28 - Berglöwin

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Hades reagierte schnell genug, um ihnen das Leben zu retten.
Er packte Orpheus und hechtete mit ihm zu Walsh hinunter. Die beiden kamen hart auf, während der Tänzer zwei oberschenkellange Stilette zog. Flusswind peitschte ihm die dunkelblonden Locken aus der Stirn, während Hades und sein Sohn hinter ihm schwankend auf die Beine kamen.

Schon schoss ein Körper auf ihn herunter, wie der schwarze Körper einer Giftschlange. Walsh wich mühelos aus, packte den Mann und zerrte ihn nach unten. Doch der Assassine war nicht dumm. Ein Hebelgriff und Walsh starrte in die Dunkelheit hinauf.
Er kam wieder auf die Beine, kickte seinen Angreifer bewusstlos.
Weitere waren um ihn her auf dem Boden aufgekommen.
Eine ganze Horde.
Mann musste sie verraten haben. Nana Rouge, dieses Miststück, hatte sich also letztendlich doch von den Valeria abgewandt. Hatte das sinkende Schiff verlassen, um ihre Dienste einer neuen Familie anzubieten. Vielleicht hatte auch einfach der Preis gestimmt. Die alte Schachtel stand auf der Liste der Menschen, die Walsh auf dieser Erde am meisten hasste.

Hades und Orpheus waren beide bewaffnet, aber letzterer kaum fähig, gerade zu stehen.
Das Boot lag zu ihrer linken, Assassinen versperrten den Weg.
Eine von ihnen hätte gereicht, um Hades und den verletzten Orpheus umzubringen. Einer hätte gereicht, um Hades und einen gesunden Orpheus umzubringen.
Walsh sah sich sieben kaltblütigen Killern gegenüber.

Es wäre ja nicht dein Leben, Gabriel, sagte er sich, wenn nicht alles beschissen wäre.

Stahl blitzte in seinen Händen, als er sich bereit machte, zu sterben.

„Dentes et ungulae, Kinder", brüllte er den Assassinen zu.
Was folgte war pures Chaos.

Die Assassinen bewegten sich wie Rauch, waren nirgends und überall zugleich. Flackerten wie dunkle Flammen um ihn herum. Bissen mit stählernen Zähnen nach ihm.
Der Tänzer verfiel in die Ruhe, die ihm jahrelang vom besten Schwertmeister der unteren Stadt eingetrichtert worden war.
Er fand sich drei Assassinen gegenüber. Perfekt aufeinander abgestimmte Bewegungen.
Zwei Männer, eine Frau.
Sie hatten schon oft zusammen gekämpft. Der Linke donnerte in Walsh hinein, riss ihn fast von den Füßen. Er sprang nur knapp über den Dolch der Frau, parierte einen Stoß des zweiten Mannes.
Mit drei Schritten war er die Mauer hinauf, stieß sich ab und schlug einen Salto, um hinter seinen Angreifern zu landen. Walsh durchtrennte die Sehnen des Linken mit einem ekelerregenden Geräusch.
Der Riese brach zusammen.
Der linke Dolch fing das Messer eines Assassinen ab, der rechte Blutbesudelte wurde nur knapp von der Frau pariert.
Die Klinge schrammte über seinen Oberarm, tief in den Muskel hinein, als er sich unter einem Stoß wegduckte, der ihn den Kopf gekostet hätte.

Sein einziger Vorteil war, dass diese Assassinen jung waren. Sie kamen von der Oberfläche und hatten noch nicht die Klingengesänge der unteren Stadt gelernt.
Deswegen lebte er noch.
Die Frau kam ihm zu nahe, sodass er ihr mit einem besonders heimtückischen Tritt die Beine unter dem Körper wegziehen konnte. Beinarbeit. Kampf und Tanz hatten mehr Gemeinsamkeiten, als man zunächst annehmen könnte.
Seine Dolche sausten nach hinten, hielten erneut jemanden davon ab, ihn zu enthaupten.
Schreiend fuhr Walsh herum, fing die zweite Klinge ab, schlug dem Mann seinen Schädel mit voller Wucht ins Gesicht und trat ihn rückwärts in den Styx.

Doch es waren zu viele.
Bald kämpfte er mit dem Rücken zum Fluss, Seite an Seite mit Hades und dem schwankenden Orpheus. Als noch mehr schwarze Gestalten aus dem ursprünglich sicheren Haus quollen, fluchte Walsh so dreckig, dass selbst Cress Cye zusammengefahren wäre.
Vani hatte sie nicht aufhalten können. Wie auch?

