Kapitel 14 - Es sind nicht wir, die leise weinen... - Part 2

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Irgendwann streckte die Person, die sie jetzt am wenigsten von allen sehen wollte, den Kopf in ihr Zimmer.

„Hey, Leya. Wie geht's dir?" Elissa lächelte breit. Ihr Tonfall war liebenswürdig, aber davon würde Leya sich nicht täuschen lassen. Dieses Mädchen hasste sie. Elissa würde niemals ohne Hintergedanken freundlich zu ihr sein.

Darum ignorierte sie Elissa und musterte die Zimmerdecke aufs genaueste. Die Malereien waren wirklich hübsch.

„Ich...ich weiß, dass du momentan eine schwere Zeit durchstehst. Wegen... alldem. Also... Ich wollte nur sagen, dass es mir leid tut, was dir und deiner Familie passiert ist. Ich verstehe nur zu gut, wie es ist, wenn man allein auf der Welt ist oder sich zumindest so fühlt." Sie klang ehrlich freundlich und verständnisvoll. Mit gerunzelter Stirn ließ Leya ihren Blick zu Elissa schweifen. Wie war das denn passiert?

„Okay. Genug davon. Steh auf. Du hast jetzt mit mir Training." Das war schon eher die Elissa, die Leya kannte. Kalt und herrisch.

Langsam rappelte Leya sich hoch. Sie musste einfach nur noch das hinter sich bringen, dann konnte sie zurück in das fremde Bett in dem sie jetzt wohl schlafen würde und weiter die Wände anstarren.

Augenblicke später waren Elissa und sie zurück in dem Musikzimmer. Alles schien unberührt. Nichts hatte sich geändert seit Leya das letzte Mal hier gewesen war. Die Erde drehte sich eben immer im gleichen Takt weiter, unabhängig von den Leben, die auf ihr zerbrachen.

„Okay, also ich hab mir gedacht, dass wir es heute etwas anders angehen als davor. Wir haben ja keine nennenswerten Erfolge erzielt, also setzen wir doch einfach bei einem Erfolg an. Cal hat mir die Aufnahme von dir vorgespielt, als du Karaoke gesungen hast. Dabei ist deine Orpheusgabe deutlich zum Vorschein gekommen. Wir werden jetzt ganz einfach versuchen das zu wiederholen. Alles klar?" Elissa schenkte ihr ein kurzes aufblitzen ihrer strahlend weißen Zähne – aus der Geste ging nicht hervor, ob es als Zähnefletschen oder als Lächeln zu deuten war – und drückte ihr ein Blatt in die Hand.

„Wir machen das jetzt einfach so, als ob du wieder Karaoke singen würdest. Ich mach die Musik an und du singst den Text dazu. Ganz einfach. Heute machen wirs mal ohne Aufwärmübungen."

Elissa gab Leya kurz Zeit um sich das Blatt durchzulesen, dann schaltete sie die Musik von 'Stay' ein.

Leya holte tief Luft, bevor sie an der passenden Stelle einsetzte:

„All along it was a fever
A cold sweat hot-headed believer
I threw my hands in the air I said show me something
He said, if you dare come a little closer

Round and around and around and around we go
Ohhh now tell me now tell me now tell me now you know

Not really sure how to feel about it
Something in the way you move
Makes me feel like I can't live without you
It takes me all the way
I want you to stay"

Ihre Stimme klang unsicher und brüchig. Sie kannte den Text in und auswendig, aber irgendetwas war falsch an alldem. Sie konnte es nicht. Sie konnte das nicht singen.

„It's not much of a life you're living
It's not just something you take, it's given
Round and around and around and around we go
Ohhh now tell me now tell me now tell me now you know

Not really sure how to feel about it
Something in the way you move
Makes me feel like I can't live without you
It takes me all the way
I want you to stay"

Gegen Ende fiel ihr auf, was falsch daran war. Sie konnte es nicht singen – zumindest nicht so, wie sie es singen sollte -, weil sie ihre Emotionen in irgendeine Ecke ihres Körpers verbannt hatte. Das alles konnte nicht funktionieren mit ihrer vollkommenen Gefühllosigkeit. Es fiel ihr zwar wesentlich leichter zu singen als zu sprechen, aber das bedeutete nicht, dass deshalb irgendetwas von ihrer – sie hatte kein besseres Wort dafür – Seele zum Vorschein kam.

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