Kapitel 71

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"Die können den Austausch doch nicht erst nächstes Jahr machen! Das geht einfach nicht!" Anna meckerte wie eine wilde, als wir uns wieder auf den Weg zu unseren Zimmern machten. "Es ist zwar blöd gelaufen, aber wenigsten machen wir ihn überhaupt noch." Versuchte ich Anna zu beruhigen. "Trotzdem!" Sie überkreuzte ihre Arme und sah mich bockig an. "Jetzt bleib locker." Zu meinem Glück, sagte sie nichts mehr darauf. "Scheiße!" fluchte ich und schnappte mir Annas Arm. "Aua! Du tust mir weh!" rief sie mir aufgebracht zu, doch ich hörte gar nicht auf sie. Das Einzige, was ich jetzt wollte, war zu verschwinden. "Warum rennst du denn so?" "Da ist Kevin!" "Oh" murmelte sie nur und lies sich weiter hinter mir herziehen. Nach ein paar Umwegen, kamen wir endlich in unserem Zimmer an. "Das war knapp!" meinte ich und lies mich auf den Schreibtischstuhl nieder. "Was hättest du gemacht, hätte er dich gesehen?" Gute Frage, was hätte ich gemacht? 'Ihm eine geklatscht' 'Nicht alles ist mit Gewalt zu lösen' 'Für mich schon' Ich schüttelte nur den Kopf. "Das weiß ich nicht." antwortete ich kleinlaut und sah auf meine verschränkten Hände. "Das musst du auch ehrlich gesagt, gar nicht wissen. Du musst dich auch nicht mit ihm abgeben." Anna sah mich einfühlsam an und da wusste ich, das sie recht hatte. Wieso lief ich von ihm weg? Ich könnte doch einfach ganz normal an ihm vorbeilaufen und so tun, als wäre nichts. 'Dann versuch's. Gutes Gelingen!'gab mir meine innere Stimme, auf eine seltsame Weise Mut. Hörbar atmete ich einmal aus und hob meinen Kopf in Richtung Badezimmer. "Sag mal." fing ich an und sah skeptisch zur Tür. "War die Tür nicht zu, als wir zu der Versammlung gegangen waren?" "Ja, wieso fragst du?" Ich nickte in die Richtung, wo ich hingeschaut hatte. "Glaubst du, das hier jemand gewesen ist?" fragte Anna leise und schaute mich verunsichert an. Ich zuckte nur mit den Schultern.
"Ist ja auch egal! Kann mich auch nur irren." rief ich mit übertriebener Betonung. Anna war nur verdutzt und wusste nicht was los ist. Ich hielt mir meinen Zeigefinger an den Mund, um ihr zu realisieren, leise zusein. Auf Zehnspitzen schlich ich zur Tür. Hastig machte ich das Licht an und riss die Tür auf. "Na wen haben wir denn da?"sagte ich amüsiert und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Wer ist denn da?"erklang Annas Stimme aus dem anderen Zimmer. "Niemand wichtiges. Kannst es dir aber selber anschauen." Anna kam vorsichtig zu mir und ich lies ihr Platz zum eintreten. "Bist du bescheuert?! Ich dachte hier wäre ein Einbrecher oder sonst was gewesen!" rief Anna aufgebracht und sah Alan aus Schlitzen an. "Sorry, ich wollte dich eigentlich überraschen, aber dann hab ich gehört, das ihr kommt und da hab ich mich einfach in eurem Badezimmer versteckt." erläuterte Alan sein Plan. Tja, eine Überraschung wars gewesen, doch eine andere als sich Alan vorgestellt hat. "Sagen wir's so, dir ist nichts besseres eingefallen." Alan sah sie mit hochrotem Kopf an. Das war für ihn wohl mehr als nur unangenehm. "Bist du sauer?"fragte er leise und sah sie mit einem Hundeblick an. Und wirklich, das war ein Hundeblick feinster Art! "Wie könnte ich dir sauer sein." sagte Anna und gab ihm ein kurzen Kuss auf den Mund. "Ich verschwinde dann mal." sagte ich zur Verabschiedung und verlies erneut das Zimmer. 'So, und jetzt? Wo geht's hin?' Das frage ich mich auch. Der Unterricht beginnt erst morgen und wir haben es gerade mal kurz nach fünf. Obwohl, es gibt in einer halben Stunde essen. Dann werd ich solange einfach mal hier etwas herumlaufen.
So viele alte Bilder. Bewundernd, sah ich mir jedes einzelne genau an. "Graf und Gräfin von Baden." las ich vor und sah mir die zwei an. Irgendwie haben die eine Gemeinsamkeit mit mir und Leon. Er, der Graf hatte blaue Augen und braune Haare. Seine Frau braune Augen und ebenfalls die gleiche Haarfarbe. "Sieh dir nur die Ähnlichkeit an." Erschrocken zuckte ich zusammen und hielt mir meine Hand gegen die rechte Brust. "Menschenskind, hast du mich erschreckt Elli!" "War nicht mit Absicht." meinte sie lächelnd und betrachtete das Bild. "Sie ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten." "Wie man's nimmt. Ihre Gesichtszüge sind aber feiner und ihre Augen strahlen eine Wärme aus, die meine nicht tun." "Ach Meli." Elli schüttelte den Kopf und hob ihn daraufhin wieder . "Du weisst gar nicht, wie hübsch du eigentlich bist. Deine Augen strahlen was ganz anderes aus." "Und das wäre was?" hakte ich nach und sah sie gespannt an. "Sie zeigen deine innere Schönheit. Das Braun verleiht einen Schimmer von Hoffnung und Vertrauen." "Man bist du heute poetisch." Zog ich sie auf. Das alles Klang zwar echt süß von ihr, doch nichts der gleichen war davon wahr. Meine Augen spiegelten nichts! Und wenn, dann nur langeweile. "Das ist mein Ernst, Meli!" Elli sah mich mit einem strengen Blick an.
"Du vernachlässigst dich. Du glaubst gar nicht, wie viele Jungs dir hinter herschauen. Wie viel sich den Hals wegen dir verdrehen." Ausdruckslos schaute ich in ihre braune Augen. Das was sie erzählte, traf nur auf sie zu. Keiner der Jungs, hatte auch nur Anhieb ein wenig Interesse an mir.
"Das ist doch Unsinn." "Wie du meinst, wenn du die Wahrheit nicht glauben willst. Dann nicht." sagte sie Schulter zuckend. "Komm, es gibt gleich Abendessen." fügte sie hinzu und greift nach meinem Arm.
Als wir im Speisesaal ankamen, wäre ich am liebsten wieder weggerannt. Das Schaubild vor meinen Augen bohrte sich in meine Netzhaut. Ich weiß nicht warum, aber es schmerzt ihn zusehen. Vor den Ferien war alles gut zwischen uns und als Leon dann die Geschichte rausgehauen hatte, wusste ich nicht mehr, ob ich ihm, Kevin, noch vertrauen kann. In meinem Bauch rumorte es und mein Kopf fing erneut an zu schmerzen. Schmerzerfüllt hielt ich meine Hände an die Schläfen und massierte sie einwenig. "Hey, alles ok?" Elli sah mich geschockt an. "Jaja, hab nur bisschen Kopfschmerzen." Beruhigte ich sie und legte ein gezwungenes Lächeln auf. Sie nickte und zusammen machten wir uns auf den Weg zu unserem Stammplatz.
"Bah, ist das ekelhaft!" Sowas esse ich doch nicht?!" Sel schob angewidert ihren Teller beiseite und schenkte ihm einen bösen Blick. "Was hast du? Die Suppe und die Brote schmecken doch!" "Das Brot schon, aber ich hasse Linsensuppe! Das ist so mega trocken!" beschwerte sich meine Schwester weiter an Anna verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. Anna seufzte nur und aß weiter. Ehrlich gesagt, schmeckte mir die Suppe ebenfalls nicht und so schob auch ich sie von mir weg. Elli tat das gleiche. Anna sah uns nur verdutzt und irgendwie böse an. Wir lachten drauf los und Sporten Anna dazu an, schneller zu essen. Das hörte sich dann so an: "Schneller Anna!" rief Elli. "Du schaffst das! Das ist doch nur eine kleine Suppe!" "Dann würdest du sie ja selber essen!" Keifte Anna Sel an und schaufelte sich einen weiteren Löffel in den Mund. "Ich glaube an dich!" rief nun ich und wir alle drei klopften mit Fäusten auf den Tisch um ihr mehr Antrieb zugeben. "Jetzt seit ruhig und isst selber!" "Man spricht nicht mit vollem Mund." ermahnt Elli sie und bestreicht ihr Brot mit Butter. Anna verdrehte nur die Augen und war froh, das wir endlich unsere Klappen hielten.
"Wie spät ist es?" "Viertel nach sieben." Selena hob ihren Kopf, nach dem sie auf die Uhr geschaut hatte. "Wollen wir Papa noch schnell anrufen und sagen, dass alles gut gelaufen ist?" Ich nickte und zusammen gingen wir zu den Telefonen, die in einer Ecke der Eingangshalle standen. Selena wählte die Nummer wartete bis er abnahm.
"Hallo Papa. Ja uns geht's gut. Wir wollten dir auch nur schnell bescheid sagen." Meine Schwester lächelte mich an und sprach weiter. "Sie steht neben mir. Ich geb' sie dir. Grüß Amanda und mach's gut." Sie überreichte mir den Hörer und stellte sich an die Seite.
> Abend Papa.< begrüßte ich ihn.
>Hallo mein Schatz. Ich hoffe die Fahrt dorthin war problemlos.<
>Jaja. Alles ist gut gelaufen.<
Außer das ich in einem Stau gestanden hab und zu spät gekommen bin.
>Das freut mich. Nun gut, ich muss weiter machen, sonst wird die Arbeit bis Mittwoch gar nicht mehr fertig.<
>Mach's gut und grüß Amanda auch von mir.<
>Mach ich und passt auf euch auf!<
Somit verabschiedeten wir uns und ich ging zurück mit Sel zu unseren Zimmern.
"Schlaf gut und wir sehen uns morgen." Ich umarmte zum Schluss meine Schwester und verschwand dann in meinem und Annas Zimmer.

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Instagram: Felie_Luisa

Bad Boy or Good Brother?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt