"Sie glaubt mir nicht, dass diese Träume so real sind. Das es nicht nur Träume sondern Erinnerungen sind. Ich muss einfach wissen was passiert ist. Wer ich bin und woher ich komme. Es ist ein schreckliches Gefühl nicht zu wissen, wo mein Platz ist..."

"Also bitte, dein Platz ist hier, bei uns!"

Grinsend drehte ich mich zu der Küchentür um, in der Thomas mit verschränkten Armen lehnte. Er trug wie immer eine dunkle Jeans und ein grünes Shirt mit weißem Print. Seine blonden Haare waren noch feucht, um seine Schultern hing ein Handtuch. Er kam auf mich zu und schenkte mir ein verführerisches Lächeln.

Shattered MeWhere stories live. Discover now