Kapitel 17 - Furchen - Part 6

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„Weißt du, was das Schlimmste ist?" flüsterte Leya plötzlich mit rauer Stimme. Bis jetzt hatte sie Cal nur lauschen können. Sein Auftauchen hatte sie aus der Bahn geworfen. Ganz plötzlich war sie sich nicht mehr sicher gewesen, ob sie noch einmal springen konnte. „Ich kann dem nicht einmal ein Ende machen." Ihr Gesicht war tränennass und das Salz brannte in ihren Wunden. Sie wich Cals Händen aus, die sie berühren und an ihn ziehen wollten. Er sah sie an als würden ihre Tränen ihm das Herz zerreißen.

Das weiche Gras unter ihren nackten Füßen schmiegte sich wie immer an sie, während sie Schritt für Schritt weiter auf den Klippenrand zu stolperte

„Es ist vollkommen egal, was ich versuche. Wenn ich mich erhänge, reißt das Seil. Wenn ich Tabletten nehme, wache ich wieder auf." Leya war verzweifelt. Sie konnte wegen der dicken Tränen, die ihr über die Haut rollten und auf ihre Kleidung oder den Boden tropften, nicht mehr klar sprechen und dann, endlich war sie am Rand der Klippe angekommen. „Und wenn ich springe, dann falle ich zu kurz."

Als Cal verstand, dass sie sich gegen seine Worte entschieden hatte, raste er auf sie zu. Weniger als einen Herzschlag später war er bei ihr. Aber es war nicht schnell genug. Leya sah, wie er ins Leere griff und vergaß dabei die nur noch bruchstückhafte Angst, die sie befiel, weil sie keinen Boden mehr unter ihren Füßen hatte.

All die Geräusche setzten wieder ein, genauso schnell wie sie bei Cals Erscheinen zumindest für Leya verschwunden waren. Der Wind rauschte in ihren Ohren, es schien als wollte er sie anschreien nicht weiter zu fallen. Mit ohrenbetäubender Lautstärke schlugen die Wellen unter ihr gegen den Fels.

Sie schloss die Augen um Cals Gesicht nicht weiter sehen zu müssen. Es hatte einen Ausdruck angenommen, den sie noch niemals gesehen hatte. Er hatte ihr hinterher gestarrt als wäre sie das letzte Fünkchen Hoffnung und Glück, das es in seinem Leben gab und als würde dieser Funken jetzt im eisigen Meer ertränkt werden.

„Es tut mir leid." hauchte sie.

Vor ihrem inneren Auge spielte sich ihr erstes Treffen mit Cal an der Klippe ab. Wie sie gekämpft hatten und zusammen gefallen waren. Es tat ihr wirklich leid, dass sie diesen Ort entweihen musste indem sie das tat. Aber es war der einzige Weg um ihn zu retten.

Die salzige Meerluft erfüllte ihr Inneres. Das war immer so, kurz vor dem Aufschlag. Gleich war es geschafft. Einen winzigen Moment trat ihr Überlebensinstinkt zutage. Leya holte tief Luft bis ihre Lungen damit vollgepumpt waren. Das letzte Luftholen in ihrem Leben, wie ihr dabei klar wurde. Denn dieser Sturz würde sie endgültig töten, würde ihre Organe zerreißen und ihre übrigen Knochen brechen.

Eine Welle schlug ihr gegen den Körper, doch anstatt mit der gewohnten Härte auf dem Wasser aufzutreffen, wurde sie davongerissen. Etwas weiches, warmes hatte sich um sie gelegt. Das Wasser war nur eine Handbreite entfernt, dessen war Leya sich sicher, aber da war keine Kälte, nichts Hartes, nichts, das ihr wehtat. Nur dieses schöne Gefühl von Geborgenheit, das sie umgab.

Was war geschehen?

Leya öffnete die Augen und sah direkt in sein Gesicht, Cals Gesicht. Sich widersprechende Emotionen spiegelten sich darin. Wut und Freude, Verzweiflung und Glück. Alles überlagert von Liebe, die aus jeder Faser seines Körpers drang.

Doch plötzlich schlugen sie auf dem Strand auf an dem sie ihm das Leben gerettet hatte und er ihr die Panweihung entrissen hatte. Wasser und Sand spritzten, der Aufprall war schmerzhaft und sie schlitterten weiter bis sie von den Felsen zum stehen gebracht wurden. Einige weitere Knochen in Leyas Körper barsten, aber keine, die ihr das Leben nehmen würden.

Cals Herz schlug wie wild an ihrem. Leya war umgeben von seinem Körper, seinem Geruch und seinen Bewegungen. In diesem Moment kam sie zurück, die Stille. Das Meer, der Wind, die Vögel, alles schwieg und wartete ab, was geschehen würde.

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