Oktober: Küchenkränzchen

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In unserer wunderschönen Airbnb Wohnung in der Beatrice Street machten wir mit einigen interessanten Personen Bekanntschaft und gewannen sogar neue Freunde.

Mit dem tschechischen Pärchen Anja und George verstanden wir uns auf Anhieb gut. Wir redeten viel mit ihnen und trafen uns ab und zu zum Brettspielabend im Wohnzimmer. Die beiden sind zuckersüße, unfassbar sympathische Personen, die unsere Meinung zu allem wissen wollten und sich gerne mit uns austauschten. Beim Siedler von Catan Spielen versuchte Anja ihren kleinen deutschen Wortschatz zu erweitern und wir begannen „Stein" anstatt „Stone" und „Straße" anstatt „road" zu sagen. Was bei ihr irgendwie immer aggressiver klang als bei uns und wir mussten fast jedes Mal lachen, wenn sie es sagte.

An einem Abend in der Woche nach Halloween saßen wir wieder zusammen im Wohnzimmer. Meine Freundin Milla und ich ließen uns von Anja und George berichten, was sie an Halloween unternommen hatten. Daraufhin erzählten sie von der Party auf der sie gewesen sind. Sie als Charlie Chaplin verkleidet, er mit Regenbogensocken und Einhorn als eine Art Fabelwesen. Ich denke, er war sich selbst nicht ganz sicher, was er eigentlich hat darstellen sollen.
George erzählte uns, dass er einen Mann namens Simon auf der Party kennengelernt habe, der ihn nach seiner Nummer gefragt hatte. Wir natürlich gleich: „Hast du sie ihm denn gegeben?" Und er ganz unschuldig: „Ja, ich dachte, es schadet nicht Kontakte in dieser Stadt zu haben."

Allerdings schienen Simon und er andere Vorstellungen von der Art des Kontaktes zu haben, den sie miteinander haben wollten. Darum ist er nie auf die vielen SMS eingegangen, die Simon ihm geschrieben hatte und in denen er George schrieb wie nett und sympathisch er ihn fand und dass sie sich unbedingt wieder treffen müssten. Wir lachten über die Geschichte und spielten unser Brettspiel weiter bis plötzlich Georges Handy klingelte. Er warf einen Blick auf die Nummer auf dem Display und schaute dann uns an. „Es ist Simon", verkündete er erstaunt. Wir konnten uns nicht mehr zusammenreißen vor Lachen und Überraschung. Was für ein Zufall, dass Simon genau jetzt anrief, wo wir zusammen saßen! Wir versuchten still zu sein, da George abnahm. „Hi, it's Simon!", rief der Mann auf der anderen Seite der Leitung enthusiastisch in den Hörer. Simon sprach so laut, das wir das Telefonat auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches problemlos mitanhören konnten. "Ich möchte mich nicht mit dir treffen und auch keinen Kontakt mit dir", erklärte George ihm trocken und ohne Umschweife. Das traf Simon wohl sehr unvorbereitet. „WHAAAT?" Rief er laut aus. „WHY?"
Aber George legte ohne zu antworten auf. „Du hast ihm das Herz gebrochen", meinte Ani lachend. Und wir gaben ihr voll und ganz recht. Der arme, er hatte George doch so gern gehabt.

Wir hatten einen Mitbewohner, den wir zuerst tagelang nicht zu Gesicht bekommen haben. Wir wussten nur von seiner Existenz, weil seine Jacke am Kleiderständer hing. Sein Name war Ian, er war 17 Jahre alt und ernährte sich ausschließlich von Ramennudeln und Cola. Eines Abends begegneten wir ihm wie er in der Küche flach auf dem Boden lag. Gut, dass er einen roten Hoodie trug, sonst wäre ich vielleicht ausversehen auf ihn getreten. Wir kamen gerade aus der Arbeit und waren sehr müde. „Alles okay bei dir?", fragte ich vorsichtig nach. „Oh ja, ich suche nur was", meinte er und sah kurz auf. Sein Kumpel saß sichtlich amüsiert am Küchentisch und erklärte: „Er sucht das Schwert unseres Playmobilritters."
Und da soll nochmal einer behaupten unsere Generation würde sich von der digitalen Welt vollkommen vereinnahmen lassen und sich für nichts „Reales" mehr mit Leib und Seele einsetzen!

Am nächsten Morgen öffneten wir unseren Kühlschrank und fanden ein 2 Dollar Stück auf unserer Schokolade vor. Da es eine Tafel weniger war als am Tag zuvor verstanden wir, dass der Dieb uns Geld für die gestohlene Schokolade dagelassen hat. Man muss erwähnen, dass all unsere 10 Tafeln sorgfältig abgezählt worden waren... Wir wussten sofort, dass es Ian war. Die anderen Mitbewohner schlossen einfach von vornherein aus.

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