32 - Kalte Kerzen

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Man hatte sie weiter weg von der Stadt und dem kalten Licht der OPs gebracht, sobald es möglich war.
Wie passend, dass sie den Teufel in einer Kirche untergebracht hatten.

Die bunten Glasfenster, durch die noch nie echtes Sonnenlicht gefallen war, malten bunte Flecken auf die weißen Laken von Julians Bett.
Laken und Verbände verbargen, was die Valeria ihm angetan hatten.
Er sah fast friedlich aus in den blütenweißen Laken, wenn man von der sorgfältig genähten Wunde auf seiner Wange und den Blutergüssen absah.
Cress saß zwischen unendlich vielen halb heruntergebrannten Kerzen auf dem Altar, ein Bein angezogen und eines über die Kante des quadratischen Steinklotzes hängend.

Es war keine Kirche der Sterne.
An was glaubten die Menschen in dieser Stadt, wenn sie die Sterne gar nicht sehen konnten? An was glaubte sie selbst? Musste sie nicht anfangen zu glauben, jetzt, wo Julian ein Amphitheater mit himmelshohen Flammen füllen konnte? Sollte sie keine Angst haben? Hatte sie Angst?

Die Stille nach dem Sturm nagte grausam an ihrer Vernunft, schob sie leise schleichend dem Wahnsinn entgegen. Sie dachte zu viel, während sie in einer lange vergessenen Kirche auf einem lange kalten Altar zwischen lange erloschenen Kerzen saß und ihre schon lange abgekauten Fingernägel in ihre Handflächen drückte.
Ich bin für dich gesprungen. Nicht für mich oder die Menschen in diesem Amphitheater, dachte sie, nur für dich. Es tat so seltsam gut weh, das zu denken. Es tat so seltsam gut weh, ihn anzusehen. Sie vermisste ihn, obwohl sie im selben Raum waren. Sie vermisste seine Stimme, seine Augen, seine Worte und vor allem sein Lachen. Wann hatte er das letzte Mal gelacht? Als sie in der Bibliothek um die Wette rannten?
Sie lächelte verstohlen in sich hinein, als sie daran zurückdachte. Das Lächeln verschwamm, als sie an den Globus dachte, der ihr so fremd war. Die Welt vor dem Krieg, war sie so schön gewesen, wie Julians Feuer?

Als es nach Stunden oder Tagen in der Stille klopfte, hob Cress den schweren Kopf. Sie war immer wieder kurz weggenickt, hatte aber nicht geschlafen. Gabriel Walsh betrat die verlassene Kirche. Er sah verboten erholt aus. Hatte er sich die Haare gekämmt?
Der Tänzer schloss die Tür hinter sich und ließ seinen Blick über die seltsame Szenerie wandern.
Der Kronprinz lag regungslos auf einem riesigen Bett.
Keine piepsenden Maschinen mehr. Jede Stunde sah man nach ihm, überprüfte seine Werte. Außerdem war sie ja hier und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen.

Sie sahen sich an, zwischen buntem Licht und toten Kerzen. Er sagte nichts, wartete darauf, dass sie ihn bezahlen ließ. Als Cress letztendlich sprach, war ihre Stimme dünner, als sie geplant hatte.

„Du hast mich festgehalten", sagte sie, „Du hast mich festgehalten."

Er neigte den Kopf, aschblonde Locken spielten mit buntem Licht und einem starren Gesicht.

„Du wärst verletzt worden, wenn du gesprungen wärst. Du hättest nichts tun können."

Sie schloss die Hand um einen Kerzenständer, sodass altes Wachs unter ihren Fingern zerbröselte, richtete sich auf und ließ sich vom Altar gleiten. Zwei Stufen höher als er und einen halben Raum voneinander entfernt waren sie auf Augenhöhe.

„Nichts tun können?", fragte sie langsam. Das Amphitheater wäre höchstwahrscheinlich ausgebrannt, wenn sie nicht gesprungen wäre.
Sie sah, wie er schluckte, ohne den Blick von ihr abzuwenden.

„Du bist eine sonderbare Frau, Vogel."

„Und das kannst du beurteilen?"

„Das war keine Beleidigung."

Er kam einen Schritt näher. Vorsichtig, als würde er sich einem verwundeten Tier nähern, das ihn anspringen könnte, dem er aber helfen wollte.

„Achill war hier."

Smokehands (Skythief pt. 2)Onde histórias criam vida. Descubra agora