Kapitel 4 - Licht am Ende des Tunnels - Part 1

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 Bild: Daniel (Leyas Vater)

Leya erwachte vom penetranten Klingeln des Weckers an ihrem Ohr.

„Ruhe!" nuschelte sie an den Wecker gerichtet und hieb mit ihrer Faust auf ihn ein bis er still war. Wie jeden Montag war es zu früh, viel zu früh um aufzustehen. Während Leya sich innerlich darauf vorbereitete aus ihrem warmen, gemütlichen Bett heraus zu müssen, ging ihr der gestrige Abend durch den Kopf, nachdem sie Cal und Leander im Wald hatte stehen lassen.

Sie war wütend nach Hause gestürmt und hatte ihre Eltern mit ihrer Laune durch und durch geschockt. Die beiden hatten sie angestarrt als wäre sie verrückt geworden, nachdem sie – nur mit ihrem Sporttop und Unterwäsche bekleidet – die Haustür zugeknallt hatte und in ihr Zimmer gestürmt war. Dort hatte sie dann vergeblich nach ihrem Handy gesucht um Angel anzurufen bis ihr wieder eingefallen war, dass das dumme Ding schon seit ihrem ersten Bad im Meer kaputt war. Resigniert war Leya schließlich schlafen gegangen, bevor sie sich Gedanken über den verkorksten Tag machen konnte.

Und das führte sie jetzt zu diesem Moment. Sie hatte ihren Wecker so gestellt, dass sie noch einen Tick früher geweckt wurde als üblich, weil sie vor der Schule noch Duschen musste um die Sand - und Algenreste aus ihrem Haar zu spülen.

Schläfrig rollte Leya aus ihrem Bett und schleppte sich zum Badezimmer. Mit trägen Handgriffen zog sie sich aus, machte das Radio, das sie schon vor langer Zeit hier platziert hatte, an und stellte sich unter die Dusche.

Das warme Wasser, das sanft auf ihren Rücken prasselte, weckte Leya auf. Sie öffnete ihre Augen, ihr Blick wurde klarer und sie nahm das grün gestrichene Bad mit dem großen Spiegel durch die beschlagene Glaswand der Dusche wahr.

Sie wischte eine Stelle im Glas frei um ihr Spiegelbild zu betrachten. Sie hatte sich nicht verändert. Gleiche Nase, gleicher Mund und gleiche Augen. Alles war wie immer, aber eben auch nicht. Jetzt musterte sie ihre Augenfarben auf eine andere Art und Weise. Früher, also vor drei Tagen – wie wenig Zeit es doch brauchte um ihr ganzes Leben auf den Kopf zu stellen - hatte sie ihre verschiedenfarbigen Augen nur als Verirrung der Natur und störend empfunden, zwei Dinge, die sie selbst genauso wenig liebte wie die Person, von der sie ihre Augen geerbt hatte, Leya liebte. Aber jetzt war es anders. Sie schämte sich zwar noch immer für ihre Augen, nur jetzt mischte sich noch etwas anderes hinein.

Leya fürchtete sich davor, was ihre Augenfarben bewiesen.

Sie wollte nichts besonderes sein, obwohl es sicherlich seine Reize mit sich brachte kein Durchschnittsleben zu führen. Man sah aber an den meisten Prominenten, dass nur die wenigsten damit klar kamen bewundert zu werden für ihre Besonderheit. Denn wer besonders war, war anders. Und wer anders war, wurde meistens ausgestoßen. Leya wollte keine Ausgestoßene sein. Sie wollte einfach nur mit ihren Freunden Spaß haben, irgendwann eine Familie gründen und glücklich sein. Aber ihr wurde regelrecht aufgedrängt zu akzeptieren, dass das nicht möglich war, dass sie nicht das Recht dazu hatte ein solches Leben zu führen. Erst hatte ihre Mutter sie grundlos verlassen, hatte sie mit all den Dingen allein gelassen, die sie von ihr geerbt hatte und dann war diese seltsame, fremde Familie aufgetaucht und hatte ihr ihr Leben geraubt.

Leya warf einen letzten Blick in die wütenden, dunkel-hellen Augen ihres Spiegelbilds, dann klatschte sie Shampoo auf ihr Haar und kehrte dem Glas den Rücken zu.

Das heiße Wasser strömte über ihr Gesicht, ihren Hals und lief ihr wegen ihrem geöffneten Mund in die Kehle. Leyas rasender Puls entschleunigte sich und als der Schaum und alle Sandreste abgewaschen waren, ging es ihr wieder gut.

Ruhig und mit leerem Kopf schlang sie ein Handtuch um sich, föhnte ihre Haare bis sie halbwegs trocken waren und verließ das Bad.

Davor stand ihre Mutter mit einem freundlichen Lächeln und wartete darauf, dass sie ins Bad konnte.

„Schatz, ich bin ja froh, dass es dir wieder gut geht, aber ich muss mich fertig machen! Also verbrauch nicht das ganze Wasser!"

„Morgen, Mum!" sagte Leya lächelnd und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Wenigstens war ihr Mutter noch wie früher. Und solange sich daran nichts änderte, war alles gut.

Ihre Mutter schlängelte sich an ihr vorbei und hinterließ dabei den sanften Duft ihres Parfums, der immer an ihr hing, ob Tag oder Nacht. Kurz bevor die Tür zugeschlagen wurde, hörte Leya noch, wie ihre Mama meinte:

„Ach übrigens, Mäuschen, ein netter junger Mann hat gestern Abend, als du schon in deinem Zimmer warst, ein paar Sachen vorbei gebracht. Sie liegen unten auf dem Esstisch."

Einen bedeutungsvollen Blick später schlug sie die Badezimmertür zu und ließ Leya mit der Information allein.

Irritiert starrte sie einen Moment die geschlossene Tür an, dann nahm sie die Füße in die Hand und rannte nur mit dem Badetuch bekleidet nach unten. Sie wusste ganz genau wer dieser 'nette junge Mann' gewesen war. Wahrscheinlich hatte Cal etwas gebracht, das ihr Ärger bereiten würde. Viel mehr hatte er bisher ja nicht geschafft.

Auf dem Holztisch lag ein kleines Päckchen, darunter pinker Stoff und darauf eine Karte.

Leya griff zuerst zu dem zusammengefalteten Papier und klappte es auf. Leise las sie die geschwungenen Buchstaben vor:

„Ich hoffe, dass du, wenn du diese Nachricht bekommst, nicht mehr allzu wütend bist. Ich weiß, dass mein Bruder ein ziemlicher Arsch sein kann, aber so ist nun einmal seine Natur. Wenn er Menschen nicht kennt, dann behandelt er sie schlecht. Aber ich bin mir sicher, dass er dich nicht mehr so behandelt, sobald er dich kennen und fürchten gelernt hat. Also mach einfach so weiter und lass dich von ihm nicht klein kriegen."

Ein widerwilliges Lächeln schlich sich auf Leyas Gesicht, während sie die Sätze las.

Oh ja, Leander würde sie wirklich fürchten lernen! Und sie würde nicht kleinbeigeben. Zwar wollte sie am liebsten nichts mit dieser neuen Welt zu tun haben, die sich ihr eröffnete, aber Cal würde wahrscheinlich nicht aufhören sie damit zu belästigen. Und, um ehrlich zu sein, fand Leya es gar nicht mal so schlecht, dass Cal sich solche Mühe gab...

Da ihre Gedanken langsam wieder zu dem gestrigen Beinahe-Kuss – denn so hatte sie inzwischen das Ereignis im Wald kategorisiert – abdrifteten, las sie schnell weiter:

„Ich hab dir etwas besorgt, damit wir deine Eltern nicht mit in die Sache hereinziehen, wie du es wolltest. Da dein Altes wegen mir kaputt gegangen ist, hast du hier einen Ersatz.

In hoffnungsvollem Erwarten auf ein glückliches neues Zusammentreffen, Cal.

P.S. Ich bedauere es sehr dir deine pinke Hose zurückzugeben, da sie mir a. Hervorragend gestanden hat und b. Ich nun deinen wirklich ausgesprochen hübschen Hintern nicht mehr unbekleidet bewundern darf!"

„Wer darf wessen ausgesprochen hübschen Hintern bewundern?" fragte plötzlich die Stimme von Leyas Vater. Sie fuhr herum und starrte ihren Dad mit knallrotem Kopf an, während sie Cals Karte noch in einer Hand hielt.

Daniel, ihr Vater, sah erst die Karte, dann ihre rot leuchtende Gesichtsfarbe und dann wieder die Karte an. Leya sah förmlich, wie er eins und eins zusammenzählte und zu einem eindeutigen Ergebnis kam, nämlich, dass der Junge, der die Karte gebracht hatte, auch der sein musste, der Leyas unbekleideten Hintern bewundert hatte.

Bevor ihr Papa einen Ton hervorbringen konnte, schnappte sie sich die drei Sachen und rannte damit die Treppe nach oben zu ihrem Zimmer. Als sie die Tür schloss, vernahm sie den schockierten Tonfall ihres Vaters, während dieser ihr mindestens eine Oktave höher als sonst hinterher rief: „Was ist gestern passiert?!"

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Danke fürs Followen,

Jankii13

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Song:

Green Day - Good Riddance


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