Doch die Neuankömmlinge waren keine Assassinen.
Mit wahnsinnigem Geschrei stürzten sie sich auf Nanas Killer, die einen Moment lange verwirrt schienen. Schwarz traf auf schwarz.
Niemand wusste mehr, wer Feind und wer Freund war. Für genau solche Situationen hatte man Wappen festgelegt.
Walsh hätte unwahrscheinlich gerne gewusst, wer ihm da gerade das Leben rettete. Oder sich mit den Assassinen darum schlug, wer sie umbringen durfte.
Er hatte nur Sekunden, um eine Entscheidung zu treffen.

„Wir sehen uns in der Hölle", sagte er.

„Wir?", fragte Orpheus.

„Ganz genau."

Walsh drehte sich um und schubste Hades und seinen Sohn von der Mauer. Als sie im Fluss landeten und die Gischt seinen Mantel benetzte, war er schon wieder voll in die Keilerei verwickelt.
Der Schnitt an seinem Oberarm pulsierte böse.

Die Anführer waren schon auf dem Weg. Hufe klapperten die Straße herunter. Walsh rechnete damit, die schwarzen Reiter zu sehen, denen sie auf der Piazza gerade so ausweichen konnten.
Er wurde von einer Salve Dolchstöße abgelenkt. Biss sich fast die Zunge ab, als er halb in den Fluss stürzte. Würden es Hades und Orpheus schaffen, das Boot zu erreichen? Oder bis zur nächsten Brücke zu schwimmen?
Er blockte einen Stoß, doch die Wucht ließ ihn zurücktaumeln. So weit, dass er es nicht mehr schaffte, sein Gleichgewicht wiederzufinden.
Gabriel Walsh kassierte einen Schlag auf den Kopf und stürzte in den Styx.

Als er wiederauftauchte, war er so weit weggetaucht vom Ufer, dass ihn nicht sofort jemand umbringen konnte. Doch in der kurzen Zeit, die er unter Wasser gewesen war, hatte sich das Bild komplett gewandelt.
Ein weißes Pferd tänzelten oben auf Straße. Als er den Reiter erkannte, lachte Walsh zähneklappernd. Orpheus und Hades hatten es nicht auf das Boot geschafft, doch das spielte jetzt keine Rolle mehr.
Man reichte ihnen die Hände, um ihnen aus dem Wasser zu helfen.

Dramatischer Auftritt, lobte der Tänzer den Neuankömmling stumm, während er die wenigen Schwimmzüge zurück zum Ufer machte.

Zwei Furien zogen seinen tropfnassen Körper aus dem Styx.
Keuchend richtete er sich auf. Blinzelte in das Licht der Fackeln, das plötzlich das schwarze Wasser erhellte. Orpheus kam langsam auf die Beine, schwankend, als käme er gerade aus seiner Lieblingskneipe und nicht von der Schwelle des Todes. Hades stand bereits, den Blick auf das weiße Pferd fixiert. Seine Schultern waren nach unten gesackt, als wäre er letztendlich doch besiegt worden.

„Helena."

Goldene Locken, durchflochten von grauen Strähnen, rauschten über ihren Rücken, wie ein Wasserfall aus Honig. Süß geschwungene Lippen, dunkle Augen und ein schiefes Lächeln grüßten von oben herab. Helena von Avescus, Hades Ex Frau und heute wie damals bekannt als schönste Frau der Unterwelt, schwang die Beine von ihrem Pferd. Sporen blitzten auf, als sie tief in den Hüften gehend bis an die Kante trat. Jahrelang hatte sie keiner in dieser Stadt zu Gesicht bekommen, doch ihnen allen war bewusst, dass sie immer noch Spione in der Stadt haben musste. Nun war es passiert, der Wind hatte sich gewendet und sie hatte es wahrscheinlich sofort erfahren.

„Mutter?", fragte der dem Delirium nahe Orpheus, als hielte er den Marmorobelisk von Frau für eine Halluzination.

„Hallo, Orpheus", sagte sie mit einem seidenweichen Lächeln und stahlharten Augen, als sie den Blick ihres Ex Mannes traf.
„Schön, euch wiederzusehen."

Die Mutter von Hades Kindern, die Manipulatorin, die Achill gelehrt hatte. Die erste Furie der letzten Stadt war aus dem Exil zurückgekehrt. Die berühmte Berglöwin war gekommen, um ihre Jungen zu retten.

Smokehands (Skythief pt. 2)Where stories live. Discover now