Kapitel 10: Aussprache

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Dr. Tabea Rohde sieht mich erstaunt an. Ich bin selbst überrascht von mir, dass ich es wirklich ausgesprochen habe.
Niemand spricht. Alle starren mich an, am meisten natürlich Tom und mein Vater. Ich habe eigentlich ein Donnerwetter erwartet, aber keiner gibt auch nur einen Mucks von sich. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir einfach alle wortlos vor uns hinstarren. Die Ärztin findet als Erste ihre Sprache wieder: "Genau, darauf wollte ich hinaus, wir habe in ihrem Blut das Schwangerschaftshormon entdeckt und daraufhin gleich einen Ultraschall gemacht, der das Ganze nochmal bestätigt hat."

Mein Vater ist inzwischen kreidebleich und auch Tom sieht nicht wirklich gut aus.
"Ich kann mir vorstellen, dass das jetzt sehr unerwartet kommt, zumal Sie beide sich ja auch noch nicht kannten. Aber vielleicht ist es eben gerade ganz gut, dass wir jetzt hier alle in einem Raum zusammen sind, da es ja jeden von Ihnen betrifft. Sie als werdenden Großvater und dich natürlich als werdenden Vater", meint Dr. Rohde und sieht erst meinen Papa und dann Tom an.
Dieser scheint sich von seinem ersten Schock langsam zu erholen. "Wow....ich....Rebecca, wie konnte das passieren? Wir....wir haben doch immer verhütet", stammelt er und sieht plötzlich selbst aus wie ein kleines Kind.
"Tom....es tut mir so leid! Bitte sei nicht sauer!", flehe ich und kämpfe gegen die Tränen. "Wir hatten doch vor ein paar Wochen diesen Streit, weil du meinem Vater von uns erzählen wolltest, aber ich nicht.. Wir haben fast zwei Wochen nicht miteinander gesprochen und ich dachte, es wäre aus zwischen uns, deswegen habe ich auch die Pille nicht weiter genommen und das war wohl der Fehler."
Tom kann nur nicken und lehnt sich an die Wand.

Ich schaue zu meinem Vater und erst jetzt bemerke ich, dass er weint.
"Papa, ich..", setze ich an, doch er unterbricht mich.
"Nein Rebecca, du brauchst nichts sagen. Es tut mir leid, ich bin an allem Schuld. Ich habe einfach versagt. Ich kann das einfach nicht ohne deine Mama. Ich habe es nicht einmal geschafft, ein Vertrauen zu dir aufzubauen, sonst hättest du mir ja erzählt, dass du einen Freund hast. Ich hätte für dich da sein müssen.."
Weitersprechen kann er nicht.
"Herr Steiner..", sagt Schwester Birgit einfühlsam und legt meinem Vater die Hand auf die Schulter. "Ich glaube nicht, dass sie versagt haben. Sie sind ein ganz toller Vater und sicher werden Sie auch ein ganz liebevoller Großvater. Sie müssen nur unbedingt für Ihre Tochter da sein, denn sie braucht Sie jetzt mehr denn je."

Mein Vater nickt und schaut mir endlich in die Augen. "Wir schaffen das, mein Schatz, okay? Ich verspreche es dir." Es nimmt mich in die Arme und nun muss auch ich weinen.

"Und wie geht es dir?", wendet sich Dr. Rohde an Tom, der immer noch ungläubig auf seinem Stuhl sitzt. "Ich.. naja, es ist alles ein bisschen viel auf einmal, gerade.. Ich meine, sie ist gerade mal 16 und ich 18, sie steckt mitten in den Abi-Vorbereitungen, ich schon in den Prüfungen.. Rebecca, ich liebe dich und will mit dir zusammen sein, aber ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie wir das schaffen sollen..", stottert er.
"Okay Tom, schau mal, natürlich ist das alles gerade sehr viel für dich. Es gibt aber ganz viele Möglichkeiten, wie ihr euch Hilfe suchen könnt. Wir in der Klinik beraten euch da auch gerne. Klar hast du recht, euer Leben wird sich auf jeden Fall verändern, egal, wie ihr euch entscheidet. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ihr das schaffen könnt - alle zusammen", erklärt die Ärztin.
"Ja, Junge, wie es aussieht, gehörst du jetzt wohl zur Familie", sagt mein Vater und lächelt ihn zum ersten Mal an. Das scheint Tom zu überzeugen, denn nun kommt auch er zu mir und gibt mir einen Kuss. "Okay Süße, wir kriegen das hin, okay?", flüstert er.
"Okay", gebe ich zurück, immer noch weinend.

"Also, ich glaube aus medizinischer Sicht gibt es für mich hier im Moment nichts mehr zu tun", sagt Dr. Rohde lächelnd. "Ich wünsche euch und vor allem dir, Rebecca, natürlich alles Gute."
Sie gibt uns allen die Hand und verabschiedet sich. "Danke und vor allem vielen Dank für Ihre Unterstützung, ich weiß nicht, was ich ohne Sie getan hätte", bedanke ich mich nochmal bei ihr.

"Kein Problem, dafür bin ich da."

Klinik am Südring - RebeccaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt