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Eine Woche zuvor / Kat

Mit zitternden Händen halte ich den Test und kann gar nicht glauben, was da steht.

SCHWANGER 3+

Ich bin also tatsächlich schon länger als 3 Wochen schwanger. Das kann nicht wahr sein!

Langsam sinke ich an der Wand hinab bis ich auf dem Boden sitze. Ich schlinge meine Arme um meine Knie, die ich ganz nah an meinen Körper gezogen habe, und lasse meinen Kopf darauf fallen.

Das darf nicht wahr sein. Ich kann nicht schwanger sein. Nicht jetzt!

"Katharina? Geht es dir gut? Hast du schon ein Ergebnis?", ruft mir Mama durch die Badezimmertür hindurch zu.

Da ich nicht antworte, klopft sie gegen die Tür.

"Katharina!", sagt sie in bestimmendem Ton.

Wie in Trance hebe ich meinen linken Arm, um mit der Hand den Schlüssel im Schloss umzudrehen. Kaum, dass die Tür entriegelt ist, steht Mama auch schon vor mir.

"Oh nein.", bringt sie entsetzt hervor und beugt sich zu mir herunter.

Wortlos halte ich ihr den positiven Schwangerschaftstest entgegen, ohne dabei meinen Kopf anzuheben.

Eine Weile lang ist es still im Raum. Mama streicht mir sanft über den Kopf und versucht mich ohne Worte zu beruhigen, was ihr nicht gelingt. Nach Außen hin bin ich in einer Schockstarre, aber in mir drinnen tobt es. Wie kann das sein? Sebastian und ich haben doch... Oh nein!

Siedend heiß fällt mir ein, dass ich genau in dem Zyklus, in dem Sebastian und ich noch einmal Sex miteinander hatten, zwei mal die Pille vergessen hatte. Ich war so durcheinander, dass ich sie zum ersten mal in meinem Leben einfach vergessen hatte.

"Schatz?", versucht Mama mit mir zu reden.

Ich hebe langsam den Kopf und sehe sie ausdruckslos an.

"Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, aber natürlich stehen Papa und ich hinter dir. Ganz egal wie das jetzt weitergeht.", sagt sie ruhig.

Ich nicke wortlos. Ich weiß, dass meine Eltern immer hinter mir stehen.

"Und niemand wird dir reinreden. Es ist ganz alleine deine Entscheidung, wie es weitergehen wird."

Verwirrt runzle ich die Stirn und sehe sie an.

"Denkst du etwa, ich würde jemals... Nein! Das weißt du doch. Das könnte ich niemals tun, Mama.", schimpfe ich.

"Ist ja gut.", flüstert sie und streicht mir wieder behutsam über meinen Kopf. "Ist schon in Ordnung. Ich wollte es nur erwähnt haben, dass wir auch dann hinter dir stehen würden. Aber ich bin froh, dass du nicht mit diesem Gedanken spielst."

"Niemals.", sage ich noch einmal.

Wir schweigen ein paar weitere Minuten. Zum Glück ist Papa noch in der Firma und bekommt von all dem nichts mit. Niemandem möchte ich im Moment davon erzählen. Nicht einmal Samira. Ich muss erst einmal selbst damit klar kommen und meine Gedanken sortiert bekommen.

"Ich sollte beim Frauenarzt anrufen.", meine ich trocken.

"Ja, das solltest du. Aber das muss nicht sofort sein.", antwortet Mama liebevoll. "Du kannst ruhig ein paar Tage damit warten, das läuft dir ja nicht davon. Und in ein paar Tagen, wenn du allmählich mit dem Gedanken klar kommst, dann rufst du dort an und machst einen Termin."

Ich nicke und lehne meinen Kopf an ihr an. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich bin kaum fähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

"Ich werde jetzt nach Hause fahren.", murmle ich schließlich und stehe auf.

"Was?", entfährt es Mama. "Kommt gar nicht in Frage!"

Verwundert sehe ich sie an.

"Ich möchte alleine sein.", sage ich.

"Klar, das verstehe ich. Aber du fährst auf keinen Fall selbst. Entweder fährst du öffentlich nach Hause und lässt dein Auto hier stehen oder ich fahre dich und lasse mich dann von Papa bei dir abholen."

Seit Mama den Verdacht geäußert hat, dass ich schwanger sein könnte, sind ein paar Tage vergangen. Immer wieder hat sie mich dazu gedrängt, einen Test zu machen. Doch ich wollte das nicht wahrhaben. Heute hat sie mich zum Kaffeetrinken zu ihr eingeladen, weil Papa, obwohl Samstag Nachmittag ist, noch einmal ins Geschäft gefahren ist. Normalerweise sperren wir Samstags das Geschäft mittags zu. Als ich mich dann an ihren Küchentisch gesetzt habe, lag da schon der Test. Da blieb mir dann gar nichts anderes mehr übrig.

"Na gut, dann fahr mich.", gebe ich seufzend nach.

Mama nickt erleichtert und zieht mich vom kalten Badezimmerboden hoch. Sie schnappt sich meine Handtasche und kramt darin nach meinem Schlüsselbund. Sie findet ihn und befördert ihn in ihre Jackentasche. Dann greift sie nach meiner Jacke und zieht mich zur Tür. Vor der Tür ziehen wir unsere Schuhe an und machen uns dann auf den Weg zu meinem Auto.

Während der Fahrt zu mir sprechen wir kein Wort miteinander. Mama versucht erst gar nicht ein Gespräch anzufangen, da sie weiß, dass es sinnlos wäre.

Glücklicherweise finden wir eine freie Parklücke direkt vor dem Eingang des Hauses in dem ich wohne. Mama lenkt das Auto in einem Zug hinein und zieht die Handbremse an.

"Papa wird mich in fünf Minuten hier abholen.", meint sie und dreht sich zu mir. "Soll ich dich noch nach Oben bringen?"

"Nein, danke.", versuche ich zu lachen. "Das schaffe ich schon."

Ich steige aus dem Auto aus und hole mir anschließend meine Handtasche aus dem Fußraum heraus. Mama zieht den Schlüssel ab, steigt ebenfalls aus und reicht mir meinen Schlüsselbund über das Autodach. Ich drücke auf den Knopf, um mein Auto zu verriegeln und werfe ihn dann in meine Handtasche.

"Du brauchst den Schlüssel doch gleich, um die Türen aufzuschließen.", grinst Mama.

"Oh, stimmt.", murmle ich und hole ihn wieder hervor.

"Die Schwangerschaftsdemenz beginnt ja früh bei dir."

Mama wackelt grinsend mit ihren Augenbrauen, worauf sie von mir nur ein genervtes Augenrollen erntet. Für Schwangerschaftswitze ist es definitiv noch viel zu früh.

"Na gut, ich geh dann mal nach Oben.", murmle ich.

Mama geht um das Auto herum auf mich zu. Sie zieht mich liebevoll in ihre Arme und drückt mich an sich.

"Wie gesagt: Wir sind immer für dich da.", flüstert sie an meinem Ohr.

"Ich weiß.", seufze ich. "Danke."

Beinahe muss ich mit den Tränen kämpfen, doch ich fange mich gerade noch bevor Mama es merken würde.

Ich lächle sie kurz an, drehe mich um und gehe zu meiner Eingangstür.

"Ach, Kathi?", ruft sie mir hinterher.

Ich drehe mich um und sehe sie fragend an.

"Du wirst doch Wincent davon erzählen, oder?"

Wincent? Nein, wir haben immer verhütet, wenn wir Sex hatten. Außer... Oh mein Gott!

Ich hatte ganz vergessen, dass wir bei unserem ersten Sex im Urlaub nicht verhütet hatten. Wir waren so voller Emotionen und Gefühlen, dass wir einfach nicht daran gedacht hatten. Und zwischen dem Sex mit ihm und dem Sex mit Sebastian lagen nur wenige Tage. Das heißt, dass die Pille sowieso bei beiden möglicherweise nicht gewirkt hat. Es war der selbe Zyklus. Es kommen also tatsächlich beide in Frage.

Auf halbem Weg - WincentWeiss (Teil 2)Where stories live. Discover now