September: die Mitbewohner

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Marcos Wohnung wirkte bei genauerem Hinsehen nicht mehr so chic wie wir zuerst angenommen hatten. Manche Lampen funktionierten nicht, manche Türen waren unsauber weiß gestrichen, lief man in Socken durchs Haus, waren die Fußsohlen danach schwarz. Nichts, womit man nicht zurecht käme, aber ganz schön störend.

Auch die ein oder andere Tür bereitete uns Probleme. Unser Badezimmer grenzte direkt an unser Schlafzimmer, sodass beide Räume ausschließlich von einer Schiebetür getrennt waren. Und diese Schiebetür wollten wir nutzen, da jede von uns machmal gerne ein bisschen Privatsphäre genießt. Schwierigkeiten bereitete uns das Schließen der Türe. Sie war ganz in die Wand zurückgeschoben worden und wir drückten und zogen, aber schafften es nicht sie herauszuziehen. Genervt und von der drückenden Blase zur Eile angetrieben probierten wir es weiter. Milla mit ihren langen Fingernägeln, ich mit meinen kleinen Händen. Minute um Minute verstrich. Mit einer Hebeltechnik, bei der man gleichzeitig drücken und ziehen muss, schafften wir es dann letztendlich doch die Tür herauszuziehen und sie zu schließen. "Ich habe es geschafft!", schrie ich und hüpfte triumphierend in die Luft. Es war ein glücklicher Moment für uns beide.

In der Küche erlebten wir ein eher gegenteiliges Problem. Wir schlossen die Schiebetür, um zu verhindern, dass der Essensgeruch in die Wohnung zieht. Als meine Freundin die Küche verlassen hatte und anschließend wieder hineingehen wollten, ließ sie sich jedoch nicht wieder öffnen. So standen wir beide da, sahen einander durch das Glas in der Tür an und drückten und zogen gemeinsam an der Tür. Sie von der einen Seite, ich von der anderen. "Was für eine dramatische Situation", bemerkte Milla. Ich blickte in ihr, durch das unsaubere Glas, leicht verschwommene Gesicht. "Du bist so nah und doch so fern." Sie griff sich mit einer Hand theatralisch an die Brust. Dann rüttelte sie am Griff und das Glas im Holz vibrierte, aber aufziehen lies es sich nicht.
Mit einer Hebeltechnik, bei der man, ja genau, drücken und gleichzeitig ziehen musste, schafften wir es schließlich auch diese Türe zu bezwingen. Im Anschluss fühlte ich mich wie die Herrin der Türen. Wir schlossen sie seitdem nur noch halb.

Sobald wir uns an die Türen gewöhnt hatten, kamen wir mit ihnen zurecht. An was wir uns allerdings nicht gewöhnen konnten, das war die Kälte. Obwohl das Haus eine Zentralheizung besaß, gelang es uns nicht diese anzuschalten.
Darum begannen wir nachts zu frieren und es geschah nicht nur einmal, dass die eine der anderen im Schlaf die Decke gestohlen hatte und die andere dann entweder zittern oder sich ihren Teil der Decke zurück erkämpfen musste. Unsere Freundschaft wurde in dieser Zeit auf eine harte Probe gestellt. Am Ende besiegten wir jedoch auch diese Hürde. Schließlich kennen wir einander bereits seit dem Kindergarten und sind mittlerweile nach einigen on-off-Phasen wieder seit der neunten Klasse auf der Realschule eng befreundet. Unsere Freundschaft hat daher bereits ähnliche Schwierigkeiten überwinden müssen.

Ein weiterer Aspekt, der uns bis zuletzt störte, waren unsere Mitbewohner.
Wir gehen davon aus, dass sie nicht rechtmäßig in unserem Haus lebten und Miete zahlten sie ganz bestimmt auch keine. Wir kamen von Anfang an nicht mit ihnen aus und das Unangenehmste war, wenn wir ihnen in der Küche oder, schlimmer noch, im Badezimmer begegneten.

Das erste Mal packte uns der Ekel am meisten und unvorbereitetsten. Die anderen Male warteten wir beinahe schon misstrauisch auf ihr Auftauchen, um uns direkt auf sie zu stürzen und erbarmungslos umzubringen. Ich spreche von krabbelnden, Ohrenzwickerartigen Insekten. Leider konnten wir den Ort, wo wir sie am Häufigsten antrafen, nicht meiden. Nicht, dass wir es nicht in Erwägung gezogen hätten. Aber es handelte sich um die Dusche.

Doch nichts bereitete uns auf das vor, was wir in unserer nächsten Wohnung erleben würden.

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