Kapitel 3: Auf Station

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"Danke, dass du das machst, Larissa", sagt Dr. Rohde und schließt die Tür hinter meiner Freundin. Dann wendet sie sich wieder mir zu:
"Okay Rebecca, ich würde sagen, die Linda bringt dich jetzt mal auf Station hoch in ein Zimmer und wir geben dir ein bisschen Zeit, ich kann mir schon vorstellen, dass du gerade ziemlich aufgebracht bist, auch wenn du das uns gerade nicht so wirklich zeigen willst, kann das sein?" Sie erwartet keine Antwort von mir, sondern streicht mir nur kurz über den Rücken, wofür ich ihr sehr dankbar bin, denn ich könnte gerade ohnehin nicht reden, ohne dass ich anfangen würde, zu weinen.

Ich habe lange nicht mehr an meine Mutter gedacht und mir wird jetzt erst klar, wie sehr ich sie vermisse. Ich war 11 Jahre alt, als sie gestorben ist, habe also schon alles ziemlich genau mitbekommen. Es war ein langer, harter und schmerzhafter Kampf, den sie letztendlich leider verloren hat. Ich hatte gesehen, wie sehr sie gelitten hat und wie schlecht es ihr ging, auch wenn sie sich bemüht hatte, mir gegenüber eine starke, liebevolle Mutter zu sein - was sie auf jeden Fall auch war! Es war schlimm für sie gewesen, so zu leiden, doch viel schlimmer für sie war, uns, also meinen Papa und mich leiden zu sehen.

"..Rebecca?", reißt mich die Stimme von Schwester Linda aus meinen Gedanken. Wir sind nur noch zu zweit im Zimmer, ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Ärztin den Raum verlassen hat. "Ist dir wieder schlecht?", fragt sie mich besorgt. "Nein, alles in Ordnung, es geht schon. Ich war gerade nur in Gedanken", entgegne ich entschuldigend. "Okay, hast du mitbekommen, was wir gerade besprochen haben?", fragt sie. Ich schüttle den Kopf: "Nein, tut mir leid.."
"Macht nichts. Also ich bringe dich jetzt hoch auf die Kinderstation, da ist gerade ein Zimmer frei und du bist ja erst 16, also kann man dich schon noch als Kind bezeichnen, oder?", meint sie lächelnd, um die Stimmung ein bisschen aufzulockern.
"Denke schon", entgegne ich ihr und lächle sie ebenfalls an.

....

Schwester Linda schiebt mich in einem Rollstuhl in ein leeres Zimmer. Naja, wenigstens keine nervigen Bettnachbarn, denke ich, als sie mir ins Bett hilft. Da klopft es an der Tür und Larissa kommt herein.
"Du Rebecca, ich hab deinen Vater angerufen, aber leider niemanden erreicht. Ich hab aber auf die Mailbox gesprochen", erklärt sie.
"Danke", sage ich und bin wirklich dankbar dafür, so eine tolle beste Freundin zu haben. "Allerdings hat meine Mama mich schon ungefähr 20-mal angerufen, weil ich vergessen habe, ihr Bescheid zu geben, wo ich bin.. Ich glaube, sie ist ziemlich sauer.."
Ich kenne Larissas Mutter gut, die kann eine richtige Furie werden, wenn etwas nicht nach ihren Vorstellungen läuft. Sie ist eine von diesen Eltern, die auch ihrer fast 17-jährigen Tochter noch Hausarrest und Handyverbot erteilen. "Ist okay, geh ruhig nach Hause", sage ich deshalb zu ihr. "Bist du sicher?", fragt sie skeptisch. "Ich will dich nämlich eigentlich nicht alleine lassen.."
"Nein, wirklich, das passt schon", versichere ich ihr. "Genau, wir sind ja auch noch da und wir kümmern uns gut um deine beste Freundin, keine Sorge", bekräftigt nun auch Schwester Linda.
"Okay, na dann, pass auf dich auf. Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn irgendwas ist, ich bin immer erreichbar!", verspricht Larissa mir. Mir kommen fast die Tränen, aber diesmal vor Rührung. "Danke, ich melde mich auf jeden Fall bei dir", verspreche ich.

....

Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn auf einmal werde ich von Geschrei auf dem Gang aufgeweckt. "Mein Name....Steiner.... Tochter.....Rebecca....sofort!", höre ich nur einzelne Wörter, aber die Stimme würde ich immer erkennen: ohne jeden Zweifel ist mein Papa jetzt da.
Die Tür fliegt auf und mein Vater kommt auf mich zugerannt, hinter ihm eine andere blonde Krankenschwester, die etwas älter zu sein scheint als Schwester Linda.
"Oh mein Gott, Schatz, was ist mit dir passiert?? Geht es dir gut?", fragt er während er mich verzweifelt und besorgt von oben bis unten mustert. Ich bin noch etwas benommen, da ich ja gerade erst aufgewacht bin. "Hallo Papa", begrüße ich ihn daher nur kurz. "Hallo Rebecca, ich bin Schwester Birgit", meldet sich nun die Krankenschwester zu Wort und wendet sich dann meinem Vater zu. "Herr Steiner, Ihre Tochter ist wohl noch etwas benommen, sie hat Schmerzmittel und etwas gegen Übelkeit bekommen. Ich würde daher sagen, sie beruhigen sich erstmal und die Ärztin erklärt Ihnen gleich in Ruhe alles."
"Beruhigen?! Wie soll ich mich denn beruhigen? Das ist mein einziges Kind! Sie ist alles, was ich noch habe! Verstehen Sie das nicht??", ruft mein Vater, während er wild gestikuliert. Ich will versuchen, ihn zu beruhigen und setze mich auf, doch wieder überfällt mich die Übelkeit und ich halte mir die Hand vor den Mund. Schwester Birgit versteht sofort, greift schnell nach einer Nierenschale und hält mich fest, während ich mich übergebe.
"Oh mein Gott, was haben Sie mit dir gemacht?" Mein Vater schaut mich entsetzt an. "Hat euch der kriminelle Sportlehrer wieder in der Nachmittagshitze über den Platz gehetzt? Der kann was erleben, sag ich dir, gleich am Montag rufe ich die Schule an!"

Klinik am Südring - RebeccaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora