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Am nächsten Morgen habe ich immer noch keine Nachricht von Wincent. Natürlich, das wäre auch viel zu einfach gewesen.

Aber dafür haben ein paar Freunde schon diverse Male versucht mich irgendwie zu erreichen, weil sie natürlich alle wissen möchten, was mir denn passiert ist.

Als mich Samira das dritte mal an diesem Vormittag anruft, hebe ich endlich einmal ab.

"Hi.", begrüße ich sie.

"Hallelujah, na endlich! Was ist denn los bei dir, Süße?", ruft sie erleichtert ins Telefon.

"Alles in Ordnung.", sage ich - wenig überzeugend.

"Ja ne, ist klar. Raus mit der Sprache! Was ist passiert? Wieso postest du so kryptisches Zeug? Du warst in den letzten Tagen allgemein sehr schweigsam. Möchtest du mir irgendetwas erzählen?"

"Ach Sami...", murmle ich und seufze tief.

Ich muss es ihr erzählen, immerhin ist sie meine beste Freundin. Aber sie ist auch die einzige Person, der ich von dem Sex mit Sebastian erzählt habe. Sie ist die Einzige, der auffallen müsste, dass zwei Männer in Frage kommen. Und überbringt man seiner besten Freundin solche Neuigkeiten überhaupt am Telefon?

"Ja? Was ist denn nun?", hakt sie nach.

"Können wir uns vielleicht treffen? Ich möchte das nicht am Telefon besprechen."

"Ich bin noch bei Joshua und fahre erst Montag Morgen wieder zurück, wenn ich wieder in die Arbeit muss. Ist es denn so dringend?"

"Nein, aber du möchtest es doch unbedingt wissen.", lache ich.

"Oh, ach so, ja. Und das kannst du mir nicht am Telefon sagen? Ist es so wichtig?"

"Ja, es ist wichtig.", bestätige ich.

"Du machst mich neugierig. Jetzt komm schon, raus mit der Sprache!", fordert sie lachend.

"Na gut, aber halte mir hinterher nicht vor, dass man so etwas nicht am Telefon sagt.", warne ich sie.

"Ja, ist gut. Oh Gott, du machst mich wirklich nervös.", kichert sie.

Ich atme tief durch.

"Ich bin schwanger.", platze ich einfach heraus.

Schweigen.

Bestimmt zwei Minuten lang höre ich nichts als den Atem meiner besten Freundin durch das Telefon. Sie sagt nichts. Sie scheint sich nicht zu bewegen. Es ist einfach Stille.

"Bist du umgefallen?", frage ich schließlich.

"Äh... Nein. Ich stehe unter Schock.", bringt sie stotternd hervor.

Ich lache kurz und betrachte mich währenddessen im Spiegel an meinem Kleiderschrank. Unbeabsichtigt wandert mein Blick sofort zu meinem Bauch. Ich ziehe mein Shirt ein Stückchen nach Oben und drehe mich seitlich. Nein, man kann natürlich noch nichts sehen, aber wenn ich den Bauch rausstrecke...

"Ist das jetzt dein Ernst?", unterbricht Samira meine Trance.

"Ja.", antworte ich nur und ziehe das Shirt kopfschüttelnd wieder herunter.

"Du bist schwanger? So richtig?"

"Kann man denn auch nicht richtig schwanger sein?", lache ich. "Ja, ich war gestern beim Frauenarzt. Habe sogar schon das erste Bild bekommen."

Ich ertappe mich dabei, wie glücklich ich mich anhöre. Bin ich das denn? Glücklich?

"Waaaaaas?", schreit sie empört durch den Hörer. "Und wie lange weißt du es schon? Wieso hast du denn nichts gesagt?"

"Ich habe letztes Wochenende einen Test gemacht, nachdem Mama mich dazu gezwungen hat. Ich dachte ja nicht, dass er positiv ist. Aber siehe da... Mama hat natürlich wieder Recht behalten.", erzähle ich.

"Krass, seit einer Woche weißt du also, dass du schwanger bist.", murmelt sie.

"Sami, es tut mir leid. Es weiß immer noch keiner außer meinen Eltern und jetzt dir. Ich muss ja auch erst einmal selbst damit klar kommen. Ich konnte einfach nicht früher mit jemandem darüber reden.", versuche ich mich zu erklären.

"Ich bin dir nicht böse. Irgendwie verstehe ich dich ja auch. Es kommt immerhin sehr unerwartet."

"Du sagst es.", seufze ich laut und lasse mich auf mein Bett fallen.

"Hast du Wincent schon davon erzählt?"

Warum fragt mich eigentlich jeder sofort nach Wincent?

"Nein, habe ich noch nicht. Möchte ich aber noch dieses Wochenende machen."

"Okay und... Ähm, Moment! Warte mal! Da war doch... Nein... Ernsthaft?", fällt Samira scheinbar wieder ein, wovon ich ihr vor ein paar Wochen erzählt hatte.

"Du hattest doch... Echt jetzt?", stammelt sie weiter, nachdem ich nichts darauf geantwortet habe.

"Ja.", bestätige ich leise ihren Verdacht. "Leider."

"Wow!", bringt sie hervor. "Und äh... Wie lange war das auseinander? Also wie viele Tage waren dazwischen?"

"Ähm... Mit Wincent war das letzte mal in der Nacht von Freitag auf Samstag. Und mit Sebastian dann am Montag.", gebe ich zerknirscht zu.

"Ops, da ist es ja dann wirklich unmöglich zu sagen von wem... Krass, von wem du ein Kind bekommst."

"Tatsache.", murmle ich.

"Und wie machst du das jetzt? Sagst du es beiden? Ich meine, es kann nur einer der Vater sein, aber das wirst du ja erst nach der Geburt herausfinden können."

Samira ist plötzlich ganz hibbelig und aufgedreht. Ich dagegen bin sehr ruhig und möchte am liebsten gar nicht darüber sprechen.

"Ich werde Wincent sagen, dass ich schwanger bin.", sage ich.

"Und Sebastian?", fragt sie nach.

"Nicht."

"Wie nicht? Du willst ihm nicht sagen, dass er vielleicht Papa wird?", sagt sie empört.

"Nein, will ich nicht. Das Baby muss von Wincent sein, es kann einfach nicht von Sebastian sein.", werde ich nun etwas lauter. "Ich möchte nicht, dass es von Sebastian ist!"

"Das verstehe ich ja, aber das kannst du leider nicht entscheiden. Er hat ein Recht darauf es auch zu erfahren."

"Nein, das wird er nicht. Ich möchte nicht, dass er da mit hinein gezogen wird. Für mich kommt nur Wincent als Papa in Frage."

"Das ist Quatsch, Kathi. Und das weißt du! Ich werde dir nicht reinreden und auf keinen Fall werde ich dich bei irgendwem auffliegen lassen, aber du kannst das doch nicht machen! Was sagt denn deine Mama dazu?"

"Nichts. Sie weiß nicht, dass ich noch einmal etwas mit Sebastian hatte. Das weiß niemand außer dir. Also sollte es irgendwie heraus kommen, weiß ich, dass du es warst.", zische ich.

"Ach, komm schon. Das würde ich nie machen, denn das ist immerhin dein Leben. Niemals würde ich mich da einmischen. Aber als deine beste Freundin gebe ich dir den Rat, das nicht zu tun. Du solltest mit offenen Karten spielen und beiden die Wahrheit sagen.", rät sie mir.

"Ich weiß, dass das die fairste Entscheidung wäre. Aber für mich fühlt es sich richtig an, wenn ich entscheide, dass es Wincents Kind ist."

"Ich weiß nicht, was ich dazu noch sagen soll. Ich glaube, nichts wird dich im Moment umstimmen können.", gibt Samira auf.

Zumindest für den Moment gibt sie es auf mich umstimmen zu wollen. Aber ich kenne sie. Ganz sicher wird dieses Thema noch ein Mal aufgegriffen werden.

Ich nicke und lege mich nachdenklich in meinem Bett zurück. Ein paar Sekunden lang herrscht wieder Schweigen zwischen uns.

"Und jetzt erzähl mal... Wie geht es dir? Wie war es beim Frauenarzt? Sieht man schon was? Ich will alles wissen!", sagt Samira auf einmal.

Es ist, als hätte sie den Schalter umgelegt und ist jetzt wieder die typische, neugierige beste Freundin, die einfach alles wissen will. Ich lache kurz über den Stimmungsumschwung und fange an ihr alles zu erzählen.

Auf halbem Weg - WincentWeiss (Teil 2)Where stories live. Discover now