Kapitel 8: Angst

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Dr. Tabea Rohde betritt mein Zimmer und sieht mich mitfühlend an. "Na, wie geht es dir? Wenigstens haben wir jetzt Gewissheit, stimmt's?", sagt sie und schon wieder rollen mir Tränen übers Gesicht.
"Moment, ich komm mal zu dir", meint sie und setzt sich zu mir aufs Bett. "Das ist alles bestimmt ein ganz schöner Schock für dich. Möchtest du drüber reden?"
Ich schüttle den Kopf. Wenn ich jetzt was sagen würde, käme ohnehin nur unverständliches Geschluchze raus. Außerdem hat sie bestimmt Besseres zu tun, andere Patienten brauchen ihre Hilfe gerade sicher dringender, als eine Teenagerin, die zu dumm war, richtig zu verhüten.

Die Ärztin legt ihren Arm um mich. "Hör mal, du kannst ruhig mit mir sprechen, ich habe gerade sowieso kurz Zeit. Heute gibt es ausnahmsweise mal nicht so großen Trubel auf der Station", meint sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

"M-mich überfordert das gerade einfach alles", schluchze ich, "Ich bin erst 16 und muss doch mein Abi machen! Mein Freund und ich sind auch erst ein halbes Jahr zusammen, der wird mich sicher verlassen, wenn er erfährt, dass ich schwanger bin. Das heißt, wenn mein Vater ihn nicht vorher umbringt. Nein, nein, mein Papa darf das nie erfahren!!" Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und weine hemmungslos.

"Langsam, langsam, Rebecca, beruhige dich", versucht Dr. Rohde mich zu beruhigen. "Es gibt für alles eine Lösung, also eins nach dem anderen. Du hast einen Freund, sagtest du, richtig?"
Ich nicke und nehme das Taschentuch, das sie mir hinhält. "Ja, er heißt Tom und ist zwei Jahre älter als ich. Wir haben uns vor einem Jahr auf einer Jugendfreizeit kennengelernt und sind seit einem halben Jahr zusammen", bestätige ich, nachdem ich wieder einigermaßen verständlich sprechen kann.
"Okay und hast du ihn schon informiert, beziehungsweise weiß er, dass du hier im Krankenhaus bist?", fragt sie.
"Ja, das weiß er, aber dass ich schwanger bin, konnte ich ihm noch nicht sagen. Ich wollte das nicht übers Handy machen, aber er ist das Wochenende über weg, also kann er auch nicht herkommen", erkläre ich. "Außerdem ist er gerade mitten im Prüfungsstress, da kann ich ihm doch jetzt nicht sowas verkünden. Oh Mann, ich bin so blöd, warum habe ich nicht besser aufgepasst??"
"Du bist nicht blöd, Rebecca, außerdem gehören zum schwanger werden immer zwei dazu, okay? Ich kann mir außerdem auch nicht vorstellen, dass er dich gleich verlässt. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie ihr euch Hilfe suchen könnt, wir können dir, beziehungsweise euch, da sicher ein paar Infos dazu geben", meint sie.
"Ja okay, aber selbst wenn mein Freund zu mir halten würde, mein Vater bringt ihn um, wenn er das erfährt! Er weiß ja nichtmal, dass ich einen Freund habe.. Sie haben doch gestern selbst erlebt, wie er ausrasten kann", wende ich ein. "Tut mir übrigens Leid, dass er so unhöflich zu Ihnen war."
"Das ist doch verständlich, immerhin ist er dein Papa und macht sich Sorgen um dich, da brauchst du dich nicht dafür zu entschuldigen. Allerdings denke ich schon, dass er Bescheid wissen sollte, so eine Schwangerschaft ist ja auch nichts, was man besonders lange verstecken kann", sagt sie vorsichtig.
Mir wird ganz heiß. "Sie haben ihn aber nicht informiert, oder? Bitte, bitte nicht!", sage ich flehend.
Die Ärztin beruhigt mich: "Nein, keine Sorge, wir haben niemandem etwas gesagt. Wir haben ja die ärztliche Schweigepflicht, deswegen werden wir es deinem Papa auch nicht erzählen. Ich fände es allerdings sehr gut, wenn du das selbst tun würdest, wenn er heute Abend kommt, um dich abzuholen. Denn medizinisch gesehen ist jetzt soweit alles in Ordnung bei dir, die Ursache für deine Beschwerden haben wir ja nun gefunden. Die Übelkeit und der Schwindel sollten auch von selbst wieder weg gehen, du solltest allerdings im Sportunterricht in Zukunft aufpassen."

"Aber ich kann ihm das nicht sagen, ich....", stammle ich, doch bevor ich wieder einen Heulkrampf bekomme, stoppt sie mich. "Wenn du möchtest kann ich auch gerne bei dem Gespräch dabei sein und dich dabei unterstützen", bietet sie mir an. Ich bin zwar immer noch nicht begeistert davon, aber es scheint mir, die bestmögliche Gelegenheit zu sein.
Ich willige also ein.
Dr. Rohde erklärt mir, dass sie jetzt meinen Vater anrufen und ihm sagen werden, dass ich heute Abend nach Hause gehen darf und er mich abholen kann.

Ich habe noch ein bisschen Zeit, bis es soweit ist und überlege mir schonmal, was genau ich sagen sagen soll.

- Papa, ich habe einen Freund und wir bekommen ein Baby!
- Papa, herzlichen Glückwunsch, du wirst Opa!
- Papa, ich habe mir ohne es dir zu sagen, die Pille verschreiben lassen, hat aber leider nichts gebracht, denn ich bin schwanger!

Ich habe keinen Ahnung, wie ich so eine Nachricht formulieren soll. Doch während mein Kopf noch arbeitet klopft es wieder an der Tür.

Klinik am Südring - RebeccaWhere stories live. Discover now